Magdalena Gräfenberg

Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut


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mit ihrem Onkel als Vormund, und lebte in der Wohnung ihrer verstorbenen Eltern. Die Eltern waren, als sie zwölf war, tödlich mit dem Auto verunglückt.

      Das ist ja fast eine Parallele zu mir, dachte Helen.

      Warum sie vom sechsten bis zwölften Lebensjahr in der Schweiz bei ihrer Großmutter lebte und warum in dieser Zeit die Eltern keine Erwähnung finden, geht aus dem Tagebuch nicht hervor. Sie bezog nach dem Tod der Eltern eine Waisenrente, die ihr Vormund verwaltete. Ihr Taschengeld war jedoch für ihre Verhältnisse so gering, dass sie mit stillschweigender Billigung des Onkels nach der Schule im Service einer Bistrobar arbeitete. Sie sah sehr gut aus und wusste das auch. Sie hatte eine schlanke Figur mit beeindruckender Oberweite und wirkte wesentlich älter, als sie tatsächlich war. Sie hatte genau die richtigen Proportionen für diesen Job und setzte sie auch gekonnt ein. Sie war ein Hingucker und zog die Gäste an. Sie hatte ein freches Mundwerk und war dank ihrer Vorgeschichte schlagfertig mit ihren Antworten, auch auf eindeutige oder obszöne Anspielungen, und lenkte die lüsternen Blicke der Barbesucher auf sich. Sie war immer präsent und man spürte bei jeder ihrer Bewegungen erotisches Vibrieren. Keiner konnte wissen warum. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon fast sechs Jahre voller sexueller Erfahrungen hinter sich. Sie war schon mit zwölf Jahren körperlich voll entwickelt und weiter als manche 18-jährige. Sie hatte mit achteinhalb Jahren ihre erste Periode und schon davor ihre ersten sexuellen Erfahrungen gesammelt. Auf Grund dieser frühen sexuellen Einstimmung war sie immer auf der Suche nach einem neuen Abenteuer. Sie bezeichnete sich selbst als dauergeil. Diese frühen Erlebnisse hatten sie promiskuitiv gemacht.

      Mandys sexuelle Biographie begann mit ihrem ersten und sofort erfolgreichen Verführungsversuch auf dem Heuboden. Beim bisher üblichen, spielerischen Balgen im Heu provozierte sie den Tabubruch und öffnete Alfons, dem Stallknecht des Großvaters, die Hose und erlebte die Faszination des Verströmens seines Samens in ihrem Mund. Da war sie etwas über sieben Jahre alt, weit über ihr Alter hinaus körperlich entwickelt. Den Bruch in diesem anfänglich unbeschwerten Verhältnis hat sie selber bewusst herbeigeführt, nachdem sie Alfons beim Liebesspiel mit seiner ebenfalls sehr jungen Freundin beobachtet hatte. Sie sagte sich, das kann ich auch und das kann ich besser. Ich will Alfons haben. Mandy, die mit der Sexualität der Tiere des Bauernhofes sehr vertraut war, wusste alles über den Verkehr der Geschlechter. Der Großvater betrieb eine Deckstation für Schafe und Rinder im Entlebuch bei Luzern. Mandy wusste daher bereits über die Abläufe und Zusammenhänge Bescheid. Nach dem Tabubruch durch diese erste, von ihr provozierte Begegnung war es nur eine Frage der Zeit, bis sie mit Alfons alle Variationen des Liebesspiels im Heu erlebte. Der Tod des Großvaters gab die Möglichkeit zu ungehemmter Freiheit, da Alfons und Mandy nunmehr fast keiner Kontrolle mehr unterlagen. Die Großmutter war alt und gebrechlich und lebte mit ihrer blinden Schwester auf dem Hof, der jetzt von Alfons verwaltet wurde. Nach Mandys früher Menarche mit achteinhalb Jahren brachte ihr Alfons, auch zur Vermeidung einer Schwangerschaft, den Analverkehr als künftigen Hauptverkehrsweg bei. Sie sahen sich täglich auf dem Heuboden. Statt mit Puppen spielte sie mit Alfons und machte schließlich alles, was er wünschte. Schließlich ließ sie sich von Alfons überreden, auch mit anderen Jungs im Stall der Hammel-Deckstation zu verkehren. Sie machten Spiele, bei denen Mandy mit verbundenen Augen erraten musste, wer sie gerade von hinten nahm.

      Dann trat der Onkel Richard, der eigentlich ihr Cousin war, in ihr Leben. Onkel Richard war Schweizer Bergbauingenieur und hatte lange Jahre in Südafrika und Namibia im Gold- und Diamantenbergbau gearbeitet. Er war Jäger und Cohiba-Raucher. An ihm testete sie ihre inzwischen vielfältigen Erfahrungen. Onkel Richard ließ sich sehr bereitwillig auf ihre Verführungsversuche ein, zumal sie von der Großmutter nicht verhindert, sondern eher noch unterstützt wurden, da beide aus Platzgründen in einem Bett schlafen mussten. Die Nymphe Mandy verliebte sich in ihren Onkel. Es wurde eine sehr innige Beziehung, die bis zu ihrem frühen Ende nicht an Intensität verlor. Sie gingen in der Schweiz auch gemeinsam auf die Jagd. Alfons fühlte sich durch die Anwesenheit des Onkels, der jetzt seine Stelle bei Mandy übernahm, zurückgesetzt. Er wurde eifersüchtig und sann auf Rache. Als der Onkel wieder häufig im Ausland weilte, war Alfons wieder gefragt. Er verkaufte jetzt Mandys Bereitschaft zum Sex jeder Spielart an seine deutlich älteren Bekannten, die unbedingt mit dem gut entwickelten Teenager schlafen wollten. Alfons verdiente an ihr und kaufte sich davon ein Auto. Der Onkel kam dahinter und Alfons verschwand eines Tages spurlos. Sein Auto wurde unweit des Jagdgebietes des Onkels gefunden. Alfons selber blieb verschollen. Mandy ahnte, dass es Sauen waren, die ihr Onkel an einer besonderen Kirrung mit Schafskadavern angelockt hatte, und die letztendlich für die spurlose Entsorgung zuständig waren.

