Magdalena Gräfenberg

Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut


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Und dann die DNA an den diversen Cohibas. Sie musste es verstehen, um weiter zu kommen.

      Annegret

      Ehe sich Helen die Briefe und Tagebücher der Frauen genauer vornahm, ging sie ein weiteres Mal zum Automaten und holte sich einen neuen Becher voll schwarzem Kaffee als Ersatz für den inzwischen ganz kalt gewordenen. Auf Zucker und Milch verzichtete sie wie immer. Er schmeckte diesmal tatsächlich etwas anders. Nicht schlechter, nur etwas intensiver. Das war ihr bei dem ersten Becher schon aufgefallen. Man hatte wohl den Kaffeeanbieter gewechselt oder die Einstellung. Sie hoffte nur, dass keine Rückstände der Reinigung dabei waren.

      Sie überflog kurz die Tagebücher und Briefe. Wie BH schon sagte, es war sehr pornographisch. Die waren sexuell ganz schön aktiv, diese beiden ermordeten Frauen, dachte Helen, während sie den heißen Kaffee schlürfte. Die hatten auch nichts ausgelassen. Eher schon deutlich promiskuitiv. Man musste sie wohl als Nutten bezeichnen. Allerdings hatten sie gar kein schönes Ende gefunden.

      In diesem Moment machte ihr iPhone einen Bling.

      Das Bild ging auf, und ihre Freundin Annegret meldete sich.

      „Hi Helen, unser Hockeytraining fällt heute aus. Martin muss die Mädchenmannschaft fürs Turnier heute zusätzlich trainieren. Ich habe dein Einverständnis vorausgesetzt und mit dem Hausmeister einen Sondertermin für den Mittwoch ausgehandelt. Normalerweise ist an diesem Tag die Sauna geschlossen. Ich habe das ganze Programm auf Mittwoch verlegt. Die Burschen sind informiert und haben Zeit. Sind wieder von der besonders stabilen Sorte, wie damals und schon ganz heiß auf dich.“

      Annegret spielte auf die Ereignisse vor drei Wochen an, als sie Helen mit zwei Typen der Hockey-Seniorenmannschaft vertraut gemacht hatte, na ja, eher verkuppelt. „Ok“, sagte Helen, „ich bin im Moment ziemlich unter Druck. Habe heute, so völlig außer der Reihe, einen sehr komplexen Fall auf den Tisch bekommen, buchstäblich. Der Freitag muss daher wahrscheinlich auch ausfallen. Ich komme mit der Arbeit nicht rum.“

      „Verstehe“, sagte Annegret, „aber der Mittwoch steht, ja?“

      „Ja“, sagte Helen und dachte, so ein Scheiß. Ihr stockte fast der Atem. Mittwoch, open end, hatte BH gefordert. So ein Schrott, und jetzt hatte Annegret ihretwegen den Saunatermin auf Mittwoch verlegt. Das ging ja gar nicht. Sie wollte sich doch nicht den Spaß verderben lassen. Das musste anders gelöst werden, aber ganz sicher. Das musste sie BH beibringen.

      „Das klang eben aber nicht sehr überzeugend. Deine Begeisterung hört sich an wie ein durchgekauter, alter Kaugummi. Hast du da noch ein Problem im Hintergrund?“

      „Nein, nein, alles ok“, beeilte sich Helen zu versichern.

      „Also, wie damals 19 Uhr. Mach dich fit, bereite dich gut vor und mach am Mittwoch kein saures Gesicht. Ich sehe durchs Telefon, wie übelgelaunt du bist. Deine Stimme verrät mir alles. Wenn du ein Problem hast, solltest du mir das sagen. Kann ich alles verstehen. Aber danach geht es dir garantiert besser. Besonders dann, wenn du anschließend einen Kühl-Akku im Schritt brauchst oder einen tiefgekühlten Analdehner.“

      Helen lachte los. „Will ich doch hoffen.“

      „Also, bis Mittwochabend.“ Helen hörte Annegret förmlich grinsen.

      Helen hing an ihrem Kaffeebecher und dachte: Annegret merkt doch alles. Aber sie würde das schon hinkriegen mit BH und seiner Terminvorstellung. Es ging um lauter alte Tote. Da zählte nicht jede Stunde.

