Arnulf Meyer-Piening

Doppel-Infarkt


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Das Gespräch konzentrierte sich auf Südfrankreich, das Segeln, Fliegen und die Malerei. Zwischendurch streute Pauli ein paar kurze Bemerkungen über seine diversen Beiratstätigkeiten ein. Beyer kannte die meisten Firmen aus Beratungsprojekten und gab ergänzenden Kommentare. Man verstand sich gut. Später kamen noch die beiden Söhne Andreas und Michael dazu.

       Frau Pauli holte noch eine Käseplatte aus der Küche: Stilton, Taleggio, Blauschimmel, sowie Schafs- und Ziegenkäse.

       „Wie wäre es mit einem Glas Bordeaux oder Burgunder dazu oder wäre Ihnen ein trockener Weißwein lieber? Es ist schwer, den richtigen Wein zum Käse zu empfehlen, Käse ist nun mal ein Milchprodukt, und die unterschiedlichen Gärstoffe sind schwer miteinander in Einklang zu bringen.“

       Beyer wehrte lächelnd ab. „Nichts würde ich lieber trinken als ein Glas Rotwein, aber ich muss noch Fahren und es ist noch weit bis Stuttgart. Das nächste Mal vielleicht, vielen Dank.“

       Sie erhoben sich und gingen ins Büro zurück.

       „Also, wie glauben Sie, dass wir Ihnen bei Ihrer Problemlösung helfen können?“ setzte Beyer das Gespräch vor dem Essen fort.

       „Gute Frage, ich dachte, dass Sie eine kleine Studie machen könnten, in der Sie mir dann darlegen, was wir in der Organisation ändern sollen und ob die Strategie der Gruppe noch zeitgemäß ist. Auch hätte ich gerne gewusst, wo wir Kosten senken können, ich glaube, wir haben viel zu hohe Gemeinkosten, im Übrigen möchte ich von Ihnen eine Bewertung der Führungskräfte erhalten.“

       „Das ist ziemlich umfassend, wenn man alles richtigmachen will, braucht man ein größeres Team und genügend Zeit. Im Übrigen, eine Bewertung der Führungskräfte machen wir grundsätzlich nicht, dafür gibt es Spezialisten. In diesem Fall würde ich es schon deshalb ablehnen, weil das Thema in Ihre Familie hineinspielt.“

       „Das kann ich verstehen. Wie wollen Sie denn vorgehen?“

       „Ich denke, dass wir eine ´strategische Ressourcen-Analyse´ machen sollten.

       Beyer skizzierte die grundsätzliche Vorgehensweise einer ‘Strategischen Ressourcen-Analyse‘, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen: Bestandsaufnahme der Markt- und Wettbewerbsposition der wichtigsten Produktgruppen, Erhebung der Wertschöpfungskette, der Kosten- und Ertragsdaten, der Organisationsstruktur mit personeller Besetzung der Funktionsbereiche, Erarbeiten eines Grobkonzepts, Abstimmung mit dem Management, Detaillierung zum Feinkonzept mit Aufgaben- und Zeitplan, Abschluss-Präsentation.“

       „Das hört sich vernünftig an“, gab Dr. Pauli zu, „was wird das denn kosten und wieviel Zeit benötigen Sie dazu?“

       „Es kommt darauf an, wie wir uns mit Ihren Mitarbeitern in die Datenerhebung teilen können. Es ist in jedem Fall notwendig, dass wir ein integriertes Team bilden, gut wären drei bis vier weitgehend vollzeitige Mitarbeiter aus Ihrem Hause und zwei Berater von uns. Genau kann ich das erst sagen, wenn wir detailliertere Informationen über Ihr Unternehmen haben, aber erfahrungsgemäß muss man für die Erarbeitung des Grobkonzepts mit etwa drei Monaten rechnen. Das kostet so etwa vierhundert tausend Mark. Ich selbst würde ein bis zwei Tage pro Woche vor Ort tätig sein und das Projekt leiten.“

       Dr. Pauli war sichtlich erschrocken, er hatte mit viel weniger Zeit, Personaleinsatz und vor allem Geld gerechnet. „Eigentlich hatte ich an einen weitaus geringeren Betrag gedacht, auch können wir uns nicht so viel Zeit nehmen, und so ein großes Team können wir Ihnen nicht zur Verfügung stellen. Sie brauchen sicher gute Leute dafür, aber gerade die sind stark im Tagesgeschäft gebunden. Ich sehe ein, dass eine sorgfältige Studie viel Zeit kostet, aber die haben wir nicht. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen, Sie arbeiten wohl nur für Großunternehmen?“

