Magdalena Gräfenberg

Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut


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man ja googeln, dachte sie. Diese Prothese sah nach einem Spezialmodell aus. Aber da war noch eine Besonderheit, neben der Größe von 380 ml. Sah aus wie eine Schraube oder ein Ventil. Auf der Unterseite war noch ein Metallplättchen, wie ein Chip oder eine sehr dicke SIM-Karte. Das sah ganz wie ein Mini-Sender aus. Es war ein Sender! Borhagen hatte einen Zettel angeklebt, mit Ausrufezeichen und der Frage: Wozu ein Sender im Implantat?

      Zeugenaussage Schleusenwärter:

      Schleusenwärter bei Kölked südlich von Mohacs an einem Regulierungskanal neben der Donau.

      Mohacs, resümierte Helen, der Name kam ihr bekannt vor. War das nicht eine wichtige Schlacht im Krieg gegen die Türken? Hatten sie das nicht in der Schule gehabt?

      Am Morgen des 15.08.2008, einem Freitag, hatte sich nach einer regenreichen Woche, im sehr braunen Hochwasser, das schon leicht an einigen Stellen die Wiesen überflutete, vor dem Schleusenfanggitter ein Baum und Gesträuch verfangen. Mit dem Traktor wurde das Hindernis aus dem Fanggitter gezogen. In den Ästen, die nach dem Herausziehen frei wurden, hatte sich auch eine menschliche Gestalt verfangen mit bizarr verrenkten Gliedern. Eine komplett gehäutete, menschliche Leiche ohne Kopf, Hände und Füße, vom Hals bis zum Becken aufgeschnitten und ohne innere Organe, wie ein Schlachttier. Auch das Genitale nicht erkennbar, vermutlich herausgeschnitten. Es war ein grauenvoller Anblick, sagte der Schleusenwärter. Allerdings lagen über dem Brustkorb beidseits Reste von Fettpolstern, was möglicherweise auf weibliche Brüste Rückschlüsse zuließ. Auch die Form des Beckens sprach für ein weibliches Opfer.

      Aus dem Bericht ging hervor, dass das Gelände von der lokalen Polizei weiträumig abgesperrt worden war. Aus Budapest waren die Gerichtsmediziner gekommen, hatten Proben genommen und die Leiche ins Gerichtsmedizinische Institut der Semmelweiß Universität überführt. Die DNA-Analyse hatte eine Übereinstimmung mit den Spuren vom Tatort im Wald bei Vesprem ergeben. Die Gerichtsmediziner hatten über die DNA-Datenbank den Zusammenhang hergestellt.

      Helen schaute sich die Gegend über Google Maps auch über Satellit an. Vesprem und Stuhlweißenburg bzw. Szekesfehervar lagen weit weg vom Fundort der Leiche, das heißt, nördlich des Balaton. Sie bekam einen Eindruck von den Entfernungen und der Landschaft und wunderte sich, wie die Leiche den weiten Weg genommen hatte. Dann hatte sie eine Idee. Die Donau hatte die Leiche in Richtung Balkan, Kroatien und Serbien treiben sollen. Dann war das Hochwasser gekommen und eine zufällige Strömung hatte sie in einen Nebenarm und in die Schleuse gespült. Vielleicht. Helen fasste zusammen:

      Eine Frau wird auf grauenvolle Weise hingerichtet, vermutlich an Fleischerhaken aufgehängt und bei lebendigem Leib ausgeweidet und gehäutet. Vorher wird sie von den ebenfalls ermordeten Jägern vergewaltigt. Das Vorkommen einer beachtlichen Menge weiterer unterschiedlicher Spermien in ihren Körperöffnungen könnte auf eine Nähe zum Rotlichtmilieu hinweisen. Auch der Nachweis von caniden Spermien weist in diese Richtung.

      Die Frau selber war lange vorher chirurgischen Eingriffen ausgesetzt gewesen und mit sehr speziellen Mamma-Implantaten aus besonderem Silikon und einem Sender versehen, mit einem Darm-Vagina-Reservoir versorgt, in dem man neben menschlichem Sperma auch Sperma von Hunden fand. Diese Sperma-Kombination fand man auch in dem der Frau zugeordneten Enddarmabschnitt und in der Speiseröhre.

      Schon vor langer Zeit war ihr ein Chip an Nervenenden im kleinen Becken implantiert worden. Zu welchem Zweck war unbekannt.

      Und die linke Niere war ebenfalls schon vor Jahren entfernt worden. Man fand Reste der mit Clip versorgten Nierenblutgefäße in der ausgeweideten Leiche. Die gehäutete Leiche war abtransportiert und ohne Kopf, ohne Hände und Füße in die Donau geworfen worden. Per Zufall hatte sie sich in einem Schleusengitter in einem Nebenarm der Donau bzw. einem Kanal verfangen. Das war wohl auf Grund veränderter Strömungsverhältnisse bei dem herrschenden Hochwasser geschehen.

