Magdalena Gräfenberg

Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut


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      „Ich habe noch einige Fragen zu Dr. von Eynim“, meinte Helen.

      „Schreibe es auf, ich sehe dich ja nachher.“

      Borhagen legte auf.

      So war er, ihr Chef, häufig kurz angebunden und oft schwankend zwischen dem Du und dem Sie.

      Zehn Minuten später rief „Moneypenny“ an und fragte ob sie stören dürfe.

      „Ja, natürlich“, sagte Helen etwas gereizt.

      Sie kam in Helens Zimmer und brachte einen Becher Kaffee und ein Fax, das Borhagen gerade eben von der ungarischen Polizei erhalten habe, mit der er heute schon und am Wochenende telefoniert hatte. Es gebe dort einen Beamten, der gut Deutsch spreche, erklärte Moneypenny.

      „Ja, ja, ich weiß und du sollst mir seine Telefonnummer geben, er ist ganz scharf darauf mit mir zu telefonieren, hat mir der Chef eben lang und breit erklärt. Ich glaube BH will nur seine Ruhe haben.“

      Moneypenny antwortete: „Das muss ein relativ junger Polizist sein, mit einer ganz sexy Stimme. Ich habe ganz weiche Knie bekommen. Der spricht richtig gut Deutsch. Nicht so das harte Balkan-Deutsch.“

      „Jetzt übertreibst du aber“, sagte Helen, „oder willst du, dass ich ihn sofort anrufe um zu prüfen, ob ich auch weiche Knie bekomme?“

      „Nee, ich glaube, wenn du ihn anrufst, kriegt der Bursche weiche Knie.“

      „Aha“, meinte Helen, „so soll das laufen. Ich halte nichts von Fernbeziehungen und von weich auch überhaupt nichts.“

      Moneypenny grinste schräg, wollte etwas sagen, klopfte sich auf den Mund und gab Helen das Bündel Faxe. Es waren mehrere Seiten mit Fotos.

      „Sie haben eben nochmals telefoniert“, sagte Moneypenny.

      „Danke für den Kaffee. Das Friedensangebot wäre nicht nötig gewesen, wir hatten keinen Krieg.“

      „Ich dachte du brauchst das. Ich verstehe, dass du angefressen bist. Aber du musst jetzt nicht zum Schießtraining bei Deo.“

      „Ja, Scheiße, dann versucht er wieder einen Termin mit mir alleine zu organisieren. Diese Faxen habe ich so satt. Wenn der mich nochmal anbaggert, trete ich ihm in die Eier.“

      „Tja“, sagte Moneypenny, „manche fordern das heraus. Vielleicht will er gerade das. Aber ich habe da noch was. Genaues erzähle ich dir später. BH ist jetzt definitiv wieder solo. Krall ihn dir. Ich weiß doch, dass du auf ihn stehst.“

      „Was soll das heißen? Ich schätze seine Qualitäten als Chef der Abteilung.“

      „Und ich sehe, wie du ihn anschaust und er dich!“

      „Und was hat das mit Deo zu tun?“

      „Der schaut dich genauso lechzend an. Deo erwartet, dass du weich wirst. Bei BH ist das etwas neuer.“

      Helen sagte dazu nichts, wusste aber auch, dass Deo genau in diese Richtung arbeitete. Dass BH sie derart interessiert anschaute, hatte sie in der Tat noch nicht mitbekommen. Sie nahm den Kaffee und las das Fax und dachte, passt doch ins gesamte Szenario. Sie fasste zusammen:

      Auch Marics Jagdrevier wurde ein erkennungsdienstlicher Besuch mit der Spurensicherung abgestattet. Im dortigen Jagdhaus wurden diverse DNA-Spuren und Fingerabdrücke sichergestellt.

      Neben noch unbekannten DNA-Spuren fand sich das ganze Muster der bisher am Tatort, in der Schneiderwerkstat und im Bordell-Container nachgewiesenen DNA-Muster. Spannend war das ganze Arsenal von BDSM-Spielzeug. Oder waren es eher Folterwerkzeuge?

      Dann dachte sie: Ich sehe nicht richtig. Nach den Brustpiercingringen jetzt das. Eine Zange, wie sie im Video mit Samy benutzt wurde, um ihre Brustwarzen für das Piercing zu fassen, platt zu drücken und zu durchstechen. Weiter gab es jede Menge gynäkologischer Spekula und Uterusfasszangen, Analhaken, Spreizstangen, Ketten, Haken, Seile, Bondage Gestelle, Andreaskreuze, Böcke, Gangbang- Drehteller, Analplugs der großen Größen und überdimensionierte Dildos. Ein sehr merkwürdiges, faustgroßes Drahtgestell konnte sie sich nicht erklären. Sie rief BH an, der gleich am Apparat war, und fragte, ob er wüsste, was das für ein Instrument sei. BH meinte, er habe so etwas in einem Museum des Mittelalters gesehen. Vielleicht sogar im Germanischen Nationalmuseum oder in Rothenburg. Es müsse ein Folterwerkzeug zum Fassen der Zunge sein. Auch damit man sie anschließend abschneiden könne.

