Reduzierung des Ausleihevolumens für Staaten scheint allerdings in Europa für die Entscheidungsträger kein großes Problem zu sein. Es wird Steuergeld abgeräumt, solange es eben geht und die Politiker der Geberländer diese Zusammenhänge nicht durchschauen. Bezeichnenderweise war der erste Rettungseinsatz, den der ESM unter Leitung von Klaus Regling durchführte, die Unterstützung der spanischen Banken mit 42 Milliarden EURO, die an den spanischen Bankenrettungsfonds Frob gewährt wurde74. Als „Gegenleistung“ haben die Pleitebanken dem ESM hauptsächlich Immobilienkredite und Schrottimmobilien übertragen.
Inzwischen stehen schon weitere Finanzhilfen für die spanischen Banken und ein Hilfsantrag von Irland für die Rekapitalisierung der irischen Banken beim ESM auf der Tagesordnung75. Die Überforderung des ESM-Rettungsfonds zeichnet sich schon wenige Wochen nach Durchführung der ersten Rettungsaktionen ab. Vermutlich geht die Rettung der Banken aber auch dann noch weiter, wenn nur noch wenig Geld im ESM verfügbar ist. Es gibt ja noch die EZB, die sich entgegen ihres gesetzlich festgeschriebenen Auftrags gern auch als äußerst kreativer Erfüllungsgehilfe finanzschwacher Finanzminister einspannen lässt, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden.
Scheinbare Rettung
Betrachten wir hierfür die Auswirkungen der Rettungsmaßnahmen der EZB auf die Bankenschuldenkrise in Irland, das gerade aus deutscher Sicht immer wieder als Musterland der Rettungsmaßnahmen gepriesen wird. Hier lernen wir eine weitere Form haarsträubender EURO-Rettungsmechanismen der Notenbanker kennen, die bis heute völlig ohne parlamentarische Kontrolle funktionieren. Bereits Anfang 2011 waren die Notfallverbindlichkeiten von Irland auf über 50 Milliarden EURO gewachsen76. Anbetracht der Tatsache, dass für die Rettung der irischen Banken etwa 64 Milliarden EURO notwendig waren, wurde wie in Zypern auch dort mit Duldung der EZB ein Großteil der Bankenrettung über die nationale Notenbank organisiert und der irische Staat von seiner Verpflichtung zur Rettung seiner eigenen Banken enthoben77.
Sehen wir uns diesen interessanten Fall Irland etwas näher an. In der Presse wurde ausführlich darüber berichtet. Der deutsche EZB-Direktor Jörg Asmussen hatte sich auf Geheiß des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble für die Lösung des 32 Milliarden EURO Problems der Anglo Irish Bank eine besonders abenteuerliche Abwicklung für die unrechtmäßigen Bankenrettung durch die irische Notenbank mit Hilfe der Liquiditätshilfen einfallen lassen. Die Grundzüge der Transaktionen sind schnell erklärt.
Die irische Regierung erklärte die staatliche Abwicklungsgesellschaft der Anglo Irish Bank für insolvent. Die irische Notenbank tauschte die im Rahmen der kurzfristigen Notfallkredite aufgelaufenen Forderungen gegenüber der Anglo-Abwicklungsgesellschaft in irische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 25 Jahren ein. Durch die Finanzierung der Banken- und Staatsschulden mittels der Notenpresse der irischen Notenbank konnte der irische Staat auf die Ausgabe Staatsanleihen im Wert von 20 Milliarden EURO auf den Finanzmärkten verzichten78. Das wird die Defizitquote in den nächsten Jahren senken und Herr Schäuble möchte so das Märchen von der erfolgreichen Bankenrettung seitens des irischen Staates in der deutschen Öffentlichkeit aufrechterhalten.
Ebenso hätte die irische Notenbank auch direkt Staatsanleihen des Krisenlandes kaufen können. Mit dem Kunstgriff, einen Schuldschein des Staates zwischenzuschalten, der im Rahmen der kurzfristigen Finanzierung der Anglo Irish Bank, bzw. der Anglo-Abwicklungsgesellschaft entstanden war, hat Herr Asmussen jedoch vergeblich versucht, den Tatbestand der direkten Staatsfinanzierung zu verschleiern. Die Wirtschaftszeitungen in Deutschland sind von bemerkenswert hoher Qualität und decken solche durchsichtigen Manöver zuverlässig auf. In diesem Fall handelt es sich also nicht nur um eine Bankenrettung, die nicht im Auftrag der EZB lag, sondern auch um eine verbotene Staatsfinanzierung mittels der Notenpresse. Da der genaue Sachverhalt dieser Vorgehensweise nur anhand der komplizierten Verträge ersichtlich ist, sollte eine juristische Prüfung der Rolle von Herrn Asmussen als deutscher EZB-Direktor bei diesem Geschäft angestrebt werden.
