Arnulf Meyer-Piening

Doppel-Infarkt


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die Informationen wesentlich ausführlicher. Das Problem ist, dass meine Firma in den letzten Jahren sehr stark gewachsen ist, und ich das Gefühl habe, dass mir das Geschäft aus den Händen gleitet. Vielleicht ist aber das ganze Geschäft viel zu sehr auf mich zugeschnitten, vielleicht müsste ich viel mehr delegieren.“

       Pauli lehnte sich in seinem Sessel zurück und blickte durch seine Hornbrille unruhig auf seinem Schreibtisch hin und her, als suche er ein bestimmtes Schriftstück. „Ich möchte Ihnen zunächst die Struktur meiner Firma erklären: Wir sind seit etwa fünf Jahren in eine Konzern-Holding und vier operative Gesellschaften aufgeteilt.“

       Pauli griff einen Ordner aus dem Schrank hinter dem Schreibtisch und nahm ein Blatt Papier heraus auf welchem die Organisationsstruktur gezeichnet war: Wir sind seit etwa fünf Jahren in eine Konzernholding und vier operative Geschäftsbereiche aufgeteilt.“

       Jede operative Gesellschaft hat eine ergebnisverantwortliche Geschäftsführung mit zwei Geschäftsführern. Sie finden ihre Namen in den Rechtecken jeweils unter dem Strich. Wir verfolgen das ‘Vier-Augen-Prinzip‘ aber jeweils einer der Geschäftsführer ist der Sprecher und vertritt die Gesellschaft nach außen. Wie ich Ihnen neulich schon andeutete, leitet mein Bruder Fritz die größte Gesellschaft, die Pauli Steuerungstechnik GmbH, die Steuerungstechnik für Maschinen und Anlagen herstellt und vertreibt. Der zweite Geschäftsführer ist Herr Ceponek, er ist gleichzeitig für Personal und die Finanzen der Holding verantwortlich. Bei ihm laufen die ganzen Fäden des Konzernrechnungswesens zusammen. Die zweitgrößte Gesellschaft, die Verkehrstechnik GmbH, macht verkehrstechnische Anlagen unter anderem für die Straßen- und Brückenüberwachung. Sie wird von Herrn Dr. Oderbruch und Herrn Dr. Winter geleitet.“

       Pauli machte eine Pause, gleichsam als wollte er fragen, ist es soweit klar? Beyer nickte kaum merklich und vertiefte sich in das Organigramm. Er fragte sich, warum einige Namen in verschiedenen Funktionsbereichen auftauchten, immerhin eine ungewöhnliche Art der Kompetenzverteilung, aber er sparte die Frage für später auf.

       „Dann gibt es noch zwei weitgehend selbständige Beteiligungsgesellschaften“, fuhr Pauli mit seiner Erklärung fort, „von denen die eine elektronische Komponenten für die Funkmesstechnik herstellt, und die andere macht militärische Informationssysteme für die Gefechtsfelddarstellung und -simulation. Diese Gesellschaften sind eher als Finanzbeteiligungen zu betrachten, während das Kerngeschäft in den beiden ersten Gesellschaften erwirtschaftet wird. Aus diesen ersten beiden Gesellschaften ist die Firma vor etwa 30 Jahren entstanden, die anderen kamen viel später hinzu. Wenn Sie Fragen haben, unterbrechen Sie mich, sonst werde ich einfach mit der Erklärung unserer Struktur fortfahren.“

       „Bis jetzt ist alles soweit klar“ ergriff Beyer das Wort, „aber welche technologische Verbindung besteht zwischen diesen beiden Firmen, die ja wohl von Anfang an bestanden haben?“

       „Gut, dass Sie danach fragen. Die gemeinsame Basis ist und war die Nutzung von Dehnmessstreifen, mit deren Hilfe man Kräfte messen kann.“

       „Man misst die Veränderung des elektrischen Widerstands bei kleinsten Veränderungen des auf einen Träger geklebten Dehnmessstreifens“, ergänzte Beyer.

