Magdalena Gräfenberg

Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut


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eine Bemerkung von Borhagen: „Bitte lesen, wenn es auch schwerfällt. Die ganze Pornographie ist nicht leicht zu ertragen.“

      Hier hatte Borhagen Recht. Die eigenen pornographischen Fantasien waren leichter zu ertragen. Man brauchte sie sogar.

      Spurensicherung Vesprem betr. eines Container-LKW mit DNA-Analysen, 27.07.10:

      Kopie von Fotos der Container LKWs vom Typ Ural, Fotos der

      Inneneinrichtung.

      DNA-Analysen aus den Containern, insbesondere der Matratzen, Bar, Personalumkleide, der Tanzstange (Polstange) und der diversen Foltergeräte, bzw. BDSM- Geräte.

      Spurensicherung Szeged, 11.08.10:

      Schneiderwerkstatt - Fotos mit Detailaufnahmen der gefundenen Schneiderpuppen. Ausnahmslos Frauentorsi, teilweise mit Piercingringen durch die Brustwarzen und Klitoris, Tattoos.

      Diese Fotos sah sie sich genauer an und stellte fest, dass sie sich das Video mit Samy, das ihr Annegret vor Wochen gegeben hatte, nochmals genauer vornehmen musste. Auch Samys Brustwarzen wurden in diesem Video mit ähnlichen großen, verchromten Ringen gepierct. Hierbei wurden die Ringe tief, horizontal durch den Warzenhof geführt, nicht durch die Nippel.

      Ob Mandys Leiche noch gehäutet werden sollte, fragte sich Helen, in Szeged vielleicht?

      Helen überlegte weiter. Normalerweise wurde nur der Nippel gepierct. Es sah aus, als ob diese Ringe nicht nur als Schmuck dienen sollten. Eine besondere Form des Piercings, das sie bisher noch nicht gesehen hatte. Nur im Video mit Samy. Device piercing, für BDSM-Manipulationen, das könnte es sein. Sie würde Annegret dazu befragen, vielleicht wusste sie ja mehr über diese Art des Piercings. Annegret wollte sich heute ohnehin bei ihr noch melden.

      Es ging ja auch noch um den Saunaabend nach dem Training. Sie würde heute keine Zeit dafür haben, leider. Sie las weiter.

      Zeugenaussagen Szeged:

      Befragung der Arbeiterinnen der Schneiderwerkstatt-11.08.10

      Pathologiebericht Szeged mit diversen DNA-Analysen

      Bericht Schneiderwerkstatt Szeged - 18.08.10

      Bericht Obduktion Unfall (16.07.10) bei Szeged - 27.07.10

      Pathologiebericht Semmelweiss Univ. 02.09.10

      Zweitbericht zum Vorgang Schneiderwerkstatt Szeged

      Zweitbericht zur Obduktion des Unfalls bei Szeged aus dem

      gerichtsmedizinischen Institutes der Semmelweiss Universität Budapest

      vom 09.08.10

      Kopie von Fotos der Leiche der Mandy aus dem Unfallwagen, DNA-Analysen der Leiche und des Verpackungsmaterials.

      Die trockenen Berichte waren total ermüdend. Sie brauchte erneut einen Becher Kaffee. Aber dann wurde sie aufnahmefähiger.

      Es gab eine Zusammenfassung der DNA-Funde. Eine Würdigung der DNA-Analysen kam zu dem Ergebnis:

      Die DNA der Leiche im Fanggitter war identisch mit einer der Häute in Szeged. Und zwar der, mit dem besonderen Schlangen-Tattoo an den Brüsten und mit diversen DNA-Spuren im Wald von Vesprem.

      Das heißt, die Haut der Frau im Schleusengitter landete in der Schneiderwerkstatt in Szeged und die Frau war vorher im Wald von Vesprem ermordet worden, war BHs Kommentar auf einem Post-it.

      DNA-Spuren der Leiche von Mandy fanden sich auch im Bordell-Container von Vesprem und an ihrem Schweizer Ausweis.

      Was war das jetzt wieder? Hatte sie etwas überlesen? Sie musste zurückblättern.

      Im Rachenabstrich sowie im Vagina- und Rektum-Abstrich fanden sich diverse Spuren männlicher DNA. 21verschiedene konnten nachgewiesen werden. Darunter auch zwei DNA-Spuren, die sich sowohl an ihrem Ausweis, der Cohiba in Szeged und der Cohiba im Bordell-Container in Vesprem und an einer der beiden Cohibas am Tatort im Wald bei Vesprem fanden!

