Thomas Krause R.

EURO-Bankraub


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Verständnis erkennen wir, wo im übertragenen Sinne der Tunnel gebaut wurde, in welchem Umfang Vermögenswerte bereits durch diesen Tunnel ins Ausland transportiert wurden und in welcher Größenordnung weitere Vermögenstransfers auf diesem Weg zu erwarten sind. Am Schluss des Buches steht die Betrachtung von Lösungsalternativen, die für eine schnelle Beendigung des demokratisch nicht legitimierten Vermögenstransfers geeignet erscheinen und eine Empfehlung, wie weitere Aktivitäten in dieser Richtung im Rahmen einer stabilen Finanzverfassung Europas unterbunden werden können.

       Verschleierungstaktik

      Neue Zeiten erfordern neue Antworten, so sagt man. Alte Gesetze der Geldwertstabilität, so wird behauptet, gelten in der Staatsschulden- und Bankenschuldenkrise nicht mehr. Ein einzelner Notenbanker, Super-Mario Draghi2, kann es richten, so lange er nur Superman gleich, unbegrenzt neue EURO druckt und diese über das Bankensystem in den Krisenländern gegen Annahme fragwürdiger Sicherheiten in Umlauf bringt. Allein das Wort „unbegrenzt“, so die häufig verbreitete Darstellung der EURO-Retter, reicht aus, um die Märkte zu beruhigen. Völlig unklar bleibt dabei allerdings, warum das Drucken von Geld das Problem der übermäßigen und damit sogar steigenden Verschuldung von Staaten und Banken in den Krisenländern lösen soll.

      Zu klären ist aber auch, warum die Ankündigungen unbegrenzter Rettungsmaßnahmen seitens der Europäischen Zentralbank in den ersten Tagen die Aktienkurse tatsächlich erhöht, die Zinssätze für Staatsanleihen kurzfristig reduziert und den Wert des EURO an den Devisenmärkten stabilisiert hat3. Immer dann, wenn Aussagen des EZB-Präsidenten wichtiger werden, als die Fundamentaldaten, ist Vorsicht geboten. Wirtschaft hat eine Menge mit Psychologie zu tun, nur ganz ohne Rationalität funktioniert Wirtschaft aber auch nicht. Schließlich wäre es wie ein Wunder: Mit der Ankündigung, Geld zu verteilen, also Geldscheine zu drucken oder zusätzliche EURO elektronisch per Überweisung in den Krisenländern in Umlauf zu bringen, ließe sich die Staatsschulden- und Bankenschuldenkrise in Europa fast ohne Nachteile für Europa lösen. Der einzige Nachteil wäre die Gefahr von Inflation, die mittlerweile von vielen Beobachtern deutlich gesehen wird4. Durch rechtzeitiges Einsammeln der verteilten EURO seitens der Europäischen Zentralbank soll sich das Risiko jedoch wieder auflösen. Soweit die Hoffnung, auf komplizierte Fragen einfache Antworten zu erhalten5.

      In der modernen Welt sind die Zusammenhänge vielfach komplex und Einzelaktivitäten einzelner Akteure in der Wirtschaft nur schwer in ihren Auswirkungen durchschaubar. Teilweise werden auch einfachste Transaktionen zwischen einzelnen Akteuren so kompliziert abgewickelt, dass sie nur noch für Experten verständlich sind und sich so der Kontrolle der Parlamente und letztendlich auch dem Urteil der Bevölkerung entziehen. Insbesondere die seit der Lehmann-Pleite eskalierende Staatsschulden- und Bankenschuldenkrise erfordert eine klare und präzise Darstellung der wesentlichen Wirkungszusammenhänge in der Wirtschaft, um die Ursachen der heutigen Probleme zu verstehen und sachgerechte Lösungsalternativen zu finden.

      Geld drucken hat noch nie ein Problem gelöst, sondern die Schulden weiter erhöht und bestehende Probleme vom Schuldner zum Gläubiger mittels Inflation verlagert. Die alten Gesetze gelten trotz anders lautender Beteuerungen noch immer, wonach ein zu hohes Geldangebot den Wert des Geldes verringert und den Gläubiger enteignet. Aus diesem Grund hat die Deutsche Bundesbank über viele Jahre erfolgreich das Konzept der Geldmengensteuerung eingesetzt. Nach dem Konzept der Geldmengensteuerung hat die Deutsche Bundesbank stets darauf geachtet, dass die Geldmenge nur in dem Maß stieg, wie die Geldnachfrage.

      Zur Darstellung der Probleme und Ursachen der aktuellen Staatsschulden- und Bankenschuldenkrise ist eine Aufgliederung der komplexen Mechanismen in einfach verständliche Aktivitäten der einzelnen Akteure notwendig, um die dahinter verborgenen Interessen und Ziele klarer erkennen zu können. Eine vereinfachende Abstraktion ist hierbei hilfreich, da man durch diesen klaren Blick hinter die Kulissen der schönen Worte einzelner Akteure in Wirtschaft und Politik die Kernelemente und die Motivation des Handelns erkennt.

