Thomas Krause R.

EURO-Bankraub


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die Rettung von Banken aus den Staatshaushalten bereitzustellen. So wird bis zum Erscheinen dieser zweiten Auflage immer noch diskutiert, ob der ESM für die Rekapitalisierung von Banken eingesetzt werden sollte oder nicht44.

      Häufig wird der Vorwurf geäußert, die deutschen Banken hätten in besonderer Weise von den Rettungsschirmen profitiert. Dies ist so nicht ganz richtig. Während französische Banken ihre Kredite an den griechischen Staat um 44% reduzierten, portugiesische Banken sogar um 60%, haben die deutschen Banken unter Führung von Herrn Josef Ackermann dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble im Mai 2010 versprochen, dass sie während der dreijährigen Laufzeit der Rettungsschirme keine griechischen Staatsanleihen verkaufen und auslaufende Papiere durch neue zu ersetzen, Deutschland löste Frankreich als größten Gläubiger Griechenlands ab.45

      Offenbar gingen die deutschen Banken zu dieser Zeit noch davon aus, dass die 440 Milliarden Ausleihevolumen des EFSF-Rettungsschirms ausreichen würden, das Problem der Staatsschuldenkrise in den Krisenländern einzudämmen. Die Banker anderer Länder hatten das volle Ausmaß der Krise in Griechenland schneller erkannt und ihre Staatsanleihen an den Rettungsfonds rechtzeitig verkauft. Dies taten sie auch in anderen Krisenländern, so dass die Finanzmittel des EFSF schon nach wenigen Wochen aufgebraucht waren. Aus dem EFSF wurden 28 Milliarden für den Ankauf irischer, 19 Milliarden für portugiesische bezahlt, in gleicher Höhe haben sich die EU-Kommission und IWF beteiligt46. Griechenland erhielt 145 Milliarden aus dem EFSF47. 190 Milliarden wurden relativ schnell für den Ankauf spanischer und italienischer Staatsanleihen zugesagt. So blieben nur noch knapp 60 Milliarden für die Stützung von Banken in den Krisenländern übrig – zu wenig. Einschränkend kommt hinzu, dass in den Statuten des EFSF hinterlegt ist, dass der Fonds nur Staatsanleihen von Staaten kaufen darf, wenn es im Land kein ungelöstes Bankenproblem gibt48.

      Nun gab es aber eine interessante Wendung. Statt den spanischen Staat mit Mitteln aus dem EFSF zu unterstützen, sollte der ESFS diesmal den spanischen Geschäftsbanken deren Staatsanleihen im Volumen von 100 Milliarden EURO abkaufen und anschließend Spanien neu ausgegebene Anleihen abnehmen, da die Risikoaufschläge auf spanische Anleihen auf den Finanzmärkten stark gestiegen waren49. Bei den Maßnahmen für Spanien wurden erstmals in großem Umfang private Banken durch den Ankauf von Staatsanleihen unterstützt. Die Hilfszahlungen sollten ursprünglich vom EFSF an den spanischen Bankenrettungsfons Frob gezahlt werden, der die Mittel an die Geschäftsbanken weiterleiten sollte50. Die 100 Milliarden EURO, die Spanien aus dem EFSF zugesagt worden waren, wurden jedoch vom EFSF-Fonds auf den dauerhaften ESM-Fonds übertragen, wobei bis Ende Dezember 2012 39,5 Milliarden EURO an den spanischen Bankenrettungsfond Frob ausgezahlt wurden51.

      Es ist auffällig, dass die EFSF-Ausleihkapazität in Höhe von 440 Milliarden, die bis Juni 2013 zur Verfügung gestanden hätte, nur zu 213 Milliarden EURO ausgeschöpft wurde, wobei die Haftungsobergrenze Deutschlands im Fall einer vollen Ausschöpfung der EFSF-Kreditkapazität bei 211 Milliarden EURO gelegen hätte. Da keine gesamtschuldnerische Haftung der EURO-Staaten, sondern eine anteilige Haftung vertraglich vereinbart wurde52, ist davon auszugehen, dass Deutschland mit 77 Milliarden haftet, wenn die anderen EURO-Länder ihren Verpflichtungen nachkommen (können).

      Falls im Fall einer Zuspitzung der Staatsschulden- und Bankenschuldenkrise innerhalb Europas allerdings andere EURO-Länder ausfallen sollten, würde der von Deutschland zu zahlende Anteil voraussichtlich steigen. Da in letzter Konsequenz einer massiven Staatsschulden- und Bankenschuldenkrise nur Deutschland übrig bliebe, sind die bisherigen EFSF-Ausleihungen so bemessen, dass Deutschland sogar fast den vollen Anteil, also 211 Milliarden von 213 Milliarden bezahlen müsste. Entscheidend für die tatsächliche Ausschöpfung der eingeräumten Kreditbürgschaften und damit auch für die Höhe der Belastungen des deutschen Staatshaushaltes ist, in welchem Umfang Kreditausfälle in den Krisenländern stattfinden und wie viele Geberländer zu diesem Zeitpunkt noch übrig sind, um die Bürgschaften zu leisten.

