Jonah Zorn

Menschlich


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noch wahnsinnig.“ Lauren schnaubte verächtlich, worauf ihre ‚Schwester’ nur lauthals begann zu lachen. „Sprich dich aus, Kind.“

      „Du weißt doch nichts.“

      „Nö, wie auch.“

      „Wenn du so weitermachst werde ich nichts mehr sagen.“

      „Sollen wir wieder von vorne anfangen?“

      „Selber schuld!“

      „Um Himmels Willen, so stur kannst nicht einmal du sein. Ich sollte dich zum Teufel schicken.“

      „Wenn du das sagst, bedeutet mir das sogar etwas.“

      „Gottloses Kind!“

      „Oh, habe ich jetzt deinen Glauben beleidigt? Tut mir wirklich leid.“ Ruby stammte aus einer streng katholischen Familie. Jedes der Cavillo Kinder musste früher zu jeglichen Anlässen, Feiertagen und natürlich jeden Sonntag in die Kirche. Tischgebete sowie das abendliche Gebet am Bett waren Pflicht. Keine Frage, dass alle die Kommunion bestanden haben und die darauf folgende Firmung durchlaufen hatten. Niemand durfte fluchen und als die Geschwister noch zuhause gewohnt hatten, hatte ihre Mutter sie gezwungen die Bibel zu lesen. Und heutzutage terrorisierte sie ihre Sprösslinge noch damit immerzu an ihre katholischen Wurzeln zu denken und ja ihren Schöpfer zu huldigen, denn er schützte sie in jeder Situation. Ruby höchst persönlich bekam noch immer den ‚Rat’ – eher das Gebot – endlich einen ebenso katholisch erzogenen Spanier zu finden, mit dem sie dann eine riesengroße, prächtige, kirchliche Hochzeit haben würde.

      Sie hatte sich mit Vollendung ihrer Volljährigkeit geschworen ihrer Mutter diesen Wunsch niemals zu erfüllen. Vielmehr würde sie alles daransetzen mit ihrem selbst ausgesuchten Mann durchzubrennen und irgendwo zu wohnen, wo ihre Mutter sie nicht wieder finden würde.

      Trotzdem der Glaube an Gott und ihre Religion, auch wenn er ihr manchmal auf eine harte Weise eingebläut wurde, war ihr sehr wichtig und diesen zu schänden war eine Sünde.

      Auf der Stelle spürte sie wie der anfängliche Spaß dieser Lage verflog und der Ärger in ihr aufflammte. So schnell konnte sich der Sieg in eine Niederlage verändern. Lauren sollte es besser nicht zu weit treiben und das riet sie ihr auch sogleich.

      „Du denkst immer noch ich hätte Angst vor dir und du könntest die Rolle meiner Mutter übernehmen? Nicht nur, dass das völlig lächerlich ist, selbst wenn du meine Mutter wärest würde ich dich nicht ernst nehmen.“

      „Ach wirklich?“

      „Ja du hast schon richtig gehört.“

      „Was machst du dann hier, Lauren? Sag es mir!“ Rubys Stimme war lauter geworden und nachdem sie den Motor wie wild gestartet hatte, umklammerte sie das Lenkrad so stark, dass ihre Fingerknöchel hervortraten. Damit hatte das Mädchen nicht gerechnet und sie verlor ihre Aufmüpfigkeit in kleinen Schritten. „Weil…du weißt doch…“

      Ruby ließ sie erst gar nicht aussprechen. „Ich kann dir sagen warum ich bei dieser Scheiße mitmache! Weil meine Mutter mich ohne mich zu fragen hier angemeldet hat. Deswegen bin ich hier und sonst wegen nichts. Und jetzt raus hier.“

      Starr blickte Lauren ihre völlig aufgebrachte ‚Schwester’ an und kämpfte bitter einen Kloß in ihrem Hals nieder. „Aber…“

      „Nichts aber, Lauren. Ich will dich nicht mehr sehen. Es reicht mir.“ Hart rückte sie den Rückwärtsgang ein, wobei sie mehr als energisch mit dem Finger nach draußen deutete. Dabei bemerkte sie, wie sehr ihr Schützling mit den Tränen kämpfte. Auf Anhieb entspannte sie sich und meinte in einem ruhigeren Tonfall. „Ich kann ja verstehen wenn es im Moment schwer ist und, dass du es überhaupt nicht einfach hast, aber du kannst das alles nicht für selbstverständlich halten. Wenn ich dir helfen soll, dann musst du dir auch helfen lassen.“ Sie wollte versöhnlich Laurens Arm berühren, aber diese hatte den Kampf gegen die Tränen aufgegeben und wehrte sie ab. „Ich sehe auch ein, dass ich das nicht perfekt mache, aber ich gebe mir zumindest Mühe. Und das erwarte ich von dir auch.“ Ob Lauren jene Worte überhaupt mitbekommen hatte war fraglich, denn unverhofft riss sie die Beifahrertür auf, ließ sie sperrangelweit auf und lief davon.

