Thomas Krause R.

EURO-Bankraub


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Breite nicht mehr gegeben war und der Konsum vielfach nur auf Kredit finanziert wurde. Private Geldgeber waren bereit, die für die Erhöhung des Lebensstandards und den Wohnungsbau notwendige Kredite zu geben, da sie auf Zinseinnahmen und auf eine spätere Rückzahlung hofften.

       Der Schwarze Mittwoch

      Am Mittwoch, dem 06.02.2002 teilte Wim Duisenberg dem spanischen Ministerpräsidenten und EU-Ratspräsidenten, José María Aznar, und dem Vorsitzenden des EU-Ministerrates, Rodrigo Rato, seinen vorzeitigen Rücktritt von seinem Amt als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) mit. Noch im Dezember 2001 hatte der EZB-Präsident mit folgenden Worten ausgeschlossen, sein Amt vor Ablauf der 8-jährigen Amtszeit aufzugeben: „Ich werde nicht in der nächsten Zukunft zurücktreten. Ich mag das, was ich tue.“32

      Frankreich verfolgte in den Wochen vor dem vorzeitigen Rücktritt des ersten Präsidenten der Europäischen Zentralbank massiv die eigenen Interessen, den französischen Notenbankgouverneur Jean-Claude Trichet schon nach der Hälfte der regulären Amtszeit des bisherigen EZB-Präsidenten auf dessen Posten zu hieven. Wim Duisenberg war 1998 bei der Gründung der Europäischen Zentralbank der Wunschkandidat der deutschen Regierung und der Deutschen Bundesbank. Besonders pikant ist die Tatsache, dass Wim Duisenberg bei seinem Rücktritt die Bereitschaft signalisiert hat, auch etwas länger als bis zum 09.07.2002 im Amt zu bleiben. Dadurch wurde Herrn Trichet genug Zeit gegeben, das gegen ihn laufende Gerichtsverfahren in Ruhe abzuwarten, das wegen des Verdachts der Bilanzfälschung gegen ihn angestrengt wurde33. Aus damaliger Sicht sollte sich das Verfahren bis mindestens Mai 2002 hinziehen.

      Mit dem Brief an den Generalsekretär der EU, Javier Solana, in dem er seinen Rücktritt zum 09.07.2002 oder zu einem späteren Termin anbot, falls das die europäischen Staats- und Regierungschefs wünschen, war Herr Duisenberg nicht mehr unabhängig in seiner Funktion als Präsident der Europäischen Zentralbank. So hat der belgische Finanzminister Didier Reynders Ende 2001 vom EZB-Präsidenten die Bekanntgabe seines vorzeitigen Rücktrittstermins gefordert.

      Ein hoher französischer Beamter, Jean Lemierre, der zu dieser Zeit die Londoner Osteuropabank geleitet hat, gab bereits Ende 2001 den Rücktrittstermin zuverlässig mit Mitte 2002 an, zu dem Wim Duisenberg zurücktreten wird34. Von einer freien Entscheidung kann bei diesem Sachverhalt nicht mehr vollständig ausgegangen werden. Dieses unwürdige Spiel um das Herausdrängen von Wim Duisenberg aus seiner Position als erster Präsident einer nach der Gesetzeslage unabhängigen Europäischen Zentralbank ist nicht nur die erste grobe Beschädigung des Rufs der Europäischen Zentralbank als Institution, sondern widerspricht auch dem Maastricht-Vertrag, nach dem der Präsident der Europäischen Zentralbank (Wim Duisenberg) und sein Chefvolkswirt (Ottmar Issing) eine Amtszeit von vollen acht Jahren haben sollen. In dieser personalpolitisch turbulenten Zeit der EZB war der EURO gegenüber dem US-Dollar auf ein historisches Tief von 0,85 US-Dollar gefallen und hatte sich erst im Lauf des Jahres 2002 wieder in Richtung einer Parität zum US-Dollar entwickelt.

       Ausschalten der Alarmanlage

      In weiser Voraussicht haben die Väter des Maastricht-Vertrages verbindliche Kriterien aufgestellt, die im EURO-Raum einzuhalten sind. Dazu gehört, dass der staatliche Schuldenstand insgesamt nicht mehr als 60% des Brutto-Inlandsprodukts liegen darf, das jährliche Haushaltsdefizit nicht mehr als 3% des Brutto-Inlandsprodukts betragen darf (soweit die Grenze von 60% noch nicht erreicht ist) und die Inflationsrate nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über derjenigen der stabilsten Mitgliedsländer liegen darf.