      Die ermordeten Jäger waren ebenfalls ihrer Organe beraubt, in den Jeep gelegt und angezündet worden.

      Vorher hatte eventuell noch ein Kampf stattgefunden, wie das Blut einer weiteren männlichen Person nahelegte, deren DNA auch auf den Schrotpatronen war, mit denen die Jäger vermutlich erschossen worden waren.

      Warum die Frauenleiche auf anderem Wege entsorgt worden waren, blieb zunächst rätselhaft.

      Die eine Silikonprothese war nicht vernichtet, war wohl übersehen worden.

      Eine Identifizierung hatte wohl verhindert werden sollen. Deshalb fehlten wohl auch Kopf, Hände und Füße. Oder sollten sie etwa gesondert konserviert werden?

      Helen schüttelte sich und musste sich Mühe geben, den Fall weiter zu bearbeiten. Sie holt sich erst einmal einen Kaffee und gönnte sich eine Denkpause.

      Jetzt kommt das Neue am alten Fall, sagte sich Helen und las das „neue“ Aktenbündel beim Sortieren ebenfalls schnell quer.

      Polizeiakten zu 2010:

      Unfallbericht Piste bei Papa vom 16.7.10. mit den Leichen eines Dr. Maric Hödeny und einer Mandy.

      Kopien der Fotos vom Unfallort, der Leiche des vermutlichen Fahrers. Ein Kopf ohne Gesicht. Nur ein halbes Ohr.

      Der hat nicht mehr viel gespürt und zum Identifizieren kann man kaum biometrische Daten erheben, dachte Helen.

      Spurensicherung Szeged, den Unfall auf der Piste betreffend vom 16.7.10,

      Bericht des Fahrers des Langholzers, unter dem der Geländewagen zerschellte.

      Kopie des Ausweises des Fahrers - ein ungarischer Pass - der demnach 46 Jahre alt war,

      Kopie des Schweizer Passes, Typ 85, einer Mandy, die demnach zum Zeitpunkt des Unfalles 29 Jahre alt war.

      Ihr stockte fast das Blut, als sie die weiteren Bilder sah. Fotos aus einer Schneiderei mit weiblichen Kleiderpuppen aus gegerbter, menschlicher Haut und dicken Piercingringen durch die Brustwarzen. Sie las weiter. Hier stand, dass Mandy schon lange vor dem Unfall tot gewesen und ihre Leiche aller Organe beraubt worden war. Sie war ähnlich wie die Leiche im Schleusengitter ausgenommen, aber nicht gehäutet worden, und wohl auf dem Wege nach Szeged gewesen, wo die gehäuteten Frauen in der Schneiderei ihren Platz gefunden hatten. Auch Mandy trug die gleichen Ringe durch Brustwarzen und Klitoris. Ihre Leiche war vom Kinn bis zum Schambein geöffnet. Herz, Lungen, Leber und Nieren fehlten ebenso wie alle Eingeweide, Teile des Uterus und Eierstöcke.

      Fotos der von schwarzem Blut besudelten Leiche von Mandy im blauen Plastiksack und dann wohl gewaschen auf dem Seziertisch der Pathologen:

      Offener Torso und Bauch bis zum Schambein, komplett ohne innere Organe. Große verchromte Ringe in den Mamillen, Bauchnabel und der Klitoris, am Steißbein und Hinterkopf. Bildhübsches, sehr junges Gesicht, entspannter Gesichtsausdruck. Weißblonde Haare, die zum Zopf geflochten und mit einer Binde wie zu einem Griff gewickelt waren. Eine Aufnahme zeigte ihr offen gehaltenes Auge, das dunkelblau war.

      Helen dachte: Diese junge Frau sieht mir total ähnlich und war sicher erst knapp über zwanzig. Unglaublich schöne Brüste, Größe D, vielleicht auch mehr. Da steckte sicher Silikon dahinter.

      Sieht auch auf dem Passbild eigentlich deutlich jünger aus, fast kindlich, dachte Helen weiter. Wenn denn die Angaben alle stimmten. Das wusste man selbst bei einem Schweizer Ausweis nicht, vor allem nicht bei dem Typ 85.

      Liste, der im Unfallwagen gefundenen Gegenstände und Papiere mit

      Garderobe und Akten der Mandy.

      Überlassungsdokumente des Wagens an Dr. v. Eynim, ausgestellt von Uschi Steinmeier, als Besitzerin des Wagens.

      Versicherungsschein für den Wagen, mit dem Einschluss einer Versicherung für mehrere Fahrer.

      Tagebuch der Mandy.

      Kopie von Briefen von Mandy an Dr. von Eynim.

      Ein dicker DIN-A3-Umschlag mit Kopien von Briefen einer Manuela an Dr. v. Eynim, 350 DIN-A-4 Bögen, zum Teil doppelseitig handschriftlich beschrieben.

      Aha, überlegte Helen, was hat