      Dann zog Mandy nach dem Tod der Großmutter wieder nach Deutschland. Die Eltern starben bei einem Autounfall und der Onkel wurde offiziell ihr Vormund. Sie war jetzt zwölf. Onkel Richard hatte längst Mandys Nymphomanie und ihr promiskuitives Potential, das sich nicht mehr nur auf ihn beschränkte, erkannt. Mandy hatte jetzt nach der Schule laufend Affären mit Älteren und besserte damit ihr Taschengeld auf. Onkel Richard steuerte das ab sofort und beauftragte Dragan, sie im Bistro anzustellen und zu seiner Nutte aufzubauen. Zu diesem Zweck wurde sie laut Schweizer Ausweis (Typ 85) fünf Jahre älter gemacht.

      Als sie richtig für Dragan arbeitete, brachte Onkel Richard Maric ins Spiel, der Dragans Imperium übernahm und sie neben Doreen als seine Edelnutte arbeiten ließ. Doktor von Eynim wurde eine Zeitlang vom Freier zum Geliebten. Mit Doreen war sie häufig in Ungarn in einem Offiziersbordell von Maric. Dann kam ihr mysteriöses Ende. Doreen verschwand und Mandy wurde beim Unfall in Ungarn tot und ausgeweidet gefunden.

      Helen hatte alles kommentarlos gelesen und zusammengefasst. BH hatte bis hierher schon einige Post-its angehängt und bemerkt, dass das Geflecht sich um Dragan und Maric verdichtete und Richard hinzukam. Man sollte vielleicht doch die Schweizer Kollegen nochmals aktivieren, nach Spuren von Alfons zu suchen, nachdem Mandy so eindeutige Hinweise in ihrem Tagebuch gab und den Platz der Saukirrung beschrieb.

      BH hatte auf die Post-its geschrieben:

      „Mandys Pass überprüfen! Bei den Schweizer Behörden nach Alfons nachfragen.

      DNA-Spuren von Alfons an der Kirrung? Hat Richard Mandy bewusst mit Dragan bekannt gemacht hatte, um sie in die Prostitution zu führen, weil er wusste, dass sie ohnehin schon äußerst promiskuitiv war, sodass der nächste Schritt logisch und leicht sein würde? Vielleicht wollte er sich auch auf diese Weise an ihr rächen. Vielleicht hat er auch an ihr über Dragan mitverdient?“

      Helen kam ins Grübeln. Wie alt war Richard heute? Mitte 50 schätzte Helen. Sie verstand, warum BH nach Richard suchen wollte. Hatte Richard Alfons vor seinem Verschwinden noch befragen können? Zu einem Geständnis zwingen können? Hatte Richard womöglich Alfons verschwinden lassen, wie es Mandy zwischen den Zeilen andeutete? Eine Überlegung, die sich anbot.

      Helen würde also auch mit den Schweizer Kollegen Kontakt aufnehmen müssen. Man musste auch überprüfen, ob ihr Schweizer Pass echt oder gefälscht war. Man musste auch nach Richard suchen und auch nach dem Schmuck. Helen hatte die Stelle mit dem Schmuck überlesen. Ja, stimmt, sagte sie sich, Richard hatte Mandy laufend Tansanite und Demantoide aus Südafrika geschenkt. Mandy erwähnte tatsächlich, dass sie einige der Ringe täglich getragen hatte.

      Von diesem Schmuck hatte man bei Mandy nichts gefunden. Würden wohl andere jetzt haben. Helen fand, dass dieser Schmuck durch die Steine so besonders wertvoll wurde. Richard hatte Mandy mit diesem Schmuck quasi entschädigt. Er musste wohl insgesamt sehr wertvoll gewesen sein.

      Aber noch etwas fiel ihr auf.

      Das hatte BH seinerseits wohl überlesen. War ja auch kein Wunder. Diese Lektüre würde BH auch nicht ganz unberührt gelassen haben. Sie notierte:

      Richard hat wohl Cohiba geraucht. In der Schneiderei fand man auch Reste von Cohiba-Zigarren. Das muss mit BH besprochen werden. Wenn das der gleiche Raucher ist, dann haben wir eine DNA-Spur von Richard. Ich muss noch einmal nachlesen, ob die DNA-Spuren an Mandys Ausweis mit der DNA an den Szeged-Zigarren identisch sind. Man vergisst das ja prompt. Dann war Richard auch in der Schneiderei und hat mit den Verbrechen mehr zu tun als bisher angenommen. Aber da war noch ein anderer Cohiba Raucher, oder Mitraucher.

      An einer dieser Stellen schreibt