Elmar Zinke

Elbland


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Heil Hitler, in Frankreich kommt ein deutscher Soldat nicht aus der Übung.“

      „Neinnein, noch steht nichts fest. Aber vielleicht… Grete weiß nichts von der Wiege. Ein Abschiedsgeschenk… Deshalb schließe ich die Tür ab.“

      „Verstehe, eine Überraschung. Nährst außerdem in ihr nicht unnötig Hoffnungen und Sehnsüchte. Vielleicht klappt es erst nach dem Endsieg“, sagte Schulze im freundschaftlichen Ton, begutachtete einzelne Holzteile. „Hast Du alles beisammen?“

      „Ich denke schon.“

      Ein Geräusch ertönte, Egon Wagner zuckte zusammen. Nach einer Schrecksekunde gab Schulze Entwarnung, zur Geräuschursache erklärte er das Klappern der Fenster im schadhaften Holzkitt infolge einer Windböe.

      „Räder täten der Überraschung gut“, sagte Schulze.

      „Das stimmt. Zur Not geht es auch ohne sie.“

      Schulze spitzte den Mund, taxierte mit einem Blick die Größe des Schrankes, sagte: „Die Pflicht ruft, Egon. Womöglich kriege ich das Polenpack am Fluss zu fassen. Die denken am Ende die Torheit, dass das Eis sie trägt.“

      Egon Wagner begleitete Schulze bis zum Hofeingang, das Fahrzeug wartete mit laufendem Motor. Jeder Mann drückte die Hand des Anderen wie eine Kampfansage, mit dem Aufheulen des Lkw-Motors und der Wegfahrgeräusche setzte Egon Wagners Erlösung ein. Im Hof lehnte er minutenlang an der Wohnhauswand, erlag mit geschlossenen Augen dem Rausch im Körper. Im Kopf sprossen Bilder von den unerwartet heftigen Gefechten an der griechischen Metaxalinie, die er mit einem Durchschuss am Oberarm überstand.

      Nach dem Abendessen begründete Egon Wagner den Gang in die Werkstatt mit notwendigen Reparaturen vielerlei Art. Seine Manteltaschen bargen Brot, ein fingerlanges Stück Rotwurst und eine Bierflasche, in der Werkstatt riegelte er die Tür ab, sämtliche Fenster zum Hof nagelte er mit Papiersäcken zu.

      „Simon, die Luft ist rein“, sagte Egon Wagner im Flüsterton.

      Im Schrank herrschte Totenstille, Egon Wagner befiel eine dunkle Ahnung. Er riss die Schranktür auf, fand den Polen in einer unbequemen Sitzhaltung und einer andächtigen Gesamtstellung vor. Mit dem Augenöffnen hielt in Oppenheim eine Heiterkeit des Gemütes Einzug.

      „Im Leben zählt jeder Tag in Freiheit ein Vielfaches gegenüber der Knechtschaft.“

      „Iss etwas.“

      Oppenheim entstieg dem Schrank mit Geschick, führte Leibesübungen des Dehnens und Streckens aus, begab sich zu Egon Wagner, der seine Mitbringsel auf der Werkbank ablegte.

      Oppenheim biss kräftig in die geräucherte Blutwurst, verrichtete einige Kniebeugen, sagte kauend: „Mich plagte große Angst, dass mich mein Magen durch Knurren verrät.“

      „Warst Du die ganze Zeit im Schrank?“

      „Erst seit ich Stimmen dicht am Fenster hörte. Beim Verstecken gab es Probleme, die Schranktür ging immer wieder auf. Ohne Dein nochmaliges Gehen ins Haus …“

      Oppenheim legte einen Zeigefinger an den Hals, riss ihn zur Seite.

      „Lass Dir alles schmecken.“

      Oppenheim aß und trank mit Hingabe, Egon Wagner schaute zu, empfand Freude wie über die Esslust eines Kleinkindes.

      „Was wird das?“, fragte Oppenheim, zeigte auf die Holzteile neben sich.

      „Eine Babywiege, die mir nicht recht gelingt“, klagte Egon Wagner stirnrunzelnd, hob die Hände. „Es grüßen zwei linke Hände.“

      Oppenheim beäugte alles Herumliegende im Raum, sagte: „Ich sehe fast alles, was eine schöne Babywiege ausmacht. Wenn Du ja sagst, steht ein gutes Stück bald fertig vor Deinen Augen.“

      Egon Wagner hielt seine Überlegung nicht lange zurück: „Mein Urlaub geht noch bis Sonntag in einer Woche. Bleib bis dahin. Ich denke, mein Schulkamerad erspart uns bis dahin seine Wiederkehr. Morgen bringe ich Dir warme Kleidung mit.“

