Magdalena Gräfenberg

Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut


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hast du ihn zu deiner Zufriedenheit getestet?“

      Annegret war zuweilen sehr direkt. Sie wollte aber mit ihrer Frage keineswegs unterstellen, dass Helens Attraktivität wie ein Perpetuum mobile wirkte. Als Helen protestierte, entschuldigte sich Annegret. Sie wollte sie keineswegs auf ihre drei Löcher reduzieren. Sie wollte aber unbedingt wissen, ob alle diese Herren ihre schöne Anatomie schon ausgiebig hatten genießen dürfen. Annegret verstand nach dieser provozierten Diskussion, dass Helen ihr Liebesleben streng vom Beruf trennen konnte und dies auch tat.

      Auch Annegret hatte das Thema Sex, Lust und Gewalt auf eine ganz andere Art bearbeitet. Sie war mit ihren Fotoarbeiten sehr erfolgreich und lebte mit wechselnden Partnern zusammen. Helen hatte sich erst kürzlich aus einer langweiligen längeren Beziehung befreit und brauchte jetzt dringend Beschäftigung der besonderen Art. Da sie schon seit der Uni miteinander Hockey spielten, hatten sie sich auch meistens über ihr Sex-Leben ausgetauscht. Manche ihrer Beziehungen hatten sie auch gegenseitig ausgetauscht. Lediglich das Thema Gruppensex mit Unbekannten war für Helen bisher keine Option gewesen, auch wenn sie im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten viele Berührungspunkte mit diesem Thema hatte und wusste, dass Annegret auf diesem Sektor Erfahrungen sammelte.

      Im Zusammenhang mit Annegrets Einladung zu diesen Treffen war Helen schließlich bereit, ihrem Lockruf zu folgen. Ihre ersten Erfahrungen waren derart positiv, dass sie bereit war, es immer wieder zu probieren. Entscheidend dabei war, dass Annegret eine größtmögliche Sicherheit bieten konnte, da sie die beteiligten Männer kannte und sich für sie quasi verbürgen konnte. So gab es außer ein paar Schrammen und blauen Flecken nur positive Erlebnisse, die Lust auf Wiederholung bewirkten. Später waren beide lange Zeit so sehr in ihrem beruflichen und privaten Beziehungsgeflecht verwoben, dass sie sich für kaum mehr als den gemeinsamen Sport interessierten. Erst seit einiger Zeit gab es einen Wandel. Beide fanden wieder mehr Zeit, um ihre alten Gewohnheiten wieder aufzunehmen.

      Annegret, die nie aufgehört hatte, ihren promiskuitiven Lebensstil zu exerzieren, bot Helen problemlos den Wiedereinstieg an. In der Zwischenzeit hatte Helen schon von sich aus begonnen, nach möglichen Varianten zu suchen, die ihr einen besonderen Kick versprachen. Während Annegret den Saunagangbang propagierte und Helen mit ihren Lieblingspornos versorgte, hatte Helen schließlich eine vielversprechende Adresse gefunden. Sie hatte sich im Internet über Möglichkeiten informiert, um mit willigen Männern in Kontakt zu treten. Sie hatte eine Facebook-Adresse aufgebaut und sich ein anonymisiertes Profil gegeben. Sie war jedoch zu erfahren, um sich dem Risiko eines Dates mit Unbekannten, die sie über das Internet und ihre Facebook-Recherche fand, auszusetzen. Sie hatte sich auf Hinweise auf die Seiten privater Clubs konzentriert, die Frauen Sex in allen Spielarten anboten und dabei Sicherheit und völlige Verschwiegenheit garantierten, sowie Übernachtung und Wellnessatmosphäre anboten. Einige dieser als Ferienanlage aufgebauten Clubs warben mit hartem BDSM-Sex. Helen merkte, wie sich beim Lesen der Angebote Lust und Begierde entwickelten, und sich ihre Gedanken immer stärker auf den bizarren Sex mit Unbekannten innerhalb eines solchen Clubs fixierten, bis sie sich entschloss, eine derartige Möglichkeit auszutesten. Die Bilder, die sie sah, nahmen in ihr Platz. Sie konnte sie nicht mehr völlig abschütteln. Plötzlich war das Bizarre nicht mehr fremd. Die Grenzen ihrer sexuellen Phantasie wurden schrittweise ausgedehnt. Sie stellte sich vor, wehrlos gemacht dem harten Sex Unbekannter ausgeliefert zu sein. In der Phantasie schien das zunächst nahezu unproblematisch, aber würde sie der Realität standhalten? Lustgewinn war dabei die Parole, durchaus auch mit etwas gewalttätiger Nachhilfe, jedoch ohne die einseitige Gewalt gegen sie als das Lustobjekt Frau. Sadistischer Spaß nur zum Lustgewinn der Männer, wie es De Sade postulierte, war nicht ihre Welt. Für Helen stand ihr eigenes Lusterleben im Vordergrund. Der gesamte männliche Körper war für sie dabei die Attraktion. Den wollte sie erleben und dabei zum Höhepunkt gebracht werden. So gesehen erfüllten

      die von Annegret inszenierten Saunaabende zunächst diese Funktion. Die Werbung der Clubs zielte auch in diese Richtung, sprach auch von Dauerorgasmus. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten über das Thema Sex, sexuelle Gewalt und Drogen hatte sie sich mit allen Formen sexueller Praktiken und ihrer Aberrationen vertraut gemacht. Ein völlig anderes Thema war es jedoch, sich selbst in diese Welt einzubringen, zunächst nur in Gedanken, geschweige denn körperlich. Sie hatte sich jedoch dazu entschlossen, auch praktisch den Zusammenhang zwischen Schmerz und Lust am eigenen Körper zu erfahren.

