Peter Kunkel

Muzungu Facetten zentralafrikanischer Jahre


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schmächtigem Rumpf und spindeldürren, wenn auch muskel-harten Armen und Beinen, und fröhlich dazu, so schlägt das soziale Gewissen des Europäers übermächtig. Er geniert sich, daß er über-haupt ein sauberes Hemd anhat.

      Damit lag er, wenigstens damals, nicht ganz richtig. Er übersah, daß sein Gegenüber zwar auch lieber heile Kleidungsstücke besessen hätte, daß es ihm aber gar nicht soviel ausmachte, daß sie zerrissen waren. Wichtig war ihm, überhaupt Kleidung in europäischem Schnitt zu besitzen und damit zur fortschrittlichen Menschheit zu gehören. Für ihn lag zwischen einem Smoking und seinen Lumpen ein gerin-gerer Abstand als zwischen diesem und dem Lendenschurz von gestern. Die Kleidung war für ihn kein Wärmeschutz; dafür hatte er seine Decken und seinen Militärmantel. Bevor Mitte der sechziger Jahre ein großer Kleidersegen aus amerikanischen Missionsspenden über ‚unsere‘ Pygmäen kam, zogen sie sich bis auf eine kurze Hose – oder eben den traditionellen Lendenschurz - aus, wenn sie morgens und abends im kalten Bergwald auf die Jagd gingen. Was sie sie sonst an Kleidung besaßen, hatten sie abends um das Feuer herum an. Ein Jackett anhaben hieß, der neuen Zeit gefolgt zu sein. Ob es sich um ein ganzes Jackett oder nur noch eine flüchtige Andeutung eines solchen handelte, war zweitrangig. Gegenüber ihrem Symbolgehalt war die Sache fast gleichgültig. Deshalb blieben solche Fetzen im Verkehr, bis sie unwiderruflich auseinanderbrachen. Wer sich auf dem Markt bessere Kleidungsstücke kaufen konnte, verkaufte oder verschenkte die alten. Sie wanderten von Hand zu Hand allmählich der Peripherie zu, sozial und von den Marktzentren aus gesehen auch geographisch.

      Kleider machen Leute. Nichts ist irreführender als die Signale, die uns Europäern unsere Kleidung gibt. Sie sind so fest in unserm Unter-bewußtsein verankert, daß sie unmittelbar und affektgeladen wirken wie angeborene Auslöser bei Tieren. Ein Nachtwächter, der uns gestern noch das reine Elend und unendlich fern schien, ist heute ein Mensch und Gesprächspartner, weil er ein abgelegtes Hemd vom Nachbarn anhat. Ein gutgekleideter Afrikaner hat immer ein Guthaben bei uns: Man traut ihm mehr Verständnis und westlichere Gedankengänge zu als seinen verlumpten Genossen, und diese naive Einstellung bleibt bei vielen Europäern über Jahre erhalten. Mit einem gewissen Vergnügen habe ich feststellen können, daß ein deutscher Journalist, dessen Bücher über die Dritte Welt, auch über den Kongo-Zaire, in Deutschland große Furore gemacht haben, in besonders unschuldiger Weise diesen andressierten Auslösern aufgesessen ist: Bastrock ist Barbarei, eine schimmernde Fantasie-uniform Zeichen des Fortschritts…

      Die Signale der Kleidung verführen uns, ein ganzes Volk miß-zuverstehen. Die niederschmetternden Lumpen vieler kongolesisch-zairischer Männer in den sechziger Jahren waren keine Manifestation der Verelendung. Sie waren kein Anzeichen dafür, daß diese Leute ihr Selbstbewußtsein soweit verloren gehabt hätten, daß sie auf ihre äußere Erscheinung keinen Wert mehr gelegt hätten. Im Gegenteil, sie brachten zum Ausdruck, daß auch der kleine Mann an der neuen Zeit teilzunehmen wünschte, an der Verwestlichung Schwarzafrikas. Aber auch, weiß Gott, wie fern ihm westliche Maßstäbe noch lagen.

      Kaum erwähnenswert ist eigentlich, daß er häufig nicht wußte, wie diese fremde Mode zu tragen war. In der Nähe des Instituts gab es einen Hügelchef, der in einem kostbaren Damenpelzmantel herum-lief. Auch wenn die Sonne stach und ihm der Schweiß übers Gesicht lief. Und als einmal Tirolerhüte made in Austria auf dem Markt zu haben waren, kaufte sich ein Protz gleich drei und flanierte mit diesem Stapel auf dem Kopf durch die Felder. Aber werten wir afrika-nische Dinge nicht genauso um? Mehr als Pelzmantel und Hutstapel hat mich erheitert, daß eine junge, sehr hübsche Belgierin am Institut eines Abends im Abendkleid zu einer Einladung erschien, um den Hals eine mit blauen Glasringen besetzte Schnur – es war eine Hüftschnur, die vordem den Lendenschurz eines alten Mannes an seinem Platz gehalten hatte. Was mochte sie da alles erlebt haben!

      Derartige Mißverständnisse sind unvermeidlich bei der Begegnung zweier Kulturen. Es ist nicht allzu schwer, sich in den andern hinein-zuversetzen und seine Fehlleistung zu verstehen. Fremd bleibt uns jedoch die Achtlosigkeit, mit der die begehrten Kleider behandelt werden, die Gleichgültigkeit gegen Zerlumptheit, Schmutz und Ge-stank. Sie ruinieren ja nicht nur das Kleidungsstück, sondern ziehen auch den Träger unmittelbar in Mitleidenschaft, sein körperliches Wohlbefinden und seine Beziehungen zu Mitmenschen, nicht zuletzt, möchte man meinen, die erotischen.

      Dafür kann man nicht die Armut und die einfachen Behausungen verantwortlich machen. Ich habe Elendsgebiete ins Zentralamerika gesehen, wo windschiefe Hütten auf sumpfigem Grund ein Niveau anzeigten, das unter dem Lebensstandard des Kivuhochlands lag. Man konnte aus diesen Hütten nicht gerade elegante, aber immer sauber und ordentlich angezogene Leute treten sehen – wer einmal unter ähnlichen Umständen versucht hat, einigermaßen manierlich gekleidet zu bleiben, fragt sich bewundernd, wie sie das eigentlich machen. Lumpen, die denen der meisten Bauern des Kivuhochlands in den sechziger Jahren vergleichbar gewesen wären, habe ich im spanisch-indianischen Milieu nur bei Straßenkindern unter dem Pubertätsalter gesehen, die wirklich niemand mehr hatten in der Welt.

      Gleichgültigkeit gegen Schmutz und Gammel und die Achtlosigkeit, mit der Dinge, also auch Kleider, behandelt werden, sind wieder Facetten des geringen Interesses an der materiellen Umwelt, wie es auch in der einfachen Anlage der Gehöfte zum Ausdruck kommt. Man kann darin durchaus eine Tugend im Sinne des Diogenes sehen. Manchmal wünscht man sich sogar, daß die Europäer auch etwas von diesem Desinteresse hätten, wenigstens zeitweise.

      Ach, sie haben es gar nicht. Sie sind empfindlich gegen Schmutz und üble Gerüche und leiden mit den Sachen, die die Afrikaner achtlos einem raschen Untergang entgegenführen. Und die wieder verstehen nicht, daß man ihnen darüber Vorhaltungen machen kann.

      „Es war eben ein miserables Fabrikat, Madame. Es ist gleich kaputt-gegangen.“

      Und dazu ziehen sie eine Schippe äußerster Verachtung für den Hersteller und den Dreck, den man ihnen geschenkt hat.

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