      Jetzt wurde Helen wieder wach. Das bedeutete, Mandy hatte vor ihrem Tod spannenden Verkehr mit diversen Männern gehabt, darunter auch mit zwei Männern, die auch schon in Szeged und Vesprem und beim Mord im Wald dabei gewesen waren. Eine dieser Spuren war auch an dem Ausweis von Dr. Maric Hödeny zu finden und an Mandys Schweizer Ausweis, der in einer Plastikhülle steckte. Neben diesen DNA-Spuren, die sowohl im oralen, vaginalen und analen Abstrich nachzuweisen waren, gab es auch noch zwei verschiedene DNA-Spuren von zwei Männern sowie verschiedene Fingerabdrücke, die nicht mit den bei Mandy gefundenen identisch waren. Einer dieser Fingerabdrücke und eine DNA-Spur fanden sich auch im Bordell-Container von Vesprem und an einem Zigarrenrest der Marke Cohiba in der Schneiderwerkstatt in Szeged (Aschenbecher) und einem Zigarrenrest der Marke Cohiba im Aschenbecher des Bordell-Containers.

      Das hieß, resümierte Helen, dass ein männlicher Cohiba-Raucher vor Jahren in der Schneiderwerkstatt gewesen war, wo die „Puppen“ aufgereiht waren. Diese Person musste mit Mandy sehr vertraut gewesen sein. Seine DNA-Spuren fanden sich in all ihren Körperöffnungen und auf ihrem Schweizer Ausweis.

      Eben diese gleiche DNA fand sich auch im vaginalen Fund, der der gehäuteten Frau zugeordnet wurde, und an der Cohiba, die am Tatort gefunden worden war.

      Andere DNA-Spuren an der zweiten Cohiba des Tatortes fanden sich auch im Bordell-Container in Vesprem, in der Schneiderwerkstatt in Szeged, auf dem Ausweis von Mandy und in den Spermaspuren in Mandys Körper.

      Das bedeutete, dass ein weiterer Mann über Jahre intime Beziehung zu beiden ermordeten Frauen gehabt hatte und auch bei der Tat im Wald von Vesprem dabei gewesen war.

      DNA-Spuren der Leiche von Maric fanden sich auf dem Ausweis in seiner Tasche. Diese DNA-Spuren waren jedoch nicht identisch mit Spuren in der Schneiderwerkstatt und im Bordell-Container in Vesprem.

      Helen las das nochmals, um nicht den Überblick zu verlieren. Das schien wichtig. Auch hier hatte ihr Chef einen Kleber mit der Bemerkung hinterlassen: „Achtung, man ermüdet und verliert den Überblick“.

      Ach nee, dachte Helen, wie charmant der Hinweis, aber auch wie treffsicher. Ganz schön verwirrend, dieses DNA-Puzzle, dachte Helen. Hoffentlich gab es keine Schreibfehler. Zigarren und Zigaretten sind ja etwas Verschiedenes. Wenn der Schreiber oder Übersetzer jetzt auch noch Nichtraucher war, konnten auch noch Verwechslungen ins Spiel kommen. Aber die Ungarn hatten alle Befunde mit Nummern versehen. Auch beim Abschreiben von Nummern passierten Fehler. Wenn alles stimmte, was sie jetzt zusammenfasste, war einer der Cohiba-Raucher am Tatort im Wald von Vesprem 2008 schwer verletzt worden. Er war sehr intim mit Mandy gewesen, noch kurz vor ihrem Tod, denn sein Sperma fand sich überall in ihrem Körper und auf ihrem Ausweis. Sie informierte sich im Internet, was eine Cohiba-Zigarre war und wie sie aussah, dass man sie als solche identifizieren konnte. Kubanische Zigarre, eine sogenannte Havanna. Sehr teuer. Bauchbinde mit schwarzem Maja-Indio-Kopf auf weißem Grund. Gelb-schwarzes Band. Anfangen konnte sie mit dieser Information zunächst nichts.

      Dann überflog sie die anderen Berichte.

      Es war tatsächlich alles zunächst sehr verwirrend. Helen begann, sich einen Plan aller bekannten Details und Zusammenhänge zu machen.

      Sie fragte sich, ob Borhagen alle diese Berichte wohl auch genau gelesen hatte oder nur quer, was er sehr gut konnte.

      Zum Fahrer des Wagens, einem Dr. Maric Hödeny, stand nichts weiter darin. Helen schaute sich die Unfallbilder erneut an, auch die Fotos der ermordeten und ausgeweideten Frauen und der Schneiderpuppen, und verfiel ins Grübeln. Ihr fiel etwas auf, aber das war wie ein Nebel, den sie noch nicht durchdringen konnte. Das bereitete ihr regelrecht Kopfschmerzen. Echte Kopfschmerzen. Sie ging an ihren Schrank und nahm sich eine Tablette IBU 600.

      Dann sortierte sie die Akten weiter.

      Alle Papiere waren auf den ersten Blick vollständig. Das hieß, alles was auf der Inventarliste stand, lag auch bei. Helen konnte natürlich nicht erkennen, ob ein wesentliches Detail fehlte und noch in der Asservatenkammer der Ungarn ruhte.

      Das