       Abenteuerliche Finanzakrobatik

      Aufgrund der begrenzten Mittel des EFSF wurde nach Möglichkeiten zu einer Hebelung der Rettungsmittel gesucht. Der US-Finanzminister, Timothy Geithner, verlangte von seinen EU-Kollegen, eine unbegrenzte Haftung des EFSF-Rettungsfonds einzuführen und eine Refinanzierung des EFSF bei der EZB mit einem zehnfachen Hebel zu erlauben53. So hätten den EURO-Rettern nicht 440 Milliarden, sondern durch den ungehinderten Zugriff auf die Notenpresse der EZB sogar 4,4 Billionen EURO zur Verfügung gestanden.

      Eine noch abenteuerlichere Variante des findigen US-Amerikaners sah vor, mit einem Teil der EFSF-Finanzmittel in der Europäischen Union eine neue Zweckgesellschaft „Special Purpose Vehicle“ zu gründen, die eigene Anleihen begeben kann, um diese bei der EZB als Sicherheit zu hinterlegen54. Auch bei diesem Vorschlag könnte sich die Zweckgesellschaft wie eine Bank bei der EZB Geld leihen. Im Ergebnis wirken die Transaktionen so, als ob die der EZB angeschlossenen Notenbanken des EURO-Raums selbst den Krisenländern mit Hilfe der Notenpresse Geld bereitgestellt hätte. Es wäre nur die Zweckgesellschaft zwischengeschaltet worden.

      Die Deutsche Bundesbank stemmte sich unter Führung von Jens Weidmann gegen diese Form der Kredithebelung, da sie einer verbotenen Staatsfinanzierung entsprochen hätte55. Eine Banklizenz hätte dem EFSF die Möglichkeit eingeräumt, aufgekaufte Staatsanleihen bei der EZB, bzw. bei den angeschlossenen Notenbanken, als Sicherheit für frisches Geld zu hinterlegen56. Herr Weidmann hat damit erfolgreich verhindert, dass Anleihen der Zweckgesellschaft von der Deutschen Bundesbank aufgekauft werden, denen innerhalb der Bilanz der Zweckgesellschaft nur Schrottanleihen der Krisenländer gegenüberstehen.

      Die von Herrn Geithner vorgeschlagene Lösung mit Hebeln und Zweckgesellschaften ähnelt sehr stark den Mechanismen, die die Finanzrisiken in den USA lange Zeit verschleiert haben und die Immobilienkrise weltweit mit verursacht haben. Die Europäer haben jedoch bewiesen, dass sie diese Mechanismen mittlerweile durchschauen und nicht gewillt sind, diese fragwürdigen Ansätze zur Lösung der Staatsschulden- und Bankenschuldenkrise in Europa einzusetzen. Dieser Form abenteuerlicher Finanzakrobatik zur Rettung der Investoren wurde zunächst ein Riegel vorgeschoben.

      Ohne Hebelung des EFSF-Fonds konnte jedoch eine Rettung von Spanien und Italien nicht gelingen. Zu groß waren die notwenigen Finanzbedarfe57. Allein 400 Milliarden EURO Kredite musste sich Italien im Jahr 2012 auf den Finanzmärkten beschaffen. Dieser enorme Finanzierungsbedarf allein in Italien hätte auch den dauerhaften ESM-Rettungsfonds überfordert, der seit seiner Ratifizierung in den Mitgliedsstaaten 500 Milliarden ausleihen kann. Nachdem sich abzeichnete, dass das Ausleihevolumen der EFSF- und ESM-Rettungsfonds nicht ausreicht und wegen der Vorbehalte in der Bevölkerung in den Geberländern auf demokratischem Weg nicht genügend weiteres Geld für die Rettung von Staaten und Banken beschafft werden kann, wurden andere Wege gesucht, die Forderungen der Investoren nach Rückzahlung der Kredite zu erfüllen. Dies waren allerdings ähnlich riskante Lösungsansätze, die sich außerhalb der demokratischen Grundordnung befanden, wie wir in den folgenden Kapiteln anhand konkreter Beispiele erkennen werden.

       Das Öffnen des Tresors

      Regierungen erliegen schnell der Versuchung, Fehlentwicklungen in ihren Ländern zu ignorieren oder die Schuld an diesen Entwicklungen anonymen Kräften, beispielsweise den Finanzmärkten anzulasten. In dieser politischen Logik der Realitätsverweigerung sollen die angeblich schädlichen Marktkräfte ausgeschaltet werden. Steigen die Zinsforderungen der Gläubiger, weil die Kredite an bestimmte Länder zunehmend als riskant eingestuft werden, müssen diese Zinsen nach dieser Ansicht um jeden Preis gesenkt werden. Der Transmissionsmechanismus für die Wirkung der Geldpolitik der EZB soll nach dieser Ansicht nicht durch das hohe Zinsniveau gestört werden58. Vorneweg hat sich der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, diese Ansicht zu Eigen gemacht.

      Mit dieser blumigen Aussage der EZB wird versucht, die Höhe der Zinsen als Marktstörung zu interpretieren und damit die Argumentationsgrundlage für den Eingriff der EZB auf den Anleihemärkten zu liefern. Wenn wir uns überlegen, dass eine Notenbank quasi aus dem Nichts Geld schöpft und dieses an die