      Annegret wollte sie jedoch von ihren Ideen noch nichts mitteilen.

      Da Annegret sehr um sie bemüht war, wollte Helen sie nicht mit ihren eigenen

      Plänen konfrontieren und vielleicht enttäuschen. Helens eigener Schritt war geplant und sollte in Kürze erfolgen. Sie hatte ihren Urlaub für in knapp drei Wochen eingereicht. In diese Zeit sollte ihr BDSM-Abenteuer fallen. Zwei bis drei Wochen wollte sie investieren, um die harten BDSM-Riten der bedingungslosen Unterwerfung unter einen DOM kennenzulernen, der sie in das Mysterium von Lust durch Schmerz einführen sollte. Sie hoffte dabei eher darauf, besonders potente Männer zu treffen, die das alte Spiel perfekt gestalten konnten. Um das zu erreichen, war sie bereit, durchaus gewisse Risiken einzugehen.

      Auf ihrer inzwischen sehr differenzierten Suche nach einem niveauvollen Club, in dem man potente Männer zum tabulosen und bindungsfreien Vergnügen treffen konnte, fand sie im Internet eine Adresse, die mit Anspruch und „Premium“-Effekt aufgemacht war und sofort ihr Interesse weckte. Sie schaute sich die Seiten dieser „Hochglanz-Präsentation“ an und speicherte den Kontakt unter Favoriten auf ihrem speziellen „Internet-Laptop“, nachdem sie von der Qualität des Auftritts überzeugt war. Der Schloss-Charakter in den Ruinen eines alten Klosters gefiel ihr, ebenso der Hinweis, dass es sich um einen Club mit festem Mitgliederbestand aus der BDSM-Szene handelte. Sie schickte eine E-Mail zur Kontaktaufnahme. Hierzu benutzte sie eine ihrer speziellen E-Mail-Adressen bei Fellow.com mit ihrem Code-Namen „Kara Things“. Als Postadresse gab sie die Adresse ihrer Tante nebenan im Pflegeheim an.

      Sie wartete gespannt auf eine Antwort.

      Mit Annegret hatte sie in letzter Zeit öfter über dieses Thema von Lust und Gewalt gesprochen.

      „Alles Theoretisieren hilft nichts“, sagte Annegret. „Wann aus Schmerz Lust entsteht, die den Wunsch auf Wiederholung birgt, musst du am eigenen Körper erleben. Dazu musst du dich vorbehaltlos einbringen und auch die Belohnungsschwelle steuern. Das Lusterleben ist die Belohnung für den Schmerz. Also muss die Schwelle zum Erleben der Belohnung gesenkt werden. Aber was rede ich, das weißt du ja selber, beim Orgasmus ist die Schmerzempfindung quasi ausgeschaltet. Deinen schmerzenden Rücken nach der Vögelorgie auf dem Boden der Dusche hast du erst am folgenden Tag bemerkt, oder deine schmerzenden Knie nach der Aktion auf den Holzbänken in der Saunakabine.“

      Helen sah, dass Annegret in der Interpretation ihrer praktischen Erfahrungen direkter war.

      Annegret besaß eine ganze Sammlung von harten Pornos, die sie Helen auslieh. So gab ihr Annegret eines Abends ein Video, das sie selbst als einigermaßen brutal, aber handwerklich gut gemacht vorstellte. Annegret hatte als Fotokünstlerin einen besonderen Anspruch in Bezug auf so genannte Sex-Videos. Eben dieses Video sei besonders gut gemacht, fand sie. Deshalb habe sie es für Helen mitgebracht.

      „Hier siehst du, wie auch unter Gewaltanwendung und erzwungenem Sex Lust entsteht.“

      „Ich schau es mir an“, hatte Helen gesagt, „aber es ist ein Porno. Und der hat eine andere Funktion. Hier soll Lust bei Betrachtung sexueller Handlungen, Unterwerfung und Gewaltanwendung entstehen. Die Phantasie soll angeregt werden. Der Betrachter erleidet keinen Schmerz.“

      „Aber er sieht, wie die gepeinigte Frau scheinbar Schmerz erfährt und mit Lustäußerung reagiert.“

      „Ja, aber es ist Kino!“

      „Quintessenz? Selber austesten. Du wirst gefesselt, bis es schmerzt, und dann so weit aufgebrochen, dass du nur noch darauf wartest. Das kommt dann auch. Du wirst ganz gewaltig geöffnet, ganz gewaltig gevögelt.“

      „Hm“, meinte Helen, „ja, muss man ausprobieren.“

      „Schau dir das Band trotzdem an. Wir reden dann darüber. Übrigens, die Kleine, um die es darin geht, sieht dir verdammt ähnlich. Vor allem als du noch