      „Ihhh“, sagte Helen, „sehr unschön, sieht ansonsten alles so aus, als ob hier nur Frauen in Position gebracht werden sollten. Ich vermisse die klassische Eierfaßzange.“

      „Gibt es so was?“, wollte BH wissen. „Kennst du dich da aus?“

      „Wenn Frauen foltern dürften, gäbe es so was sicher. Ich kann mir das schon fast bildlich vorstellen.“

      „Ernsthaft? Muss ja schmerzen.“

      „In diesem Kontext soll es das eventuell sogar.“

      „Gibt es da Bilder? Eventuell im Germanischen Nationalmuseum?“

      „Weiß ich nicht. Ich kann ja mal so etwas entwerfen.“

      „Ich ahne, wem Sie diese Zange anklemmen würden.“

      „Bingo! Wem?“

      „Ich verkneife es mir, Helen.“

      „Sollte aber auch nur fast ein Scherz sein, Chef. Aber wozu braucht man für erotische Spiele Uterusfasszangen?“

      „Keine Ahnung, kann mir auch überhaupt nichts Perverses damit vorstellen. Vielleicht finden wir einen Hinweis in den Texten.“

      „Klar! Ich hab’s. Die Geschichte der O! Da war was mit einem Ring.“

      „Stimmt, ich habe an irgendeiner Stelle einen Zettel angeheftet und gefragt, ob ich das lesen muss. Du wirst das finden, Helen, und es mir erklären.“

      „Hinweise auf einen Operationsraum gab es wohl nicht. Jedenfalls waren nur Fotos anbei, die wie aus einem Katalog für BDSM-Artikel bei Amazon, Orion oder einem Fetisch-Versand aussahen.“

      „Ja“, meinte BH, „Spielzeug für BDSM-Liebhaber mit überwiegender oder sogar alleiniger Frauenbeteiligung. Du wirst da noch mehr in dieser Richtung finden. Es wird ein Keller unter dem Jagdhaus beschrieben, in dem weitere diverse Gestelle herumstanden, um Frauen für „sexuelle Behandlungen“ zu positionieren. Auch eine Fickmaschine stand da.“

      Helen kämpfte sich durch den Bericht. Hier fand man auch reichliche Spermareste, auch Blutspuren. Dieses genetische Material wurde katalogisiert aufgeführt. Ohne große Phantasie konnte sich Helen vorstellen, was da abging. Freiwillig oder gezwungen, hierzu war bisher keine Antwort parat. Die Hütte hatte einen Hausmeister, der von großen Jagdgesellschaften berichtete. Der Hausmeister war auch für die Versorgung von Hunden in einem großen Zwinger am Jagdhaus zuständig. Er erzählte wohl nur das Nötigste um nicht mit seinem Arbeitgeber und auch nicht mit der Polizei in Konflikt zu geraten. Immerhin gab er an, dass Dr. Maric Hödeny meist in Deutschland sei. Er erhielt sein Gehalt immer per Post aus Deutschland. Er gab an, eben erst sein letztes Gehalt erhalten zu haben. Auf dem Postwege. Den Tod von Dr. Maric Hödeny hatte ihm die Polizei verschwiegen. Und

      er ließ auch nicht erkennen, dass er davon schon gehört hätte.

      Helen kam das alles sehr merkwürdig vor, denn zum Zeitpunkt dieser Durchsuchung war Dr. Maric Hödeny schon mehr als vier Wochen tot. Da war etwas faul oder schlecht recherchiert. Oder schlecht übersetzt. Oder eben wirklich etwas faul.

      Bezüglich des Doktor von Eynim ergaben sich für Helen weiter keine neuen Erkenntnisse, es sei denn, er hätte an den diversen Orten in Ungarn genetische Spuren hinterlassen. Um das zu überprüfen, müsste sie an DNA - Material herankommen, dachte Helen, und hatte eine perverse Idee, die sie lieber nicht weiter erörtern wollte. Sie grinste vor sich hin. Ein Frauenheld schien der Doktor auf alle Fälle zu sein. Sie würde ihn ja bald kennen lernen. Dazu musste sie sich noch etwas einfallen lassen, um sicher an seine DNA