      Dann dachte sie an damals. Was hieß damals, das war gerade einmal vor drei Wochen gewesen. Damals hatte Annegret angekündigt:

      „Heute ist die Sauna gemischt. Da kannst du zwei der Typen, die ich für unseren heißen Abend aufgetan habe, unauffällig in Augenschein nehmen, ohne dass sie sofort wissen, dass sie auf dich angesetzt sind. Sind von der zweiten Herrenhockeymannschaft, Senioren. Jenseits der 30. Erfahren und abgeklärt! Und sensationell geil. Ich denke, die werden dir gefallen. Wichtiger ist aber, dass sie funktionieren. Aber was rede ich. Wenn die dich sehen, kriegen sie sowieso eine Dauererektion. Das kennen wir doch.“

      Helen hatte damals registriert, wie sich ihr Puls beschleunigte und das Blut in ihren Unterleib einschoss. Sie wurde feucht bei der Vorstellung, dass Annegrets Projekt, das sie für Helen geschneidert hatte, demnächst tatsächlich umgesetzt werden würde. Dass sie auf erregte Männlichkeiten stoßen würde, und es dann kein Zurück mehr gäbe. Helen hatte ihr vor einigen Wochen bei einer Afterworkparty schon etwas angeschickert gestanden, dass sie dringenden Bedarf habe. Dass sie mal wieder auf richtige Männer stoßen müssten, wie sie es früher gehandhabt hatten. Kein braver Blümchensex, sondern schön hart. Annegret hatte gelacht und ihr versichert, dass sie Abhilfe schaffen könne. Meinte aber, dass sie doch immer wieder auf Raul treffe. „Läuft das nicht mehr?“

      „Doch schon, Annegret, aber ich brauche mehr, deutlich mehr.“

      Annegret verstand und erzählte, wie es bei ihr so lief.

      Schon seit geraumer Zeit ging sie mit ihrem jetzigen Lover auf Swinger-Partys, wo man sich während des Abends aus den Augen verlor, sich jedoch hin und wieder beim Gruppensex eher so zufällig wiedertraf.

      Annegret hatte vorgeschlagen, ein paar potente Kerle, mit denen sie selber schon positive Erfahrungen gesammelt hatte, einzuladen. Kerle, sagte sie, die kein Problem damit hatten, ihr kurz und bündig zu zeigen, welche Qualität ihr Hammer hatte. Das sei sicher für den Anfang besser, als es gleich bei einem Swinger-Treffen das erste Mal zu probieren.

      Was meinte sie wohl mit „beim ersten Mal“?

      Annegret wurde deutlicher und erklärte Helen, dass man in den Swinger-Clubs, in denen sie verkehre, eben häufig mit mehreren Männern gleichzeitig Sex hatte, und es nahezu unmöglich sei, die Kontrolle über alle eigenen Öffnungen zu behalten. Eigentlich, sagte Annegret, müsse man sich als Frau in diesem Spiel allem bewusst öffnen, da man doch jederzeit geöffnet werden würde. Das war Voraussetzung für den Lustgewinn beim Gangbang im Swinger-Club. Ohne etwas zuzulassen, würde man auch keinen Dauerorgasmus erleben. Außerdem, mit etwas Alkohol und den anregenden Bildern der Burschen mit ihren strammen Latten, würde sie schon von alleine so aufgegeilt sein, dass sie ohnehin nur noch „das Eine“ wünschen und sich völlig öffnen würde.

      „Das läuft im Swinger-Club etwas anders, als du es von unseren früheren Treffen kennst. Früher kanntest du alle Männer, mit denen du am Abend zu zweit oder zu dritt im Clinch warst. In diesen Clubs triffst du fast nur auf unbekannte Männer, die sich meist schnell hintereinander an dir ablösen. Während du gerade auf einem abreitest, ist der nächste schon von hinten in dir drin. Wenn sie dich erst einmal auf der Matratze haben, geht es rund. Da bist du dann richtig beschäftigt. Und ehe du dich versiehst hat dann auch einer deinen Mund gefunden. Man muss den Sandwich lieben, oder zu Hause bleiben.“

      „Ich gebe dir vorher noch etwas Lektüre. Das macht dich warm. Henry Millers Opus Pistorum. Da kannst du drastisch nachlesen, wie das mit dem Sex mit mehreren Männern gleichzeitig geht.“

      „Du hast wohl vergessen, Annegret, dass wir das alles schon im Studium hatten.“

      „Habe ich nicht. Wollte nur nochmal darauf hinweisen, dass es immerhin mehrere Möglichkeiten gibt.“

      Helen kannte zwar einiges von Henry Miller, aber dieses Buch war ihr unbekannt. Helen brauchte nach dieser Lektüre nicht lange, um Annegrets Erklärung zu verstehen, und stellte fest, dass sie diese Vorstellung richtig aufgeregt und geradezu geil machte.

      Annegret und Helen spielten schon seit der Uni zusammen Hockey. Beruflich waren ihre Wege nach dem gemeinsamen Psychologiestudium auseinandergegangen. Helen hatte ihr Psychologiestudium schnell absolviert und es als eine der Jüngsten wissenschaftlich vertieft. Ihre schnelle und hochgelobte Promotion schloss sich folgerichtig an. Sie fand einen Doktorvater, der sie zum Themenkreis Lust und sexuelle Gewalt führte und ihr jede Gelegenheit gab, im Institut für biologische Psychologie experimentelle Untersuchungen zum Wirkungsmechanismus sogenannter Date-Rape-Drogen zu machen.

      Annegret, die zur Fotokünstlerin mutiert war, meinte etwas ironisch, dass nicht nur ihr Doktorvater mit ihr guten Geschmack