Es steht zu befürchten, dass dieser Weg einer langfristigen Finanzierung von Staatsschulden und Bankenschulden über die Notenpresse (notdürftig getarnt als ELA-Liquiditätskredite) auch in anderen Krisenländern beschritten wird, die das Problem der Überschuldung ihrer Banken nicht aus ihrem Staatshaushalt finanzieren können oder wollen. Die ursprünglich nur für die kurzfristige Überbrückung gedachten Liquiditätskredite sollen den irischen Banken mittlerweile für 25 Jahre von der nationalen Notenbank zur Verfügung gestellt werden. Bei einem so langen Zeitraum der Kreditgewährung kann weder von kurzfristigen Liquiditätshilfen noch von geldpolitischen Maßnahmen ausgegangen werden. Es handelt sich in diesen Fällen um verbotene Staatsfinanzierung zur Rettung von Pleitebanken in den Krisenländern seitens des EZB-Systems.
Die Banken Irlands sind also nicht kurzfristig illiquide, sondern strukturell überschuldet und müssten eigentlich auf Kosten des Staates abgewickelt werden. Schließlich haben die Staaten die die Bankenaufsicht in den vergangenen Jahren so fahrlässig geführt haben und führen diese immer noch. Wie am Beispiel von Zypern bereits gezeigt, werden durch diese Rettungsmaßnahmen der EZB mittels direkter Finanzhilfen die Investoren geschützt, die den irischen Banken Geld geliehen haben und es werden die Risiken der Bankenrettung auf die Steuerzahler der EURO-Länder verlagert, deren Notenbanken im Rahmen von Target2 Geldforderungen gegenüber den Notenbanken der Krisenländer aufbauen.
Auch die deutschen Steuerzahler wurden zur Bewältigung der Bankenkrise in Irland in großem Umfang herangezogen. So hat die irische Tochter „Depfa“ mit riskanten Geschäften ihre deutsche Muttergesellschaft Hypo Real Estate (HRE) in die Pleite getrieben und musste vom deutschen Staat gerettet werden, was den deutschen Schuldenberg um 163 Milliarden EURO erhöht hat79. Die seitens des Bankenrettungsfonds Soffin gewährten staatlichen Garantien für risikobehaftete Wertpapiere wurden am 13.12.2013 von der letzten Bank abgelöst, für die Garantien in Höhe von 168 Milliarden EURO haben die Banken seit 2008 insgesamt 2,15 Milliarden EURO in Form von Gebühren an den Bankenrettungsfonds gezahlt80.
Vom Schuldner zum Gläubiger
Die griechische Notenbank hat von 2008 bis 2011 mit Hilfe der Notenpresse die Leistungsbilanzdefizite von fast komplett finanziert, also die importierten Güter mit selbst gedrucktem Geld im Ausland bezahlt81. Das Resultat ist hierbei, dass die Importe Griechenlands aus dem Ausland in dieser Zeit von den Notenbanken der exportierenden Länder finanziert wurden. Dieser Zusammenhang erklärt die Position u. a. der deutschen Regierung, dass im Rahmen von Sparanstrengungen der griechischen Regierung die Staatsausgaben gesenkt werden sollten, wodurch der inländische Konsum und damit auch das Importdefizit reduziert wurden. Die Notkredite, die die griechische Notenbank an ihre Geschäftsbanken vergeben hat, betragen mehr als 100 Milliarden EURO82.
Diese 100 Milliarden EURO an Notkrediten für die inländischen Banken müssen bei vollständiger Betrachtung der Schuldenproblematik Griechenlands den bereits ausgezahlten 73 Milliarden EURO aus dem ersten Hilfspaket und den ausgezahlten 133 Milliarden EURO aus dem zweiten Hilfspaket83 hinzugerechnet werden. Die Begründung hierfür ist, dass eigentlich die griechische Regierung die Finanzierungsprobleme seiner Banken hätte lösen müssen, dies aufgrund seiner eigenen desolaten Finanzlage allerdings nicht leisten konnte. Irgendwann wird die griechische Notenbank diese 100 Milliarden von den inländischen Banken oder von der griechischen Regierung wieder zurückbekommen, da sie sonst Abschreibungen bilden müsste.
Die verbliebenen 12 Milliarden EURO aus dem zweiten Hilfsprogramm für Griechenland könnten nur knapp bis zur Bundestagswahl, jedoch nicht bis zum Juli 2014 reichen, wie es die EU-Kommission ursprünglich geplant hatte. Unabhängig von der Finanzierung wird Griechenland diese hohe Schuldenlast nicht tragen können. Der Schuldendienst ist erdrückend, ein Schuldenschnitt ist unausweichlich. Genau betrachtet sind auch die mehr als 30 Milliarden EURO84 Ankäufe griechischer Staatsanleihen, die die EZB bis Ende 2012 erworben hat, bei der Berechnung der Staatsverschuldung Griechenlands zu berücksichtigen. Die Staatsschulden Griechenlands werden bis Ende 2013 (ohne die 100 Milliarden an Notfallkrediten der griechischen Notenbank an die inländischen Geschäftsbanken) voraussichtlich 320 Milliarden EURO85 betragen. Ein drittes