gv Friedrich

Strandfarben


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er sich ein drittes Mal, besonders aber über Body, der der Verursacher seines Zuspätkommens war. Einen weiteren kurzen Augenblick dachte er darüber nach, ob er sie nicht einfach wieder aufwecken sollte, um den weiteren Abend in seine Richtung lenken zu können, verwarf diesen Gedanken aber und ließ sie schlafen. Die Beruhigungstabletten und der Alkohol hatten wohl erheblich zu ihrer Müdigkeit beigetragen. Maximilian ging zum Schreibtisch, der auf der linken Seite des Zimmers stand, nahm den Tintenfüller, ein edles Teil mit Griff in marmorgrau, und schrieb auf einen Zettel seine Zimmernummer, dass er beide Hunde mitgenommen habe und ihr eine gute Nacht wünsche. Den Zettel legte er auf den Glastisch vor der Couch, damit sie ihn, wenn sie wach wurde, sofort sehen würde. Er wollte beide Hunde nehmen und zur Türe gehen, als er etwas stockte. Die Hunde lagen im Gang nebeneinander und rührten sich nicht. Er änderte seinen Plan und drehte sich wieder in Richtung Couch und Zimmer. Er dachte sich, es könne nicht schaden, sich ein wenig umzusehen. Vielleicht würde er etwas über diese Frau auf der Couch erfahren können und vielleicht würde sie ja von selber wach werden und sich freuen, ihn doch noch zu sehen? Seine Neugierde stieg in ein Herzpochen und er fühlte sich wie früher als Kind, wenn er etwas ausheckte, wovon er wusste, dass man es nicht durfte und bestimmt Ärger bekommen würde, aber nur, wenn man ihn erwischen würde. Er hatte diesen Drang oft gehabt und früher als kleiner Junge schon in den elterlichen Schränken nach den Weihnachtsgeschenken gesucht und auch immer welche gefunden. Später und älter, kramte er gerne in fremden Taschen und Schubladen ohne jemals etwas mitgenommen zu haben. Jetzt war es wieder verstärkt da, das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun und das Risiko zu tragen, erwischt zu werden. Der Drang der Neugierde siegte.

      Er ging zuerst ins Bad. Die Bad Türe stand zu einem Drittel offen und befand sich gegenüber dem Spiegel im Gang. Er machte nur die Deckenstrahler über dem Spiegel an, die ebenfalls wie die Stehlampe im Wohnraum ein sanftes Licht ausstrahlten. Auf dem Boden lagen getragene weiße Socken, ein roter BH und ein roter Slip. Zumindest den BH hatte sie wohl von noch irgendwann liegen gelassen, denn getragen hatte sie diesen an der Bar ja nicht.

      Neben der Badewanne stand ihr Schminkkoffer und auf einem kleinen Tisch lagen ein großes Badetuch, ein Handtuch und ein nasser Waschlappen, welchen Sonja benutzt hatte. An der Duschwand perlten noch große Wassertropfen ab, die sich auf ihrem Weg nach unten in kleine Rinnsale auflösten und sich teilweise vermischten, um dann zusammen in den Abfluss zu laufen. Auf dem Spiegelbord stand ein Wasserglas mit ihrer Zahnbürste und einer Tube Zahnpasta mit Pfefferminzgeschmack. Daneben Schminkpinsel und ein Parfum von Armani, Zahnseide und Wattestäbchen in einer Plastikbox und zwei Tücher, die sie zum Abwischen ihres Lippenstiftes benutzt hatte. Sie trug also doch Lippenstift, was er nicht bemerkt hatte, da man deutlich ihre Lippen in roter Farbe auf den Tüchern sah. Er rührte nichts an und ging zurück ins Zimmer.

      Als nächstes nahm er die linke Tür ins Visier, schaute aber vorher verschämt über die Couch auf Sonjas zufriedenes Gesicht. Sie schlief tief und fest. Er bekam wieder ein schlechtes Gewissen, aber der Drang weiter zu suchen, ohne zu wissen was, ließ ihn dann doch ein weiteres Mal weitermachen und zur linken Türe gehen, die sich so leise öffnete wie die Eingangstür. Hier brannte Licht. In der Mitte des Raumes stand ein übergroßes Doppelbett, so ein Kingsize, wie es in Hotels genannt wird, frei im Raum. Warme Tapetenfarben in verschiedenen Orangetönen abgestuft brachten eine besondere Stimmung in den Raum. Zwei große Fenstertüren über die gesamte Zimmerbreite und deckenhoch gehend gaben den gleichen Blick auf Strand und Meer frei wie die Schiebetüren im Wohnbereich. Dicke Stoffvorhänge dienten zur blicksicheren Dunkelheit, wenn man diese mit den langen Messingstäben zuziehen würde. Zwei Nachttische umgrenzten das Bett. Ansonsten stand hier im Raum nichts mehr, denn die nächste Tür führte zu einem großzügigen Ankleidezimmer mit deckenhohen Schränken rundum.

