Achim Grauer

Occupys Soldaten


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Widerspruch zu ihren feinen Gesichtszügen, verliehen ihr aber eine exotisch-individuelle Note. Heidi würde jubeln bei soviel Charisma und hätte todsicher ein Bild für sie.

      Faszinierend, dachte Jack, hob unwillkürlich die linke Augenbraue und knetete dabei sanft sein rechtes Ohrläppchen.

       Wie Sie wohl in ihren eigenen Klamotten aussah?

      Jack schüttelte kaum merklich den Kopf. Dieser Gedanken war so überflüssig wie fehl am Platz. Es wäre weitaus besser, sich endlich einen Schlachtplan zu Recht zu legen, wie er das Gespräch mit der Unbekannten eröffnen sollte. – Was durfte, was konnte, was musste er fragen? Und vor allem wie?

      Als könne er Gedanken lesen beantworte Rodgaus Jacks Fragen.

      „Spielen Sie nicht Columbo, Kosinski. Lassen Sie unsere Unbekannte reden. Schließlich war es ja ihre Idee mit Ihnen zu sprechen. – Betrachten Sie es als ein Gespräch unter alten Bekannten.“ Rodgaus nickte auffordernd in Richtung Tür.

      „ Showtime, Jack.“

      Jack setzte sich automatisch in Bewegung. Er fühlte sich trotz Rodgaus Worte nur unwesentlich besser. In wenigen Sekunden würde er dieser sonderbaren Fremden gegenüber stehen und wahlweise zum Beichtvater oder Judas werden.

      Als er eintrat, traf ihn die Spannung im Raum, als hätte er einen Weidezaun angefasst.

       Wow, wow, wow. – Was war denn hier los.

      Jack hatte schon oft in seinem Leben Menschen in Todesangst erlebt und kannte den speziellen Geruch, den sie verströmten. Aber eine solche Intensität hatte er noch nie erlebt. Vorsichtig wagte er einen Blick über den Spiegel. Ein kurzes Erkennen huschte über ihr cremiges Puppengesicht, sonst zeigte sie keinerlei Reaktion.

       Na das fängt ja schon gut an.

      Jack war gerade dabei die Tür hinter sich zu schließen, als er ihre Stimme hörte.

      „Ich möchte spazieren gehen. Jetzt.“ Sie sprach leise. Ihre weiche Stimme klang rau und vibrierte vor Anspannung.

       Was war nur mit ihr passiert?

      Jack fragte sich, ob es Rodgaus Schergen etwa schon mit einer ganz und gar illegalen, dafür wesentlich effektiveren Befrageform versucht hatten? Jack schaute herausfordernd in jene Ecke des Spiegels, hinter der er Rodgaus vermutete. Nichts geschah. Rodgaus war wohl von ihrer Forderung ebenso überrumpelt wie Jack.

      Gerade als er zu einer Antwort ansetzen wollte, erwachte die Gegensprechanlage mit einem vernehmbaren Knacken zum Leben und Rodgaus dünne Primanerstimme erfüllte den Raum.

      „Wo?“ Nur dieses eine Wort.

      Jack war völlig perplex. Er hatte nicht erwartet, dass Rodgaus auf sie eingehen würde.

      „Hauptfriedhof.“, hauchte die schöne Unbekannte. Ihre Stimme bebte.

       Was für ein krankes Spielchen zogen die hier ab?

      Jack war ratlos, aber insgeheim sehr froh, dass sich der Anfang des Verhörs noch ein bisschen hinauszog.

      Als sie zu dritt über den frischgebohnerten Flur gingen, konnte er ihren Atem hören. Sie drohte beinahe zu hyperventilieren.

      Also wenn das so weiter ging, konnten sie gleich auf die Intensivstation abbiegen.

      Jack hatte keine Lust, seinen Schützling zwischen irgendwelchen Grabsteinen wiederzubeleben. Schweigend fuhren sie mit dem Aufzug in die Tiefgarage des Präsidiums. Dort erwartete sie bereits ein Viererteam. Die Beamten des SEK standen an den geöffneten Türen des schwarzen 7-sitzigen SUVs. Eine Neonröhre flackerte und verwandelte das Bild in ein hollywoodtaugliches Ambiente. Wenn jetzt Keanu Reeves in seinem Ledermantel um die nächste Ecke stolziert wäre, hätte sich Jack kaum gewundert. Diese Mr. Smiths erfüllten aber auch zu perfekt das Klischee vom unauffällig-auffälligen Agenten.

