Dorothée Linden

SCHULD-LOS


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er sie „und danach das Picasso-Museum besuchen. Es ist nicht weit von hier. Vielleicht wird es im Laufe des Tages noch etwas freundlicher, dass wir die Stadt dann zu Fuß erobern können.“

      „Einverstanden, Viktor.“

      Was war mit einem kleinen Oh? Frank grinste. Und er war hoch zufrieden. Sie hatte die CD dabei. Das war sonnenklar. Offenbar war sie immer noch ein wenig unglücklich über das Ganze. Auch wenn sie die Daten bei ihrer Arbeit offenbar hatte hinausschmuggeln können, schien es ihr Kummer zu bereiten, sie ihm dann tatsächlich herzugeben.

      Er hätte die CD vor wenigen Momenten haben können. Aber das hätte keinen Stil gehabt und nicht mal halb so viel Spaß bereitet. Er würde Katja für Paris begeistern, ihr schöne und besondere Orte zeigen, sie in die Brasserie „La Coupole“ ausführen und auf dem Pont Neuf in den Arm nehmen, bis selbst ein härteres Kaliber als die liebe Katja keinen Widerstand mehr haben würde, um ihm irgendeinen Wunsch auszuschlagen. Ganz aus freien Stücken.

      Frank fühlte sich prächtig. Nebenbei entwickelte sich bei diesem Ausflug nach Paris ja eine durchaus amüsante Seite, auch für ihn selbst. Sein Haus stand zwar nur zwei Autostunden von Paris entfernt hoch über dem Meer. Trotzdem fuhr er sehr selten in die Stadt und auch nur, wenn er Dringendes zu erledigen hatte. Und meistens kam er nicht weiter als bis zum Flughafen. So war das eben. Sobald einem die ganze Pracht zu Füßen lag, verlor sich der exotische Reiz ins Gewöhnliche.

      Es gefiel ihnen beiden sehr im Picasso-Museum.

      „Unter dem Eindruck schöner Exponate ist man schnell geneigt, was von dem Kram zu kaufen, zur Erinnerung“, sagte Frank, als sie sich am Ende im Museumsshop befanden und er an der Kasse die zwei Bleistifte mit der Aufschrift „Musée Picasso“ bezahlte. „Als wenn man die Eindrücke damit konservieren könnte. Dass die beschrifteten Stifte in dieser Tüte nun wirklich nichts mit der soeben bewunderten Kunst zu tun haben, merkt man erst, wenn es zu spät ist.“ Frank schüttelte den Kopf. Draußen schnappten sie nach Luft. Der Wind hatte noch zugelegt.

      „Oh, was für ein lausiger Winter!“, rief Katja aus und drückte sich noch enger an ihn. Frank war froh, dass sie wieder ganz oh-entspannt war. Sie kehrten in ein kleines Restaurant in der Nähe der Place des Vosges ein. Franks Brille beschlug so stark, dass er sie abnehmen musste. Es herrschte lebhafter Mittagsbetrieb. Sie wurden einem winzigen Tisch zugewiesen, der soeben frei wurde. Ansonsten war das Lokal proppenvoll. Kaum dass sie Platz genommen hatten, wurde eine neue Decke aus Stoff aufgelegt, in Windeseile eingedeckt und eine Karaffe Wasser auf den Tisch gestellt. Monsieur kam mit einer Schiefertafel und hielt sie ihnen vor. Er pries ihnen „Andouillettes et choucroute“ oder „foie de veau“ an.

      „Ich fahre doch nicht nach Paris für Wurst mit Sauerkraut“, empörte sich Katja. Sie entschied sich schließlich zu „Escargots à la bourgignonne, Schnecken in einer Kräutersauce, während Frank die angebotene Kalbsleber wählte. Vorweg nahmen sie beide eine Potage, eine kräftige Gemüsesuppe zum Wärmen. Ein einfacher klarer Landwein begleitete ihr Mahl, das sie abwechselnd lobten und mit einer wunderbaren crème brulée und einem café abrundeten. Frank fühlte sich pudelwohl. Katjas Gesellschaft war ihm angenehmer als erwartet. Weit ab Berlins kam sie ihm viel gelöster vor.

      In seinem Kopf arbeitete es an einem Umrangieren seiner Pläne. Er hatte eigentlich gar keine Lust, nach diesem Wochenende auf Katja verzichten zu müssen. Das müsste er natürlich tun, wenn er die CD von ihr bekäme, damit eine direkte Verbindung zwischen ihnen nicht zu offensichtlich war. Andererseits: Vielleicht würde er die CD gar nicht brauchen. Jedenfalls nicht lange. Das war’s. Er würde sehen. Entweder es klappte oder tschüs Katja.