      „Verdammter Mist!“ Ruby fühlte sich auf der Stelle verantwortlich und schlecht und vollkommen dämlich, blind, naiv, absolut egoistisch, worauf sie hastig das Fenster herunterkurbelte und Lauren hinterher rief. Doch statt, dass das davon stampfende Mädchen stehen blieb, lief sie beinahe Kommissar Jonas Drewes, der urplötzlich aufgetaucht war, in die Arme. Wunderbar, dachte sich Ruby und machte sich daran auszusteigen, er würde sie schon aufhalten. Allerdings löste der Besuch des Kommissars die genau gegensätzliche Reaktion bei dem Mädchen aus. Bevor Ruby auch gar aus ihrem Wagen gekommen war, rannte Lauren in Windeseile über den Parkplatz, bloß weg von allen. Sowohl Ruby als auch Kommissar Drewes konnten dem Mädchen nur baff hinter her schauen. Und als der Polizist sich dann noch zu ihr umdrehte, auf sie zukam, da schwebte Ruby keine angenehme Kommunikation vor.

      Kapitel 19

      Ihr Herz pochte wie wild, als Kommissar Jonas Drewes mit festen Schritten direkt auf sie zukam. Gott, was war los mit ihr? Sie konnte perfekt lügen ohne mit der Wimper zu zucken, weswegen pochte ihr Herz so stark, dass es sogar noch auf hundert Metern zu hören war. Nicht du bist weggerannt, sondern Lauren, sagte sie sich selber, doch ihre innere Stimme holte sie sofort auf den Boden der Tatsachen zurück; sie war im Grunde für dieses Kind verantwortlich.

      Auf den letzten drei Metern zu ihr legte Jonas ein Lächeln auf, das so makellos war, wie noch kein anderes, das sie je gesehen hatte. Er musste aus einer wohlhabenden Familie stammen, denn seine Zähne waren tadellos gerichtet worden und den Anstand sie zu pflegen besaß er auch. Verdammt er wirkte allein durch dieses raue Grinsen anziehend auf sie.

      Deswegen das Herzrasen! Ruby reiß dich bloß zusammen, das ist doch utopisch!

      „Frau Cavillo, haben Sie das gerade eben gesehen?“ Fragte er auf der Stelle, wobei er seine großen Hände hinter seinem Rücken verschränkte und so seine Waffe unübersehbar für sie wurde. Eilig versuchte sie ein sicheres Lächeln aufzulegen, es war jedoch eher ein schiefes, unsicheres Grinsen. „Ja leider.“

      „Das war Lauren Winkler, Ihr ‚Schützling’, nicht wahr?“

      „Das stimmt, ja.“

      „Warum war sie so aufgebracht?“

      Kurzerhand entschloss sie sich, dass Lügen hier unangebracht war. Es war nicht so dramatisch, als dass weder Lauren noch sie Ärger bekommen würden. Dachte sie zumindest.

      „Ein kleiner Streit, nicht mehr.“

      „Ein kleiner Streit, ach so. Sie sah nämlich gewaltig aufgelöst auf, hat geweint und ist ganz überstürzt vor mir weggerannt. Worum ging es denn?“

      „Sie kennen das doch bestimmt, diese banalen Dinge, die sich dann zu etwas Schlimmeren hochschaukeln. Zum Beispiel wenn Beleidigungen dazu kommen.“

      „Hört sich ja nicht nett an. Sie scheinen aber besser mit Beleidigungen umgehen zu können.“

      „Was wollen Sie damit sagen?“

      „Weder weinen Sie noch rennen Sie vor mir davon. Sagen Sie mir, wieso.“

      Ihr schiefes Grinsen war in der Zwischenzeit sowieso bereits ansatzweise verflogen, jetzt verschwanden noch die restlichen Überreste davon.

      „Machen Sie mir ruhig so viele Vorwürfe wie Sie wollen. Dieses Mädchen hat es faustdick hinter den Ohren.“

      „Ich mache Ihnen doch keine Vorwürfe, niemals würde ich mich in derlei Angelegenheiten einmischen.“ Ruby verzog darauf nur die Lippen und versuchte das Thema zu wechseln. „Was machen Sie hier?“

      Verdutzt blickte er sie an. „Bin ich nicht eigentlich der, der die Fragen stellt?“ Dieses Mal zuckte sie nur mit den Schultern. „In Ordnung, Sie haben mich überzeugt.“ Wieder blitzten seine Zähne auf, als ob ihn diese Unterhaltung ziemlich amüsierte.