Thomas Krause R.

EURO-Bankraub


Скачать книгу

      Statt den EURO oder das Krisenland jetzt zu retten, wurden die wohlhabenden Investoren bereits vor Monaten gerettet, die ihre Forderungen gegenüber den Banken sonst hätten abschreiben müssen und stattdessen mit dem über die Notkredite ausgezahlten Geld in andern Ländern Vermögensgegenstände erworben haben. Während die Politiker noch Anfang 2013 versuchten, die Gewährung weiterer Rettungsmaßnahmen für Zypern an die Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche zu binden, zogen die Investoren weiter Geld aus Zypern ab und entgingen so den geplanten Rettungsmaßnahmen und damit auch einem Verlust an privatem Vermögen. So haben die Investoren allein im Januar 2013 mehr als 1,7 Milliarden EURO aus Zypern abgezogen (600 Millionen stammen davon allein von ausländischen Investoren), da die Investoren im Rahmen der diskutierten Rettungsmaßnahmen in Höhe von insgesamt 17,5 Milliarden EURO einen Schuldenschnitt ihrer Sparguthaben in Höhe von 8,2 Milliarden EURO erwarteten68. Aufgrund der fortgesetzten ELA-Liquiditätskredite der Notenbank Zyperns an die Geschäftsbanken Zyperns wurde die fortgesetzte Kapitalflucht der Investoren aus Zypern systematisch finanziert.

      Mit Einführung der ELA-Liquiditätskredite seitens der EZB verloren jedoch die Politiker ihr Druckmittel gegen Zypern, Geldwäsche wirkungsvoll zu unterbinden. Allein die berechtigte Forderung der Rettungsländer, in diesem Fall von Deutschland, eine EU-Finanztransaktionssteuer in Zypern einzuführen die die Geschäftsbanken Zyperns an den Kosten der Krise beteiligt hätte, wurde vom neu gewählten Präsidenten Zyperns abgelehnt69. Solange sich der ELA-Liquiditätskredit in der Bilanz der zyprischen Notenbank befindet, trägt der zyprische Steuerzahler das finanzwirtschaftliche Risiko einer Pleite der Bank, die diesen Kredit erhalten hat.

      Dies ist jedoch nur die buchhalterische Seite des Problems. Mittels der Target2-Verbindlichkeiten sind jedoch in gleicher Höhe reale Vermögensgegenstände aus einem wirtschaftlich starken Land des EURO-Raums, hauptsächlich aus Deutschland, bereits abgeflossen, da die Investoren weitgehend wertlose Forderungen über viele Monate in wertvolle Forderungen austauschen konnten. Das realwirtschaftliche Risiko eines Kreditausfalls trägt nun also Deutschland, da die Zyprische Notenbank unter Missachtung des vorrangigen Ziels der EZB, für Geldwertstabilität zu sorgen, in Milliardenhöhe neue EURO druckte, die letztendlich als Target2-Forderung in der Bilanz der Deutschen Bundesbank landeten.

      Das Risiko des Vermögensverlustes, das durch die ELA-Liquiditätskredite der Notenbank Zyperns an die Geschäftsbanken Zyperns in der Realwirtschaft Europas entstanden ist, tritt über das System der europäischen Zentralbanken in Form der Target2-Forderungen für den Steuerzahler in den wirtschaftlich starken Ländern des EURO-Raums dann ein, wenn eine Notenbank mit Kreditverbindlichkeiten das EZB-System verlässt und ihre Verbindlichkeiten gegenüber den anderen Notenbanken des EURO-Raums nicht begleicht. Wenn also jetzt in Europa öffentlich diskutiert wird, ob Zypern gerettet werden sollte oder nicht, hat der Investor sein Geld schon längst in Sicherheit gebracht und woanders gewinnbringend investiert. Der Vorteil für das Krisenland ist, dass hohe Target2-Verbindlichkeiten den Druck auf die Gebeländer erhöhen, dieses störanfällige System der europäischen Zentralbanken weiter zu finanzieren, da beim Auseinanderfallen des EURO-Raums die bisherigen Target2-Forderungen abzuschreiben wären.

      Die einzig offene Frage ist in dieser verzwickten Lage also nur noch, ob die von der Notenbank Zyperns gewährten ELA-Liquiditätshilfen auf unbestimmte Zeit verlängert werden oder ob die aus der Unterstützung der Geschäftsbanken resultierenden Verbindlichkeiten als Staatsschulden über den ESM-Rettungsmechanismus ausgeglichen werden. Im Fall des Einsatzes des ESM-Rettungsfonds gibt es zwei Varianten. Entweder der ESM-Rettungsfonds beteiligt sich direkt an den Banken Zyperns oder der ESM unterstützt Zypern, seinerseits das empfangene Geld für den Rückkauf der risikobehafteten Bankanleihen und sonstigen Wertpapiere an die Notenbank Zyperns weiterzuleiten. Die Regierung überweist das Geld an die Notenbank Zyperns, die der Regierung die Bankanleihen und sonstigen Wertpapiere aushändigt. Als Sicherheit würde die Regierung Zyperns dem ESM-Rettungsfonds Staatsanleihen überlassen in Höhe des für den Rückkauf der Schrottpapiere benötigten Betrages.

