Herman Old

Der Mann, der den Teufel zweimal traf


Скачать книгу

Das verstanden die fünf Jäger. Der Anführer der Umes sagte: „Umes“, und zeigte auf alle anderen: „Umes, wir sind von den Umes.“ Jetzt kannten sie schon mal gegenseitig die Namen des Volkes von denen jeder stammte. Einer der drei Korobo hockte sich an einer sandigen Stelle auf den Boden reinigte ihn von allen Steinen und Gräsern auf ungefähr einem Quadratmeter. Dann fing er an mit einem Stock zu zeichnen. Er malte den Verlauf eines Flusses, dann an verschiedenen Stellen machte er das Zeichen eines Fisches mit Zähnen. Dann wiederum malte er Stellen mit Jaguaren, Schlangen, Papageien und Kaimanen. Er zeichnete eine Weile ganz ruhig und murmelte in seiner fremden Sprache vor sich hin. Plötzlich malte er ein kleines Dorf mit Hütten Frauen und Kindern, Boote am Fluss. Daneben etwas was aussah wie ein großer Haufen und davor ein Feuer. Dann zeigte er an den Himmel, und sprach dabei. Er zeigte den Verlauf der Sonne an und machte zwei Striche in den Sand. Es dauerte eine Weile bevor bei den Jägern die Erkenntnis eintrat, dass das Dorf der drei Männer zwei Tagesreisen entfernt war. Der Maler zeigte zum Rand des Flusses, wo das Unheil gerade noch abgewendet werden konnte und dann flussaufwärts. Ihr Dorf war also flussaufwärts in zwei Tagen zu erreichen. Einer der Jäger deutete auf den schlafenden Jungen und schüttelte den Kopf. Die Männer nickten alle. Sie würden allesamt eine Weile hierbleiben müssen. Einer der Jäger, die vorhin die Bewacher waren, fragte etwas in Richtung des Anführers der Korobos. Er zeigte dabei auf die Klinge, die im Futteral neben dem Fremden lag. Der Fremde verstand, und reichte dem Mann das Futteral. Dieser nahm es ganz vorsichtig, und zog am Griff das Messer heraus. Es hatte eine Länge wie ein Bein vom Knie zur Fußsohle. Als er es ganz herausgezogen hatte, schaute er es sich von allen Seiten an, prüfte kennerisch das unbedeutende Gewicht. Vor der scharfen Seite hatte er besondere Ehrfurcht. Er hatte ja gesehen, wie scharf sie tatsächlich war. Er fuchtelte ein paarmal vorsichtig damit herum, und ging dann zu einem jungen, armdicken Baum, der am Rande des Waldes stand. Dort führte er mit der Klinge einen starken Schlag gegen den Stamm aus, und die Klinge drang so tief ein, dass sie im Baum stecken blieb. Er zerrte an der Klinge, zerrte nochmal, und als die Klinge sich löste, schnitt sie ihm leicht über die linke Hand. Schreiend ließ er das Buschmesser fallen. Die anderen Jäger und auch die Fremden lachten. Fluchend hob er das Messer vorsichtig auf, und probierte es noch einmal. Der andere der Korobos ging zu ihm, zog sein eigenes Buschmesser und zeigte dem Jäger der Umes wie er und wo zu schlagen hatte. Schräg von oben nach unten tiefer am Baum. Der Jäger schlug zu, die Klinge glitt heraus. Er schlug nochmal zu, und ein großer Span löste sich. Die Umes staunten. Nach weiteren zehn Schlägen fiel der Baum um. Die Jäger waren sichtlich beeindruckt. Nun nahm jeder Jäger der Reihe nach das Messer in die Hand, um es zu begutachten. Dabei schnatterten sie wild durcheinander. Sie bogen die Klinge, ließen sie wieder zurück federn, und kamen aus dem Staunen kaum noch heraus. Alles was sie selbst an scharfen Gegenständen besaßen, waren Knochenmesser, die sie an Steinen schärften. Die waren zwar ziemlich scharf, aber eben nichts im Vergleich zu diesen Klingen. Einen Baum konnte man damit nicht fällen, auch nicht mit Knochenäxten. Dazu nahmen die Jäger in der Regel Steinäxte. Aber mit solch leichten, stabilen Klingen könnte man sich viele Dinge des täglichen Lebens auf einen Schlag unvorstellbar erleichtern. Derweil begutachteten die Korobos die Bögen und Pfeile der Jäger. Ein Jäger deutete ihnen sich einen Bogen zu nehmen und damit zu schießen. Er gab ihm ein paar ungiftige Pfeile, die noch nicht zur Jagd vorbereitet waren, und ging zu einem Busch mit großen Farnblättern. Er riss ein sehr großes Blatt ab, befestigte es an einem Baum in Gesichtshöhe. Dann kam er zurück und deutete dem Fremden auf das Blatt zu schießen. Dieser hob den kurzen Bogen, legte einen der extrem kurzen Pfeile auf die Sehne und spannte den Bogen. Er zielte über den Pfeil und schoss. Der Pfeil blieb knapp über dem Blatt im Baum stecken. Der Fremde staunte. Solch einen kurzen aber starken Bogen hatten er und seine Leute noch nie gesehen. Mit einer unglaublichen Schnellkraft hatte der Bogen den Pfeil kräftiger und damit schneller fliegen lassen. Sein eigener Bogen war länger und schwerer, und längst nicht so elastisch wie dieser Kurzbogen. Er legte den nächsten Pfeil auf die Sehne und schoss, diesmal zielte er tiefer und der Pfeil saß. Die Flugbahn des Pfeiles war auf diese Distanz fast als komplett horizontal zu beschreiben. Unglaublich. Der Umes deutete auf einen großen Vogel, der auf einem weit ausliegenden Ast zu landen begann. Sogleich hatte der