      Was Jack jedoch mit einer gewissen Erleichterung feststellen konnte, war, dass sich seine Schutzbefohlene langsam zu beruhigen schien.

      Die Fahrt dauerte keine zwei Minuten. Jack beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Sie blickte starr geradeaus, ihre Atmung war wieder völlig normal. Mit jedem Meter, den sie sich vom Präsidium entfernten, wich die Anspannung wie ein böser Spuk und ihr Selbstbewusstsein nahm spürbar wieder zu.

       Was hatte ihr im Präsidium so sehr zugesetzt?

      Die Stille im luxuriös dahingleitenden SUV wich einer wuseligen Geschäftigkeit, als sie vor dem ehrwürdig klassizistischen Eingang des Frankfurter Hauptfriedhofs, dem Alten Portal ausstiegen.

      Ohne ein weiteres Wort bildeten die 4 SEKler nun zusammen mit Rodgaus, Jack und ihr eine perfekte 3er Rotte. Jack hätte nicht sagen können, ob und wie die Männer sich untereinander verständigt hatten, als sie sich absolut synchron mit ihnen in Bewegung setzten und nach ein paar Metern unbehelligt den Friedhof betraten.

      Gerade als sie in dieser eigentümlichen Formation auf den kleinen freien Platz hinter dem Portal hinausmarschierten, brach Rodgaus Stimme das anhaltende Schweigen. Er wandte sich direkt an sie.

      „Sie haben eine Stunde. Machen Sie keine Mätzchen. Meine Männer werden Sie im Auge behalten.“ Und da die Angesprochene keinerlei Reaktion zeigte, fügte Rodgaus noch an:

      „Sollten Sie dennoch versuchen zu fliehen, sich zu verstecken oder Herrn Kosinski in irgendeiner Weise bedrohen, so können Sie sicher sein, dass meine Jungs dies als willkommene Einladung zu einer Runde „maximal invasives Krisenmanagement“ auffassen werden.“

      Ohne eine Antwort abzuwarten und mit einem unmerklichen Kopfnicken zu den wartenden Männer schlenderte Rodgaus in Richtung des Grabes von Johannes von Miquel davon, der 1890 Finanzminister und Erfinder unseres Steuersystems war. Sekunden später war von den Sicherheitsbeamten keiner mehr zu sehen. Sie waren allein.

      Unschlüssig und auch ein wenig verunsichert standen sie beide reglos nebeneinander. Jack sog nervös die frische, angenehm kühle Friedhofsluft in sich ein. Er konnte die warmen Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht spüren und fragte sich gerade, ob es für seine Begleiterin nicht besser wäre, einen Schattenplatz aufzusuchen, als die sich einfach in Bewegung setzte und den Weg rechter Hand entlang der alten Friedhofsmauer einschlug. Jack schüttelte leicht gereizt den Kopf. Dafür, dass sie eben noch ein Häuflein Elend gewesen war, konnte sie jetzt schon wieder wunderbar unnahbar und arrogant den Ton oder besser die Marschrichtung angeben.

      Er seufzte leise und setzte sich ebenfalls in Bewegung. Als er zu ihr aufgeschlossen hatte, brach er das anhaltende Schweigen, eine Spur unfreundlicher als er es eigentlich beabsichtigt hatte.

      „Ich bin Jack, Jack Kosinski.“

      Schnell schob er nach:

      „Es freut mich, dass Sie die Geschichte so gut überstanden haben.“

      Er stockte.

      „Ich meine, die kurzen Haare stehen Ihnen wirklich gut.“

      Was redete er nur für einen Stuss.

      „Bei der Hitze hätte ich gedacht, dass Sie schlimme Verbrennungen davontragen würden. Es grenzt beinahe an ein Wunder...“

      „Ein Feuerwehrmann der an Wunder glaubt?!“, unterbrach sie ihn leise. Und Jack, der Mühe hatte sie zu verstehen, war sich nicht sicher, ob ihre Stimme dabei spöttisch oder erstaunt geklungen hatte.

      „Ich stand exakt unter der wahrscheinlich einzig funktionierenden Sprinklerdüse. Ich glaube ich wäre eher ertrunken als verbrannt, soviel Wasser hat dieses Teil über mir ausgespuckt.“

      Sie hielt einen Moment inne.

      „Außerdem reagiere ich auf Stresssituationen sehr speziell. Meine Körperfunktionen reduzieren sich drastisch. – Deshalb habe ich auch keine Rauchvergiftung und nur Verbrennungen ersten und zweiten Grades.“

      Sie blieb plötzlich stehen und