      Damit wäre die Notenbank Zyperns nicht mehr mit den risikobehafteten Bankanleihen und sonstigen Wertpapieren belastet. Auf der anderen Seite könnte die Notenbank Zyperns dieses Geld für den inländischen Geldkreislauf zur Verfügung stellen, bzw. auf das Drucken neuen Geldes in dieser Höhe verzichten. Falls genug Zentralbankgeld in Zypern in Umlauf ist, bestünde sogar die Notwendigkeit, dass die Notenbank Zyperns Zentralbankgeld bei ihren Banken in der Höhe der vom ESM-Rettungsfonds erhaltenen Gelder reduziert, um ein inflationäres Anwachsen der Geldmenge in Zypern aufgrund der ESM-Finanzhilfe zu vermeiden.

      Durch den Verzicht der Notenbank Zyperns, für die Bankenrettung zusätzliches Geld zu drucken, sondern Rettungsgelder aus dem ESM zu verwenden, würden auch die Target2-Kreditverbindlichkeiten im Fall weiterer Bankenrettungsmaßnahmen nicht mehr steigen, bzw. könnten im Fall der Übertragung der risikobehafteten Bankanleihen von der Zyprischen Notenbank auf den ESM sogar reduziert werden, da überschüssig gedrucktes Geld in Zypern durch Geld ersetzt würde, das in den Geldschöpfungsdefizitländern bereitgestellt würde.

      Das Geldschöpfungsdefizit im wirtschaftlich starken Land würde sinken und damit auch seine Target2-Forderungen abbauen. Die risikobehafteten Bankanleihen und sonstigen Schrottpapiere würden nach demokratischen Prinzipien je nach gewählter Variante entweder von der Regierung Zyperns übernommen oder direkt vom ESM, der ebenfalls seine Mittel auf Grundlage demokratischer Entscheidungsprozesse von den Gebeländern erhalten hat.

       Plötzlicher Meinungswechsel

      Der Nachteil der Lösung der Bankenschuldenkrise über den ESM-Rettungsfonds ist, dass die aufzukaufenden Bankanleihen aufgrund ihres hohen Ausfallrisikos die Ausleihkapazität des ESM deutlich reduzieren würden. So ist nach Konsultationen des ESM mit Ratingagenturen davon auszugehen, dass für jeden EURO direkter Bankenrettung die Ausleihkapazität des ESM um drei EURO zu senken ist70. In Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung der Bankenhilfe würden die 500 Milliarden EURO, über die der ESM für die Rettung von Staaten verfügt, nur für direkte Bankenrekapitalisierungen in Höhe von etwa 170 Milliarden EUR ausreichen. Dies ist angesichts der Größe der Bankenprobleme ein Tropfen auf den heißen Stein und würde den ESM schon in kürzester Zeit überfordern. Aufgrund der Übertragung der ursprünglich vom EFSF-Fonds zu leistenden Hilfszahlungen an den ESM-Rettungsfonds für die Unterstützung der spanischen Banken in Höhe von 100 Milliarden, sind bei voller Ausschöpfung des zugesagten Ausleihvolumens nur noch 70 Milliarden EURO im ESM für weitere Bankenrettungen verfügbar. Für die Krisenländer selbst bleibt kaum noch Geld aus dem ESM-Rettungsschirm übrig, um der Bevölkerung in den Krisenländern zu helfen.

      Es kann als Skandal aufgefasst werden, wie wankelmütig die deutsche Bundeskanzlerin die Unterstützung ursprünglich privater, inzwischen aber verstaatlichter Geschäftsbanken in den Krisenländern mit dem Geld der Steuerzahler akzeptiert hat. Noch beim Krisengipfel im Oktober 2012 in Brüssel wurde von Angela Merkel die Rekapitalisierung von Pleitebanken mit Geldern aus dem ESM-Rettungsschirm gegen den Widerstand Frankreichs abgelehnt. Nach Beschluss der 27 europäischen Staats- und Regierungschefs wurde als Voraussetzung für die Gewährung von Hilfen des ESM an die Banken die Einrichtung einer starken zentralen Aufsicht über die Banken der EURO-Länder festgelegt, die aufgrund der Komplexität der Aufgabe frühestens Ende 2013 erreicht werden könnte71.

      Nicht einmal zwei Monate später sah die politische Einschätzung in Berlin ganz anders aus. Bereits Mitte Dezember 2012 sollten gemäß Zustimmung seitens der EU-Kommission und nach Genehmigung des Hilfsantrags Spaniens durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mehreren spanischen Banken 40 Milliarden EURO an Finanzhilfen aus dem ESM-Rettungsfonds überwiesen werden72.

      Wie wir mittlerweile wissen, sind inzwischen 42 Milliarden EURO aus dem ESM-Rettungsfonds an spanische Banken ausgezahlt worden, um die Überschuldung der verstaatlichten Banken in Spanien auf Kosten der europäischen Steuerzahler zu verringern73. Aufgrund der Gewährung von Finanzhilfen an die spanischen Banken in dieser absurd hohen Größenordnung von 41 Milliarden EURO sinkt das Ausleihevolumen des ESM, der sich über die Finanzmärkte refinanziert, um den dreifachen Betrag, also um etwa 120 Milliarden EURO, wenn