Peter Urban

Der Herr des Krieges Gesamtausgabe


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sitzt du an der Quelle?” Arthur lächelte sie an: „Du hast mir in der Neujahrsnacht ja versprochen, die Geschichte der Quinta im Wald und bei Mondschein zu erzählen!”

      „Wir haben jetzt keinen Mondschein, mein Lieber!”

      „Aber wir sind alleine, die Vögel zwitschern und dieser Ort ist wunderbar romantisch!”

      Sarah legte ihren Arm um den Iren und zog seinen Kopf in ihren Schoß, dann begann sie zu erzählen: „Also, die Quinta das Lagrimas, das Landhaus der Tränen, verdankt seinen Namen der tragischen Liebesgeschichte von Ines Pires de Castro, der unehelichen Tochter des mächtigen, galizischen Fürsten Pedro Fernandez Camoes de Castro, dem Enkel König Sanchos IV. von Kastilien und einer Tochter des Fürsten von Albuquerque, Alfonso Sanchez, dem Bastard von König Diniz I. von Portugal. Sie war die Geliebte von Don Pedro, dem Sohn von König Alfonso IV. von Portugal. Das war im 14. Jahrhundert: Der König hatte seinen Sohn gezwungen, Constanza, eine Prinzessin aus Kastilien zu heiraten, doch der Thronfolger liebte nur deren Hofdame, Donna Ines. Constanza verstarb schon nach kurzer Ehe und Don Pedro und Donna Ines fanden wieder zusammen. Doch der beiden Glück sollte nicht von langer Dauer sein. König Alfonso IV. wurde die Familie Camoes de Castro zu einflußreich, außerdem hat der portugiesische Hof große Angst, daß die Spanier über Ines und deren Kinder zu großen Einfluß auf den künftigen König von Portugal nehmen könnten. Im Jahre 1350 begann dann in Kastilien ein Aufstand der großen Fürsten gegen König Pedro I. von Spanien. Anführer der Rebellion war Joao Afonso de Albuquerque, Sohn von Alfonso Sanchez und damit Halbbruder der Donna Ines. Joao hat sicher den Einfluß seiner Halbschwester auf den portugiesischen Thronfolger genutzt, um ihn für seine Sache gegen Pedro von Spanien zu gewinnen. Er sollte für sich selbst die spanische Krone fordern. Doch unter dem Druck seines Vaters mußte Pedro dies ablehnen. Der König von Portugal befahl den Tod von Donna Ines. Seine gedungenen Mörder waren Alvaro Goncalves Diego Lopes Pacheco und Pedro Coelho. Und so wurde Ines an jenem Ort, an dem sie zusammen mit Pedro so viele glückliche Stunden verlebt hatte, vor den Augen von König Alfonso getötet. Den Tränen, die sie im Augenblick des Todes vergossen hat ist die Quelle der Fonte dos Amores entsprungen. Ihr Blut hat sich auf ewig mit dem großen Stein in der Quelle verbunden. Als Pedro von der Tat seines Vaters erfuhr, nahm er grausame Rache. Er erhob sich gegen Alfonso, seine Truppen verwüsteten das Land und belagerten Oporto. Dann starb der alte Mann und sein Sohn wurde König von Portugal. Obwohl er bei der Thronbesteigung geschworen hatte, die Mörder von Ines nicht zu verfolgen, brach er seinen Schwur. Er verfolgte sie, nahm sie gefangen, ließ sie foltern und tötete sie dann mit eigener Hand. Dem einen schnitt er das Herz durch die Brust aus dem Leib, dem anderen durch den Rücken. Dann verkündigte Pedro dem Volk, daß er Donna Ines im Geheimen geheiratet habe und daß sie seine Gemahlin und Königin sei. Er ließ ihre Leiche aus dem Grab im Garten des Klosters von Santa Clara holen, krönte sie in Se Velha, der großen Kathedrale von Coimbra, zur Königin von Portugal, erzwang, daß alle Adeligen des Landes der toten Königin die Hand küßten und ihr Treue schworen und ließ sie dann im großen, königlichen Grabmal im Kloster von Alcobaca beisetzen. Als König Pedro dann starb, wurde er an der Seite seiner Ines beigesetzt, die Hände der Marmorstatuen der beiden waren im Tod für alle Ewigkeit vereint.“

      Arthur seufzte zufrieden: „Es ist eine hübsche Geschichte und so wunderschön traurig. Sie paßt gut zu diesem Ort!”

      „Ja, und der Canto dos Lusiadas, der dies alles erzählt ist sehr romantisch. Hör mir zu! Hier wird der Tod von Ines geschildert!

      This act of horror, and black night obscure,

      Mondego’s daughter long resented deep;

      And for a lasting tomb, into a pure

      Fountain transformed the tears which they did weep.

      This name they gave it (which doth still indure )

      Was Ines’s loves, whom Pedro did keep.

      No wonder, such sweet streams water those flowers:

      Tears, are the substance; and the name Amours.

      Ist das nicht zauberhaft?”