Korobo einen neuen Pfeil auf der Sehne, zielte nach oben und schoss den Pfeil dem Vogel durch das Gefieder. Vogel und Pfeil flogen weiter. Wieder staunten die Korobos, wie präzise diese Bögen die Pfeile verschossen. In der Zwischenzeit war der verletzte Junge erwacht und hatte leise nach seinen Leuten gerufen. Einer der Korobos hockte sich neben ihn und fütterte ihn gleich darauf mit der Suppe. Der Junge trank in kurzen Schlucken, bis er genug hatte. Erschöpft legte er sich wieder hin und sprach mit seinem Stammesbruder. Er konnte es kaum glauben, dass sie mit fünf Fremden friedlich in einem Lager vereint waren. Als er wenig später besser bei Kräften war und sich etwas aufgerichtet hatte, schaute er den Jägern der Umes schüchtern beim Hantieren mit der Machete zu. Auf einmal schrie der Junge kurz auf. Der Anführer der Korobos schaute schnell zu den Jägern, zog seine Machete, sprang in deren Richtung und schlug zum Hals eines der ehemaligen Bewacher. Die Klinge fuhr knapp neben dem Mann in einen Baum. Die Umes sprangen alle erschrocken schreiend zurück und griffen nach den Waffen. Der Korobo ließ sein Buschmesser fallen um zu zeigen, dass er unbewaffnet war, und zeigte auf die Stelle wo er hingeschlagen hatte. Neben dem Messer lag der abgeschlagene Kopf einer großen grünen Schlange. Den Rachen weit aufgerissen und die Zähne zum Biss freigelegt. Der Rest der Giftschlange hing noch an dem Ast mit satten, grünen Blättern, von dem aus sie den Umes gerade hatte beißen wollen. Es dauerte eine Weile bis die Jäger der Umes sich beruhigt hatten. Erst als sie ganz sicher waren, dass das keine Attacke des Korobo gegen sie war, ließen sie ihre Bögen sinken. Erschaudernd sahen sie sich den Kopf der Schlange genauer an. Die Grüngelbe Palmlanzenotter war für jeden Menschen ein tödlicher Gegner. Ein einziger Biss genügte, um in wenigen Minuten elend zu sterben. Jedes Gegengift, wenn man es nicht sofort dabei hatte, war dann wirkungslos. Viele Menschen, die nicht sonderlich beim Begehen des Regenwaldes achtgaben, starben an ihrem Gift. Der Jäger, der neben der Schlange gestanden hatte wusste, dass er sein Leben nun dem vorhin geretteten Jungen verdankte. Die Jäger legten sich bei Einbruch der Dunkelheit zur Ruhe und einer der Jäger der Umes übernahm ungefragt die erste Wache. Die Nacht war ruhig, wenn man im Dschungel von Ruhe sprechen kann. Brüllaffen sorgten für ohrenbetäubenden Lärm. Andere Affen sausten durch die Baumkronen, Papageien zeterten in den Ästen und manchmal hörte man den Todesschrei irgendeiner bedauernswerten Kreatur. Aber das waren die natürlichen Geräusche des nächtlichen Regenwaldes und die Männer waren alle daran gewöhnt. Am nächsten Morgen gingen zwei der Umes über leichtere Abstiege runter an das Wasser des Flusses. Dort nahm einer von ihnen einen flachen, handgroßen Stein und legte einige der schimmernden Kugeln darauf. Dann pflückte er ein paar große grüne Blätter, die am Wasser wuchsen und wickelte die Kugeln und den Stein ein. Zum Schluss knotete er noch eine dünne Schnur aus Leder darum. Als alles schön verpackt war, nahm er eine spitze Palmwedel Nadel aus seinem Beutel und stach einige Male in das grüne Paket. Dann warf er es ungefähr fünf Meter weit an der Leine ins Wasser und ließ es sinken. Als das Paket den Grund erreicht hatte, zog er es an der Leine zwei Meter zurück. Es dauerte vielleicht fünf Minuten, als plötzlich ein paar große Fische an die Wasseroberfläche kamen und verzweifelt mit den Mäulern schnappten. Natürlich wollten sie keine frische Luft, sondern ihr Sauerstoffgemisch im Wasser haben. Aber in ihrem Todeskampf sah es so aus, als schnappten sie gierig nach Luft. Die beiden Jäger stachen nun mit ihren Speeren nach den Fischen und hatten in kurzer Zeit genug für ein Mahl mit den anderen Indios beisammen. Das versinkende Paket hatte die neugierigen Fische angelockt, einer der austretenden Wirkstoffe, welche in den Kugeln enthalten war, paralysierte die eifrigsten unter ihnen und der nun unkontrollierte Auftrieb ihrer Schwimmblase hatte sie nach oben, direkt vor die Speere der wartenden Indios transportiert. Für die war das eine runde Sache. Das Paket wurde hinterher aus dem Wasser gezogen und ohne die Schnur weit weg in die Büsche geworfen. Die mysteriösen Kugeln der Umes spielten also auch in solchen Situationen eine Rolle. Am Morgen des vierten Tages stand der Junge auf einmal nach dem Essen von ganz alleine auf. Die Korobos stießen überaus erstaunte Rufe aus. Ungläubig sahen sie ihn an. Auf seinen Wunsch hin nahmen sie dem Jungen die Schiene vom Bein vorsichtig ab, und sahen, der Bruch war komplett verheilt. In absolut unglaublichen, nicht ganz vier Tagen. Die Korobos fingen an zu ahnen, welche Zauberkraft in diesen glitzernden, bläulich-gelben Kugeln steckte. Sie beratschlagten untereinander, ob man nicht ein Tauschgeschäft machen könne. Macheten, wie die Korobos