      Sonja hatte hier ihre Klamotten allerdings nicht in den Schränken verteilt, sondern aus drei großen Taschen quollen jede Menge Kleidungsstücke hervor, teilweise lagen getragene T-Shirts und Pullis auch auf dem Tisch und der Ankleidebank, die ebenfalls, wie das Bett im Nebenraum, in der Mitte standen. In der rechten Ecke des Zimmers fand er ihre Tasche. Eine große, braune Beuteltasche mit Schulterriemen und etlichen kleineren und mittelgroßen Innen- und Außentaschen. Er setzte sich auf den Boden neben diese Beuteltasche und fing an, sehr behutsam, die Tasche zu öffnen. Behutsam, um Sonja nicht den Eindruck zu geben, er hätte in ihren Sachen gewühlt. Er öffnete die erste Außentasche, sie war leer. Auch bei den beiden anderen fand er außer ein paar benutzten Papiertaschentüchern nichts. Der große Reißverschluss war offen und Maximilian konnte mit beiden Händen den Beutel auseinander ziehen. Erstaunlich, was Frauen alles mit sich rumschleppen, dachte er und sein Blick ging in die Tiefe der Tasche auf die Suche. Das erste, was man sah, waren typische Frauenutensilien. Kamm, Spiegel, Lippenstift, eine Handcreme, einige Tampons, Kugelschreiber, Münzen, Make-up, Hautfarben, und überraschend, eine Hand voll Kondome in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen. Erdbeere, Himbeere, Mango und eine silberne Weltkugel an einer Kette hängend.

      Maximilian fingerte die Kette vorsichtig aus der Tasche und sah sie sich genauer an. Ein besonders schönes Stück, sicher eine Einzelanfertigung, dachte er zu sich, hatte er ein ähnliches Stück noch nie gesehen. Die einzelnen Kontinente waren deutlich abgehoben und erkennbar und glitzerten im Licht der Zimmerlampe. Schade, dass sie dieses bestimmt teure Stück nicht um den Hals trug, sondern so lose in ihrer Tasche aufbewahrte. Im rechten unteren Teil lag ihr Geldbeutel, den er langsam herauszog und öffnete. Dieser hatte viele Fächer, für Kreditkarten, Bilder von den Kindern oder vom Partner, Visitenkarten und Pannenhilfetelefonnummern. Sie hatte hier nur vier Karten stecken.

      Die Goldene American Express Partnercard, die Visitenkarte eines bekannten Immobilienmaklers aus Hamburg, eine Firmentankkarte der Firma Schotten Pharma and Medical und eine eingeschweißte Foto-Card von Body. Nichts sonst, keine Familienbilder, keine anderen Karten, die Aufschluss über ihr Leben hätten geben können.

      Im hinteren Teil des Geldbeutels befanden sich ihr Führerschein, der Personalausweis und achthundertfünfzig Euro in gemischten Scheinen. Den Personalausweis zog er mit zwei Fingern raus und las ihn durch. Auf dem Bild hatte sie kurze, rotblonde Haare, nicht so blond und lang, wie sie sie im Moment trug.

      Name: Von Schotten

      Er stutzte, von Schotten. Sie gehörte also zu dieser Familiendynastie ‘der’ Schottens. Eines der größten Pharmaunternehmen Europas, was auch die Tankkarte erklärte.

      Er hatte erst vor einem halben Jahr einen großen Artikel über die Geschäfte dieser Firma gelesen und darüber, dass es sich um ein weltweit agierendes Firmengeflecht handelte.

      Vornamen:

      Sonja, Evamaria

      Geburtstag und Ort:

      12.02.1975 Frankfurt a. M.

      Gerade Mal 8 Jahre jünger als er war.

      Staatsangehörigkeit / Gültig bis:

      Deutsch / 10.01.2015

      Ihre Unterschrift war kaum lesbar, das von verschwamm im Rest ihres Namens. Er drehte den Ausweis um und las auch die Rückseite aufmerksam.

      Gegenwärtige Anschrift:

      Schottenweg 1-5

      Frankfurt a. M.

      Größe:

      181 cm

      Augenfarbe:

      Braun

      Behörde:

      Frankfurt a. M.

      Datum…

      Maximilian steckte den Ausweis in die Tasche zurück, stand auf und ging zurück zu den Kleidungsstücken auf dem Tisch. Er kniete sich hin und roch an einem der getragenen T-Shirts. Es roch nach leichtem Schweiß und sehr wenig Parfum. Er erhob sich und ging aus dem Zimmer zurück zur Couch. Sie schlief immer noch tief, ihr Atem war ruhig und entspannt. Ihre langen Haare fielen in einigen Lockenkringeln bis zum Boden. Das freiliegende linke Ohr fasste vier gleichgroße Ohrstecker in Silber, aufgereiht wie bei einer Kette und mit jeweils einem funkelnden Stein gefasst. Ihre Nasenflügel vibrierten leicht beim Einatmen, ihre Lippen