      Der General lächelte Sarah nur verträumt an. Dann schloß er die Augen: „Ließ einfach laut weiter, Kleines! Ich höre so gerne deine Stimme! Noch lange las die junge Frau ihm aus dem Canto dos Lusiadas vor. Erst als das Tageslicht spärlicher wurde und die Temperatur absank, klappte sie das Buch zu: „Komm, laß uns zur Quinta zurückgehen. Man wird uns sicher schon vermissen!” Hand in Hand spazierten sie durch den Park zurück zum Haus. Craufurd, Somerset, Campbell und Don Antonio diskutierten immer noch im Salon und inzwischen war der starke Kaffee durch einen schweren, süßen Portwein abgelöst worden. Außerdem hatte Donna Ines sich zu den Männern gesellt und spekulierte eifrig mit. Als Arthur und Sarah ins Zimmer traten, blickte Don Antonio erstaunt von einer großen Stabskarte auf dem Tisch auf: „Jefe, wir haben gar nicht bemerkt, daß du uns verlassen hast!”

      „Habt Ihr den Stein der Weisen gefunden?”

      Der Portugiese hob grinsend die Schultern und machte eine südländische Geste mit den Händen, die Arthur an die Gebetshaltung der Sikhs in Indien erinnerte: „Seit Ines zu uns gestoßen ist, haben wir mindestens fünf verschiedene Theorien verworfen. Willst du uns jetzt nicht verraten, was du von der ganzen Sache hältst?”

      Arthur drückte Sarah sanft in einen der großen Sessel und stützte sich hinter ihr auf die Kopflehne: „Ich habe gar keine Theorie, so leid es mir tut! Wir müssen abwarten, wer sich auf der anderen Seite der Grenze zuerst in Bewegung setzt und wohin! Ich würde, wenn ich ein französischer Marschall wäre, vielleicht zuerst versuchen, Andalusien zu sichern, bevor ich Portugal bedrohe. Vielleicht wird einer von unseren Freunden versuchen, die Festung von Ciudad Rodrigo zu belagern, weil dort General Andres Heresi mit 5500 Mann sitzt und die Haupteinfallsstraße nach Portugal sichert ... Warten wir doch einfach ab, wie beim Schachspielen: Die Franzosen spielen Weiß, sie müssen den ersten Zug tun!“

      Ein paar Tage später, kurz vor seiner Abreise nach Viseu, sattelte der General Kopenhagen und Sarahs Libertad. Dann holte er die junge Frau in der medizinischen Fakultät der Universidade Velha von Coimbra ab. Der Gebäudekomplex, in dem sich auch die Naturwissenschaftler befanden, war einst ein römisches Kastell, dann ein maurischer Alkazar, dann das Schloß des Grafen von Portocale und am Ende der Königspalast Alcacova Real gewesen. Durch die Porta Ferra und vorbei an den allegorischen Figuren, die die einzelnen Fakultäten darstellten führte der General die beiden Tiere in einen weiten, offenen Hof, der von Studenten übervölkert war, die die schwarze Batina und den traditionellen, schwarzen, talarähnlichen Umhang trugen, den bunte Bänder in den Farben der jeweiligen Fakultät schmückten. Er band Libertad und Kopenhagen nebeneinander fest und eilte eine breite Außentreppe hinauf zu einem hohen, von einem Dreiecksgiebel gekrönten Portikus. An diesen schloß sich ein Säulengang an, die Via Latina. Die Professoren und Studenten sprachen hier nur Lateinisch miteinander. Die Via Latina führte direkt in den Paco das Escolas, den Schulpalast hinein. Arthur bremste. Er hatte es schon wieder vergessen! Hinter einer dieser vielen geheimnisvollen, alten Pforten aus schwerem Eichenholz verbarg sich der Eingang zur medizinischen Fakultät. Doch hinter welcher?

      Er hielt einen jungen Mann im schwarzen Talar auf und erkundigte sich in etwas rostigem Latein nach dieser Fakultät. Man wies auf eine der Pforten und der General verschwand im Schlund eines finsteren Hades. Sein Weg führte ihn vorbei an einem wahren Gruselkabinett: Hinter hohen Glasvitrinen bewahrten die Professoren ihre Schätze und ihr Unterrichtsmaterial auf. Viele der Dinge, die er sehen konnte verdarben ihm kräftig den Appetit – menschliche und tierische Organe, eingelegt in eine streng riechende, alkoholische Flüssigkeit, präparierte Körperteile, ausgestopfte Viecher, mumifizierte Viecher, eine Ansammlung menschlicher Skelette in verschiedenen Größen und sogar mit einigen Pathologien im Knochenbau, Schädel und die berüchtigten Folterwerkzeuge, derer seine kleine Sarah sich auch immer bediente. Endlich gelangte der Ire am Ende des Ganges an und öffnete erleichtert die Tür zu einer Bibliothek, in der er Lady Lennox vermutete. Er ärgerte sich innerlich über sich selbst; da lief er nun fast täglich durch dieses Schreckenskabinett und trotzdem wurde es ihm immer noch übel dabei. Er fand Sarah vertieft in eine angeregte, auf lateinisch