      Er spendierte ihr noch einen Calva, den sie doppelt zu würdigen wusste:

      „Oh, willst Du mich betrunken machen“ und „oh, der ist aber verdammt mild und lecker.“

      Sie lachten. Frank zahlte, und sie verließen beschwingt das Lokal, das sich allmählich leerte. Frank führte sie durch die Arkaden der Place des Vosges. Dort war es etwas windgeschützter. Er erzählte von der Geschichte des Platzes und seiner Arkaden. Katja hatte sich wieder untergehakt und hörte ihm aufmerksam zu.

      Schließlich sagte er: „Weißt Du was? Wir sollten unser kleines Balkenparadies nutzen und uns ein wenig ausruhen. Wir sind ja noch lange nicht am Ende dieses Tages angelangt. Und es ist einfach zu garstig für einen Stadtspaziergang. Vielleicht wird es noch etwas milder. Sonst kommen wir einfach noch einmal hierher.“

      „Oh ja, das wäre wunderschön. Im Frühling oder im Frühsommer.“

      War ihm der Wein zu Kopf gestiegen? Wenn alles so klappte, wie er es sich soeben überlegt hatte, würde er vielleicht noch länger was von Katja haben können. Aber er musste ja nicht gleich mit Plänen für die Zukunft kommen.

      „Mal sehn“, sagte er. „Es muss ja auch zeitlich machbar bleiben.“ Wahrscheinlich würde er gleich zügig arbeiten müssen. Sie war eine Frau. Also würde sie ja wohl im Bad verschwinden und sich frisch machen wollen. Nach dem Vormittag mit Anreise aus Berlin und dem ganzen Programm und außerdem ganz einfach, weil das nun mal dazugehörte.

      „Ich spring mal grad unter die Dusche“, sagte sie tatsächlich, als sie wieder in ihrer Suite waren und verschwand angezogen im Bad nebenan.

      Frank schaltete seinen Laptop noch in der Reisetasche ein; der hängte sich glücklicherweise auch nicht gleich auf. Katja kam wieder aus dem Bad heraus, schon etwas leichter bekleidet. Sie griff in ihren Trolley und entnahm ihm ihr Necessaire.

      „Bis gleich“, sagte sie und schloss die Tür vom Bad wieder hinter sich.

      Frank wartete, bis er die zuverlässigen Duschgeräusche vernahm: Bürsten, Rauschen, Stöße gegen die Wände der engen Duschkabine. Er hatte die CD aus Katjas Tasche mit einem Griff gefunden und legte sie in sein externes Laufwerk. Es waren nur zwei Dateien darauf. „Le Figaro“ und „W. A. Mozart“ waren sie betitelt. Er hoffte, dass dies Katjas Humor zuzuschreiben war und kein übler Bluff sein sollte. Er kopierte beide. Möglicherweise würde er den Laptop austauschen müssen, um die Spuren zu verwischen. Vielleicht reichte es auch, die Festplatte verschwinden zu lassen. Sein Freund Piotr hatte sicher eine Idee. Der hatte das gut drauf mit dem Hacken von Daten und dem Knacken verschlossener Geräte.

      „Speichern unter“: Frank legte die Dateien unter den unverfänglichen Namen „Müller 11“ und „Müller 12“ ab. Kein Kopierschutz. Keine Hindernisse. Sie war wirklich spitze, die kleine Katja. Er legte die CD zurück in ihre Tasche, verschloss den Trolley und fuhr den Laptop in seiner eigenen Tasche herunter. Als er sich aufrichtete, knallte er gegen einen der Deckenbalken. „Au“, entfuhr es ihm, und er schüttelte den Kopf über seine dämliche Schusseligkeit. Er zog sich aus und kroch unter die Bettdecke.

      VII

      Als Martin sich um neun Uhr morgens auf den Weg machte, hatte Ella sich schon wieder in ihr Arbeitszimmer verschanzt. Er klopfte an ihre Tür, sie bat ihn nicht herein, sondern kam zu ihm in den Flur heraus.

      „Na, dann viel Erfolg!“, sagte sie. „Grüß Vera von mir. Kannst Du ihr dieses Päckchen geben? Sie weiß Bescheid und will es für mich aufheben.“

      „Mach ich.“

      „Vielleicht hat sie in der nächsten Zeit einmal Lust uns zu besuchen. Sie ist ja sicher noch eine Weile in der Gegend.“

      „Ich frage sie. Oder besser noch, Du rufst sie selber an.“

      „O.k. Frag sie schon mal, ich rufe sie dann auch an. Im Moment hat sie sicher andere Gedanken im Kopf. Ist denn der Fromme endlich aufgetaucht?“

      „Ich weiß nicht, ob sie Konrad in der Zwischenzeit erreicht haben. So wie ich es verstanden habe, haben sie die anstehenden Aufgaben untereinander aufgeteilt. Vera kümmert sich ums Haus, Frank und Konrad um die Behördengänge und so.“

      „Der Missionar per Fernbedienung?“

      „Ella, sei doch nicht immer so spitz.“

      „Schon gut. Kommst Du heute Abend zurück oder werdet Ihr länger brauchen?“