       Problem der Alternativlosigkeit

      Vielfach widerspricht die Wirkung bestimmter Einzelaktivitäten sogar dem veröffentlichten Wortlaut oder es wird versucht, die bereits als negativ erkannten Rettungsmaßnahmen als „alternativlos“ darzustellen, um eine Zustimmung seitens der Bevölkerung und Parlamente zu erreichen. Die dargestellte Alternative ist dann meistens das Nichthandeln, das beim Vorliegen der massiven Probleme, die wir momentan beobachten, tatsächlich auch die schlechteste Variante ist. So war es auch im Fall der Ankündigung der EZB vom 6. September 2012, unbegrenzt Anleihen von Krisenländern zu kaufen. Diese Vorgehensweise wurde der Öffentlichkeit als Lösung der Schuldenkrise dargestellt.

      Nur die nahe liegenden, etwas schwerer zu verstehenden, politisch scheinbar kompliziert zu vermittelnden, in der Sache aber besseren Alternativen zu einer nachhaltigen Lösung der Staatsschulden- und Bankenschuldenkrise, fallen bei dieser einseitigen Betrachtung unter den Tisch. Diese offensichtlich willkürliche Reduzierung der Handlungsalternativen auf eine Lösungsvariante führt zum Verlust an Glaubwürdigkeit der Politiker und Notenbanker, die sie propagieren.

      Um diesen Verlust an Glaubwürdigkeit auszugleichen, gaukeln die Akteure der Allgemeinheit mit fadenscheinigen Argumenten Zeitdruck vor und überstürzen Entscheidungen, ohne die Konsequenzen der eingeleiteten Rettungsmaßnahmen zu überblicken und der Öffentlichkeit zu erklären. In anderen Fällen werden Entscheidungen getroffen, deren finanzielle Tragweite der Öffentlichkeit entweder nicht mitgeteilt oder seitens der Politiker nicht verstanden wird6.

      Selbst das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung wurde versucht zu unterlaufen, in dem das Gespenst eines Zusammenbruchs der Finanzmärkte an die Wand gemalt wurde, nur weil das Bundesverfassungsgericht für sich das Recht auf eine ausreichende Prüfung der Rettungsmaßnahmen in Anspruch nahm. Wie sich herausgestellte, hat auch diese Verzögerung nicht zu einem Zusammenbruch des EURO-Finanzsystems geführt, sondern die rechtlichen Bedingungen geklärt, unter denen der ESM-Rettungsfonds einzusetzen ist.

      Andere Akteure kennen die Ursachen und Mechanismen der Krise. Sie wissen, welche Maßnahmen zu einer nachhaltigen Lösung der Schuldenkrise zu ergreifen wären. Aufgrund von Eigeninteressen versuchen sie jedoch, diese Wahrheit unter dem Deckmantel alternativloser Rettungsmaßnahmen möglichst lange zu verschleiern, zumindest so lange, bis sie ihr Schäflein im Trockenen haben. Diese Akteure hoffen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem das Problem der misslungenen Rettungsmaßnahmen auch für die Allgemeinheit erkennbar wird (das Vermögen ist transferiert), die für sie wichtigen Transaktionen bereits abgeschlossen und nicht mehr rückgängig zu machen sind.

      In diesem letzten Zustand tritt das ein, was anfangs behauptet wird, nämlich ein alternativloses Desaster für die öffentliche und finanzielle Ordnung des Gemeinwesens. Vielleicht werden die Schuldigen Jahre später noch gefunden, das Vermögen bleibt voraussichtlich wie beim Bankraub in Berlin-Schlachtensee zum größten Teil verloren. So konnten von den geraubten Vermögensgegenständen im Wert von etwa 16-25 Millionen EURO über einen Zeitraum von 13 Jahren nur 2,8 Millionen EURO wieder sichergestellt werden7.

       Aufbau des Buches

      Es ist insbesondere innerhalb der letzteren Gruppe der Akteure schwer zu unterscheiden, ob es sich um Mitläufer, Helfer oder sogar um die Bankräuber selbst handelt, die hier im übertragenen Sinn am Werke sind. Aus diesem Grund verliert sich dieses Buch nicht in endlosen Details oder Schuldzuweisungen, es erfolgt keine Auflistung unüberschaubarer Zahlentabellen aller Krisenländer. Das Buch stellt die Hauptprobleme und die Aktivitäten der einzelnen Akteure in einen zeitlichen Ablauf.

      Hierbei wird anhand anschaulicher, konkreter Beispiele auf die unbedingt notwendigen wirtschaftlichen und politischen Sachverhalte eingegangen, die zum Verständnis der Zusammenhänge benötigt werden. Andererseits ist für eine kritische Betrachtung der aktuellen Schuldenskrise zu vermeiden, durch eine zu stark vereinfachende Darstellung wichtige Details zu übersehen.

      Dieses Buch ist somit als Versuch zu verstehen, einen Mittelweg zu beschreiten, der anschaulich, aber trotzdem mit