       „Nein, nicht nur, aber Sie haben etwa 600 Mitarbeiter in Ihrer Gruppe bei einem pro Kopf Umsatz von etwa 200 tausend Mark. Das ist eine beachtliche Zahl von Mitarbeitern und es sollte doch möglich sein, ein paar gute Leute zu finden, die in unserem Team mitarbeiten. Außerdem ist das eine hervorragende Ausbildung für künftige Führungsaufgaben.“

       „Das ist sicher ein wichtiger Aspekt, trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, drei oder vier Mitarbeiter vollzeitlich für drei Monate freizustellen. Die benötigen wird dringend im Tagesgeschäft, die müssen Umsatz bringen.“

       Beyer sah sich an einem kritischen Punkt in der Verhandlung, um den Auftrag zu erhalten. Sollte er die Anforderungen senken oder bei seiner professionellen Überzeugung bleiben?

       Er entschied sich für das letztere: „Wenn man den Auftrag richtig durchführen will, benötigt man ausreichend Zeit, leider ist das auch mit erheblichen Kosten verbunden. Wenn wir die Arbeit machen sollen, dann machen wir sie richtig und nicht halb. Wir stehen dann auch für die Ergebnisse gerade. Ich möchte nicht meinen guten Namen verlieren.“

       „Das verlangt auch keiner von Ihnen, aber ein so großes Budget möchte ich jetzt nicht bereitstellen.“

       „Das kann ich verstehen, es ist ja auch viel Geld. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Vielleicht beginnen wir erst mit einem Produktbereich, dann lernen Sie uns und unsere Vorgehensweise besser kennen.“

       Pauli dachte nach. „Das wäre wahrscheinlich das Beste.“

       „Herr Dr. Pauli, ich glaube, Sie überlegen das Ganze noch mal in Ruhe und besprechen es mit ihrem Kollegen und vor allem mit Ihrem Bruder.“

       Es entstand eine kleine Gesprächspause, in der Pauli die ausgebreiteten Unterlagen wieder in den Schrank legte. „Wie denken Sie über die Umwandlung einer mittelständischen Firma wie unsere in eine Aktiengesellschaft?“

       „Dazu müsste ich viel mehr über die Firma wissen, beispielsweise über die Kapitalstruktur und die Ertragssituation“, meinte Beyer.

       „Es handelt sich hier um meine Firma. Gehen Sie von ordentlichen Gewinnen in den letzten Jahren aus, die Firma ist solide finanziert.“

       Pauli hatte das mit Festigkeit und Überzeugung gesagt, trotzdem hatte Beyer den kleinen Augenblick des Zögerns nicht übersehen, auch hatte Pauli wieder ganz plötzlich einen roten Kopf bekommen.

       „Auf der einen Seite der Waagschale haben Sie den Zugang zum Kapitalmarkt mit der Möglichkeit, sich zusätzliches Eigenkapital zu beschaffen, auf der anderen Seite verlieren Sie den unmittelbaren Einfluss auf Ihr Unternehmen. Dabei müssen Sie auch an die Zukunft Ihrer Söhne denken. Außerdem stellt die Publizitätspflicht erhebliche Anforderungen an das interne Rechnungswesen und ganz billig ist der Börsengang auch nicht. Es kommt also darauf an, was Sie in Zukunft mit Ihrer Firma machen wollen, aber insgesamt ist es natürlich ein sinnvoller Weg zur Kapitalbeschaffung, vor allem dann, wenn man sich so nach und nach aus dem Unternehmen zurückziehen will.“

       „Daran denke ich eigentlich nicht, jedenfalls jetzt noch nicht.“

       Sie erhoben sich und begaben sich zum Ausgang. Beyer verabschiedete sich von Pauli und fuhr nach Stuttgart zurück.

       Auf der Autobahn, die zu dieser nächtlichen Stunde verhältnismäßig leer war, ließ Beyer das Gespräch noch einmal an sich vorüberziehen: Was war eigentlich das Problem: Die Organisationsstruktur, die Strategie, die Kosten und Erträge oder der geplante Börsengang? Oder wollte er ihn nur näher kennenlernen. Hat Pauli etwas verbergen wollen? Einerseits war er offen, andererseits auch wieder merkwürdig verschlossen. Wenig einsichtig war auch seine Erklärung zu den Führungskräften: Offenbar war er misstrauisch auch seinem Bruder gegenüber, sonst hätte er jedem die alleinige Verantwortung für sein