       „Ich merke, Sie kennen sich aus. Haben Sie ein technisches Studium absolviert?“

       „Nein, ich bin Betriebswirt, aber ich habe mich immer für Technik interessiert.“

       „In unserem Beruf ist es immer wichtig, dass man sowohl von der Technik als auch von den betriebswirtschaftlichen Fakten ausreichend Kenntnis hat“, bemerkte Pauli zustimmend und fuhr fort. „In den wichtigsten Ländern der westlichen Welt und in Südostasien gibt es selbständige Vertriebsgesellschaften, die für den Verkauf der gesamten Produktpalette des Konzerns verantwortlich sind. Hier gibt es naturgemäß Überschneidungen und auch Interessenkollisionen zwischen den einzelnen Gesellschaften. Die Koordination zwischen den Gesellschaften liegt in den Händen von meinem Kollegen Dr. Kramer und mir. Ich selbst habe mir die Vertretung der Gruppe nach außen vorbehalten und die Beziehungen zu den Gesellschaftern und Banken.“

       „Es ist mir aufgefallen, dass in den unterschiedlichen Gesellschaften oft die gleichen Namen als Geschäftsführer auftreten, wie ist das zu verstehen?“

       „Das kam man nur aus der Geschichte der Firma erklären, als wir noch eine kleine Firma waren, und nur wenige Mitarbeiter zählten, hatten wir auch nur wenige Führungskräfte. Dann sind wir gewachsen, aber die Zahl der geeigneten Führungskräfte wuchs nicht mit, ich konnte keine externen Geschäftsführer für die Aufgaben finden, da habe ich mich mit den vorhandenen beholfen.“

       „Wie groß ist Ihr Umsatz und wie viele Mitarbeiter haben Sie?“, fragte Beyer erstaunt.

       Pauli zögerte mit der Antwort bevor er sagte: „Wir machen etwa 120 Millionen und haben ca. 600 Mitarbeiter.“

       „Und wie viele Gesellschaften sind es insgesamt im In- und Ausland?“

       „Etwa 30.“

       „Dann haben Sie eine sehr große Führungs- und Kontrollspanne. Ich kann mir nun auch erklären, warum Sie nie Urlaub machen, oder immer nur ein paar Tage.“

       „Zu mehr reicht es nicht, ich habe in den letzten 25 Jahren noch nie mehr als eine Woche Urlaub an einem Stück gemacht.“

       „Sie sollten besser auf Ihre Gesundheit achten: ‚Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht‘, sagt meine Sekretärin immer zu mir.“

       Beyer war aufgefallen, dass Pauli von Zeit zu Zeit einen roten Kopf bekam, das deutete auf einen temporär erhöhten Blutdruck hin. Die Sache mit den Führungskräften ließ ihn keine Ruhe, deshalb erkundigte er sich noch einmal etwas eingehender: „Ich möchte noch mal auf Ihre Führungsorganisation zurückkommen, wenn Sie nur so wenige Führungskräfte haben, warum setzen Sie dann jeweils zwei für die Leitung einer Gesellschaft ein, einer reicht doch.“

       „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser.“

       Beyer wunderte sich: Offenbar waren die Herren langjährige Mitarbeiter, genossen aber doch nicht das uneingeschränkte Vertrauen, merkwürdig. Es klang zwar einleuchtend, war es aber doch wieder nicht. Er würde vielleicht später mal den wahren Grund erfahren.

       „Das Problem ist nun“, setzte Pauli fort, „dass wir weiterwachsen wollen und auch müssen. Ich glaube, dass wir unsere Märkte noch nicht richtig bearbeiten. Wir könnten in unseren angestammten Märkten viel mehr machen. Da ist noch eine ganze Reihe von kleinen Wettbewerbern, denen wir Marktanteile abnehmen könnten.“

       „Wie groß ist denn Ihr Marktanteil in den wichtigsten Produktgruppen?“ warf Beyer ein.

       „Das schwankt in den einzelnen Märkten und Produktbereichen. In Europa haben wir etwa 40-50%, in den USA etwa 70%, und in Asien vielleicht 10-15%.“

       „Es wäre wichtig zu wissen, warum Sie in Europa einen viel niedrigeren Marktanteil haben als in den USA, und vor allem, was Sie machen müssten, um die Stärken und Schwächen Ihrer Produkte im Vergleich zum Wettbewerb festzustellen.“

       „Es wäre schon interessant, das mal objektiv festzustellen. Unsere Leute sagen immer, sie wüssten alles, aber wahrscheinlich wissen sie es nicht.“

       „Meine Herren, darf ich Sie zu Tisch bitten?“ Frau Pauli war hereingekommen und geleitete die Herren ins Esszimmer.

       Nach einer kleinen Vorspeise gab es einen Lachsauflauf mit Nudeln, Spinat und saurer Sahnesauce.

       „Köstlich,