so lautlos daherkam, oder daß die grüngestreiften Augen, mit denen sie einen ansah, ganz verschleiert und ohne Ausdruck waren. Diese Katze, die sich so glatt und weich und spielerisch zeigte, während sie an nichts anderes dachte, als zu rauben und zu morden, war ihnen widerlich.
Und vor ihren Augen wuchs die Katze und streckte sich und wurde groß und richtete sich hoch auf, bis sie die Bergwand verbarg. Und immerfort, während sie so wuchs und größer wurde, spann sie und schnurrte, und machte behagliche spielerische Bewegungen, wurde aber dadurch nur immer widerwärtiger.
Und die drei vor der Kirche sahen, diese Katze war der Ekel, der jetzt hervorgerufen worden war und der wachsen und sich auf der ganzen Ebene ausbreiten würde und nirgends ein besseres Wachstum finden könnte, als hier zwischen all dem Gleichmäßigen und gleich Großen und Engen und Begrenzten.
Da drehte sich Mutter Natalie Elversson nach der Kirche um, kratzte mit ihrem Fingernagel ein paar kleine Spreißel von der rotangestrichenen Holzwand heraus und legte sie zwischen die Blätter ihres Gesangbuches.
»Ja, in dieser Kirche,« sagte sie, »hat man mich als ein siebentägiges Kind getauft, hier wurde ich als fünfzehnjähriges Mägdlein konfirmiert, hier bin ich auch getraut worden, und hier wird man mich wohl auch begraben, aber bis dahin will ich hier nichts wieder zu schaffen haben, bevor die Schmach, die mir heute angetan worden ist, ausgelöscht ist.«
Sohn und Eltern
Je besser die beiden alten Leute auf der Grimö allmählich ihren Sohn Sven kennen lernten, desto mehr verwunderten sie sich über ihn.
»Ich will dir etwas sagen, Joel,« sagte die Frau zu ihrem Manne, »wenn ich wie er zu einem Herrn erzogen und dann gezwungen worden wäre, alle meine vornehmen Gewohnheiten ganz plötzlich abzulegen, und wenn ich solches Essen verzehren müßte, wie das, was ihm hier bei uns geboten wird, nachdem ich doch an Besseres gewöhnt war, wenn ich jeden Tag mit dir hinaus müßte, um dir auf dem Acker zu helfen, und niemals ein Buch lesen und mich nie mit besseren Leuten aussprechen könnte, sondern nur mit so ein paar dummen alten Brummbären wie du und ich, dann wäre ich sauertöpfisch und bösartig vom Morgen bis zum Abend, und ich glaube, dir würde es geradeso gehen.«
Joel gab das willig zu. Jawohl, auch für ihn würde das eine schwere Prüfung sein.
»Aber da sieh nun Sven!« fuhr Thala fort. »Es ist, als berühre ihn das alles ganz und gar nicht. Auch grämt er sich nicht um das Geld oder die Freunde und dergleichen, die er verloren hat. Hier kann er mit mir scherzen und lachen und sich mit dir unterhalten, ohne nach anderer Gesellschaft zu verlangen, in der er sich zerstreuen könnte. Einen Tag wie den anderen ist er freundlich und demütig und zufrieden wie ein Gotteslamm. Eigentlich gibt es nur ein Einziges, was ihn in schlechte Laune versetzt.«
»Was mich anbelangt, so kann ich ihn deshalb nicht weniger hoch stellen, wenn er in diesem Punkt empfindlich ist. Die Ehre verlieren, das ist das Schwerste, was einem widerfahren kann.«
»Ja natürlich,« versetzte die Frau, »und es ist auch schändlich, daß die Leute sich nicht an ihn gewöhnen können. Er kann nicht auf die Post oder in einen Laden gehen, ohne jemand zu treffen, der die Nase über ihn rümpft oder ihm ein Schimpfwort an den Kopf wirft. Ich aber, das weiß ich, ich bin nur dankbar dafür, daß er den Bissen damals gegessen hat. Sven übertrifft unsere anderen Kinder so weit wie die Sonne den Mond, und ohne jenen Bissen hätte ich ihn nie wieder zu sehen bekommen.«
In dieser Weise sprach sich Mutter Elversson jeden Tag aus. So oft sie mit ihrem Manne allein war, sofort begann sie sich in Lobeserhebungen über den Sohn zu ergehen.
»Du hast wohl gar keinen Begriff davon, Joel, wie merkwürdig Sven ist,« pflegte sie zu sagen. »Aber eigentlich müßtest du es schon an mir merken. Siehst du nicht, wie gut ich mich wasche und kämme und wie ich fege und bürste und schrubbe? Ja, du meinst vielleicht gar, das geschehe deinetwegen?«
»O, du bist immer darauf ausgewesen, alles um dich her sauber zu haben,« sagte Joel, der gerne den Leuten Artigkeiten sagte, sobald sich die Gelegenheit dazu bot.