      Nun hat in 2003 der damalige deutsche Bundeskanzler, Gerhard Schröder, zusammen mit dem französischen Präsidenten die Stabilitätskriterien dahingehend aufgeweicht, dass die eigentlich fällige Strafzahlung Deutschlands trotz Überschreitung der Neuverschuldungsgrenze von 3% des Brutto-Inlandsprodukts in den Jahren 2002 und 200335, nicht bezahlt werden musste. Diese Form des Umgangs mit den völkerrechtlich verbindlich fixierten Verschuldungsgrenzen seitens der wirtschaftlich starken Euro-Länder Deutschland und Frankreich hat den Vertrag von Maastricht schon wenige Jahre nach seinem Inkrafttreten korrumpiert und andere Länder ermuntert, das Vertragswerk ähnlich flexibel zu interpretieren. Schlechtes Beispiel macht eben Schule, jetzt hält kaum ein Land in Europa die Regel ein, dass der Stand der öffentlichen Verschuldung auf 60% des Brutto-Inlandsprodukts zu begrenzen ist. Die hohe Staatsverschuldung ist also als stetige Rechtsverletzung anzusehen, da sie europäischem Recht widerspricht36.

      Zu beachten ist hierbei, dass es die deutsche Regierung unter Helmut Kohl war, die bei der Gründung der Europäischen Zentralbank die Maastricht-Kriterien durchgesetzt hat. Der Maastricht-Vertrag spielte in der SPD-geführten Bundesregierung schon bald keine Rolle mehr. Der Tresorraum der Europäischen Zentralbank, der in Form einer Verpflichtung zu solider Haushaltspolitik errichtet wurde, war fortan nicht mehr durch eine Alarmanlage gesichert.

      Bei Zugrundelegung der Maastrichter Stabilitätskriterien dürften heute weder die Krisenländer noch Frankreich, Belgien oder Deutschland dem EURO beitreten. Die Missachtung der Stabilitätskriterien von Maastricht ist ein elementares Problem in ganz Europa, da höhere Schuldenstände unweigerlich zu Problemen bei der Rückzahlung der Kredite führen und das Risiko einer Schuldenkrise vergrößern. Dieses höhere Risiko, das der Gläubiger eingeht, muss in einer funktionierenden Marktwirtschaft durch höhere Zinsen auf den Finanzmärkten vom betreffenden Land bezahlt werden.

      Unweigerlich kommt der Tag, an dem der Investor sein Geld zurückfordert. Im Fall eines kreditfinanzierten Konsums ist jedoch kein Aufbau von Produktivvermögen erfolgt, sondern das Geld ist für unnötige Immobilien, importierte Konsumgüter, spekulative Investments und für ausufernde Dienstleistungen des Staates verschwendet worden. Die Investoren haben viele Jahre nicht kontrolliert, wofür das Geld verwendet wurde, das sie so bereitwillig nach Spanien, Italien, Griechenland und in andere Länder überwiesen haben.

      Läuft nun der Kredit ab, gibt es keine Rückzahlung mehr, da der Staat mangels Wirtschaftskraft der nationalen Wirtschaftsunternehmen über zu wenig Steuereinnahmen verfügt und auch Banken aufgrund von Fehlinvestitionen in die lokalen Immobilienmärkte nicht mehr über genügend Wertgegenwerte verfügen, um den Zahlungsverpflichtungen der inländischen und ausländischen Investoren nachzukommen. Dies ist normaler Weise der Zeitpunkt, wo der Investor seine Investition abschreiben muss und mit Verlust seines Vermögens für seine Fehlentscheidung in der Vergangenheit bezahlt. Höhere Zinsen und Abschreibungen auf die ausgegebenen Kredite stellen in einer funktionierenden Marktwirtschaft wichtige Alarmsignale dar, die das weitere Wachsen einer Schuldenkrise verhindern.

      Nicht aber so in Europa! Statt einen großen Schuldenschnitt vorzunehmen, bei dem die Investoren der Krisenländer den Großteil Ihrer Forderungen abschreiben, wurden bislang viele Rettungspakete geschnürt, um Geld an die bisherigen Investoren auszahlen zu können. Der Anfang 2012 umgesetzte Schuldenschnitt in Griechenland stellte mit 107 Milliarden EURO nur eine Ausnahme dar37. Die Krisenländer Spanien und Irland wiesen Ende 2012 Auslandsverbindlichkeiten von mehr als 90% des Bruttoinlandsprodukts auf, bei Griechenland und Portugal waren es mehr als 110%38. Ein Schuldenschnitt würde also in großem Umfang Investoren außerhalb der Krisenländer treffen, die in den vergangenen Jahren die Importüberschüsse der Krisenländer so bereitwillig finanziert haben.

      Beseitigung der Schutzleute

      Nachdem die Alarmanlage des Tresorraums ausgeschaltet wurde, galt es die Schutzleute zu beseitigen, die die Geldwertstabilität immer noch verbissen verteidigten. Die beiden Schutzleute der Geldwertstabilität innerhalb des EURO-Raums waren nur noch der Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, und der Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark, der dem EZB-Rat zu dieser Zeit bereits 4 Jahre angehörte. Beide waren innerhalb des Kreises der europäischen Notenbanker zunehmend politisch isoliert, da alle anderen Notenbanker den Kurs des amtierenden Präsidenten, Jean-Claude Trichets, unterstützten, seit Mai 2010 Staatsanleihen der Krisenländer Griechenland, Portugal und Irland seitens der Europäischen Zentralbank aufzukaufen. Dies lehnten die beiden deutschen Notenbanker strikt ab.

      Dazu kam