      „Du bist ein guter Mensch. Überlebe ich, erzähle ich den Siegern unsere gemeinsame Geschichte. Und jetzt gehe ich ans Werk.“

      „Niemand hier weiß von Deiner Gegenwart und dabei bleibt es“, mahnte der Andere mit erhobenem Zeigefinger. „In meiner Abwesenheit arbeitest Du nur bei Tageslicht und Geräusche entstehen bitte nur in meiner Gegenwart.“

      Als vorbeugende Sicherheitsmaßnahme für die nächsten Stunden einigten sich beide Männer auf ein Schweigen ohne Ausnahmeregelung. Oppenheim sägte, hobelte, schraubte und feilte in gewöhnungsbedürftiger Langsamkeit, jeder Handgriff kündete von meisterlichem Geschick, sein Augenmaß ersetzte zumeist den Zollstock und die Wasserwaage.

      Zu fortgeschrittener Stunde unterhöhlte Egon Wagner die Übereinkunft, indem er gerührt sagte: „Ich hole uns noch zwei Bier. Leg eine Pause ein.“

      In der restwarmen Küche stieß Egon Wagner auf Lisbeth, die am Tisch ihre klein geratenen Beine in Nylonstrümpfen übereinander winkelte. Sie trank selbstgemachten Apfelwein, rauchte eine Zigarette. Der Ausschnitt des leichten Kleides mit fröhlichen Blumenmustern und ohne Knielänge gestattete tiefe Einblicke zu den schweren Brüsten, die Füße steckten in roten Schuhen. Sie walzte ihre frisch feuerrot geschminkten Lippen aufeinander, tupfte auf ihrem ungleichmäßig gelockten und gewellten Haar herum, blies ihm den Qualm eines tiefen Zuges herausfordernd ins Gesicht.

      „Egon, mein liebster, weil einziger Schwager. In der Werkstatt brennt Licht. Endlich errätst Du meine Gedanken.“

      Er setzte lange Schritte zum Vorratsschrank, zögerte Augenblicke, fischte inmitten der Gläser mit selbst eingeweckten Früchten und mit mehreren Wurstsorten sowie einiger Apfelweinflaschen eine Flasche Bier mit Bügel heraus.

      „Wieso schläfst Du nicht längst?“, fragte er gequält.

      „Ich bin schön für Dich“, sagte sie aufreizend. „Oder bin ich nicht schön?“

      „Doch, das bist Du zweifellos.“

      Sie löste die Beine voneinander, spreizte sie weit auseinander, das Kleid rutschte über die Oberschenkel.

      „Von mir aus geht es sofort los“, brachte sie ihr Verlangen hemmungslos zum Ausdruck. „Schenk mir Deinen Heldenschwanz und ich schenke Dir meine feuchtfröhliche Möse.“

      „Ich liebe meine Frau“, entwich sein fortgesetztes Schamgefühl.

      „Das weiß ich, Egon. Aber Du besitzt die Manneskraft für zwei Frauen. Denk an die Ostfront ab nächster Woche. Da macht höchstens sibirische Kälte aus Deinem Schwanz einen Knüppel. Also ficke lieber auf Vorrat. Hier? Oder lieber in der Werkstatt?“

      Sie erhob sich, ein strahlendes Lächeln begleitete ihre Rückkehr vom Küchenfenster.

      „Den Schlüssel zur Tür der Werkstatt verwahrst allein Du, die zugeklebten Fenster schützen vor dem Verrat, eine geeignete Unterlage zum Flachlegen sah ich unlängst, als die Tür zufällig einmal offenstand. Insofern lockt ein Liebesnest ohne Fehl und Tadel. Wie für uns erschaffen. Und falls es an Wärme fehlt, wie verrückt einheizen, Herr Soldat, tun wir uns gegenseitig.“

      „Ich begehre nicht die Frau meines Bruders.“

      „Dein Bruder ist ein Krüppel“, giftete sie jählings. „Früher ein Langweiler, heute eine grausige Zumutung. Weißt Du, wie ich fühle, wenn ich beim Ficken an seinen Beinstumpf anecke? Mehr Teufelei erwartet uns bloß, wenn der Russe in der Tür steht."

      „Er ist mein Bruder und ich liebe ihn“, begehrte er auf.

      „Dein Bruder“, schniefte sie. „In seinem Schädel lebt nur noch der Führer und aus seinem Schwanz fließt nur noch Pisse.“

      "Ich gehe zurück in die Werkstatt und Du ins Bett“, sagte er in geradliniger Strenge. „Mein letztes Wort.“

      Lisbeth leerte ihr Glas, schenkte sich nach, trank es ohne Unterbrechung aus. Schnurstracks steuerte sie auf ihn zu, drückte ihm in der