»Es ist nicht nur das,« fuhr seine Frau fort. »Aber ich bin jetzt nie mehr zornig. Nein, sanft wie ein Flaumflöckchen bin ich. Hast du je so ein Lächeln gesehen, wie Sven eines hat? Wenn mich andere Leute freundlich ansehen, werde ich vergnügt, wenn mich aber Sven anlächelt, ist mir, als könnte ich mich nackt ins Meer stürzen, sobald er es verlangte.«
Ihr Mann lachte sie aus.
»Ich weiß wirklich nicht, warum er so etwas von dir verlangen sollte,« versetzte er. »Aber es ist etwas an dem, was du sagst. Am liebsten würde ich sagen, ich glaube, unser Sohn ist wie einer von den Steinen, die am Strande liegen, und von jeder Woge hin und her gerollt werden. Er wird von all den Stößen, die er bekommt, so schön und so abgeschliffen, daß er bald gar keine Ecken und Kanten mehr haben wird.«
Tatsächlich machte sich der Mann ebensoviel aus seinem Sohne wie die Frau. Aber er war nicht nur glücklich über ihn, sondern seinetwegen auch beunruhigt. Es schien ihm, als ob der Sohn dazu neigte, sich dem Zwang, der gegen ihn ausgeübt wurde, zu beugen und sich von den Menschen zurückzuziehen. Sven wollte die Grimö kaum noch verlassen. Aber auch hier auf der Insel hätte es ihm nicht an Gelegenheit gefehlt, mit Menschen zusammenzutreffen, falls er es gewünscht hätte. Joel war dreißig Jahre lang Schöffe gewesen, und während der vielen Gerichtsverhandlungen in allen diesen Jahren hatte er sich eine Menge Gesetze und Verordnungen eingeprägt. Unaufhörlich kamen die Leute zu ihm auf die Insel herüber und baten ihn um Hilfe beim Aussetzen eines Kaufvertrages oder eines Testamentes, bei Vermögensaufnahmen und Erbteilungen.
»Was soll er tun?« fragte die Frau, als ihr der Mann seine Besorgnisse mitteilte. »Erstens kann er noch nicht ordentlich Schwedisch, und zweitens meiden ihn die Leute, wie wenn er ein menschenfressender Haifisch wäre.«
Joel warf den Kopf zurück, zog die Luft hörbar ein und sprach Worte, deren ganze Tiefe zu fassen der Frau schwer wurde.
»Wenn nun jemand von mir verlangte, ich sollte Spielmann werden, dann müßte er mir wohl etwas verschaffen, worauf ich spielen könnte.«
»Ja natürlich,« erwiderte Mutter Thala, »aber was willst du damit sagen?«
»Wenn Sven, wie ich glaube, zu einem Augenspiegel und Vorbild und Beispiel für die Menschen bestimmt ist, so darf er nicht hier auf der Schäre bleiben und ein Eigenbrödler werden.«
Die Frau sah ihren Mann an, und aus ihren Augen leuchtete ein zärtlicher Glanz.
»Du selbst hast dein ganzes Leben lang auf der Grimö gewohnt, und es ist den Leuten doch nicht schwer gefallen, dich ausfindig zu machen und dir mit allem möglichen zur Last zu fallen.«
Der Mann machte eine abwehrende Handbewegung.
»Was bin ich, verglichen mit Sven? Ich habe nichts gelernt in meiner Jugend. Sven aber hat beizeiten mit dem Lernen angefangen. Ihm steht nichts im Wege.«
»Außer dem einen.«
»Ja, natürlich.«
»Und das ist überall, auch wo man es am wenigsten erwartet. Das ist eine Katze, die da, wo er geht und steht, auf der Lauer liegt, und ehe er sich's versieht, springt sie ihm an die Kehle.«
»Jawohl, gerade das ist das größte Unglück,« stimmte Joel bei. »Und geschehen ist geschehen. Und kein noch so großes Wunder könnte diese Katze hindern, ihn anzuspringen.«
»Aber eins darfst du nicht vergessen, Joel: wenn dieses Unglück nicht auf ihm läge, wäre er nie mehr zu uns zurückgekommen.«
Immer wieder kam sie auf diese Tatsache zurück. Es machte sie überaus glücklich, den Sohn zu Hause zu haben, und sie konnte kaum begreifen, warum er und Joel dem Widerwillen der Menschen so großes Gewicht beimaßen. – »Kümmere dich doch nicht darum!« sagte sie zu ihrem Sohne. »Du bist viel besser als sie. Der Kerl, der dir heute auf der Post ins Gesicht gegrinst hat, ist ein Wechselfälscher. Der hat keine Ehre, mit der er sich brüsten könnte.«
Aber wie die Zeit verging, konnte sie doch nicht umhin zu merken, daß Joel recht hatte