Christine Boy

Sichelland


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sehr dumme. Es ist doch offensichtlich. Er selbst hat ihr Kommen gefordert. Und deshalb ist er auch darauf vorbereitet. Welchen Plan er hat, weiß ich nicht, aber ich würde ihn nicht unterschätzen.“

      „Menrir....“ Akosh wurde jetzt sehr ernst. „Ist dir nicht klar, dass nur einer der beiden dieses Aufeinandertreffen überleben wird?“

      „Selbst was das betrifft, würde ich dafür nicht meine Hand ins Feuer legen. Immerhin kenne ich Log seit seiner Geburt. Mag sein, dass er im Zweikampf unterliegen würde, doch er ist kein Mann, der blind einen Heldentod sterben würde. Er ist auf Lennys vorbereitet.“

      „Dann möchtest du also, dass sie stirbt?“

      Nun war es Menrir, dessen Züge hart wurden.

      „Akosh, wir beide sind sehr verschieden. Und uns sind verschiedene Dinge wichtig. Erwarte niemals von einem Vater, dass er seinem Sohn eine Niederlage oder gar den Tod wünscht.“

      „Warum bist du hier, Menrir? Du weißt, dass es nicht unser oberstes Ziel ist, Logs Leben zu erhalten. Wenn es das ist, was du willst, werden wir dir kaum helfen können.“

      „Wie ich bereits sagte, ich traue meinem Sohn durchaus zu, auch ohne meine Hilfe zu überleben. Sage mir, Akosh, wohin soll ich gehen? Was habe ich hier noch?“

      „Du hättest ebenso gut in Vas-Zarac bleiben können. Imra hätte sich sicher gefreut.“

      „Imra hat jetzt andere Pflichten. Ich aber habe nicht vergessen, was jenseits eurer Grenzen geschieht. Noch einmal: Ich bin kein Sichelländer. Ich bin geboren in Angengund und habe dort gute und schlimme Tage erlebt. In Ontur begann ich ein neues Leben und schließlich verschlug mich das Schicksal nach Elmenfall. Weißt du, wie lange ich mein Haus nicht mehr gesehen habe, Akosh? Ich sehne mich nach einem ruhigen Lebensabend in diesem wundervollen Städtchen. Und ich vermisse sogar die Lehrstunden im Nebeltempel, auch wenn dort nichts mehr so ist, wie es einst war. Ich habe nicht vergessen, dass dort draußen jetzt Kämpfe toben. Ihr wollt euer Sichelland beschützen. Wie ist das wohl für jemanden, dessen Heimat euer Feind ist? Deshalb bin ich hier. Weil ich so vielleicht auch ein wenig für mich tun kann. Für Manatara, wo ich geboren wurde und für das Mittelland, in dem ich lebe. Ich will, dass es eine Ende hat. Egal, welche Seite letztendlich siegreich hervorgeht – es muss einfach vorbei sein.“

      „Es ist ein langer Weg in den Süden.“

      „Ich mag alt sein, Akosh und meine Knochen danken es mir nicht, dass ich ihnen nur wenig Ruhe gönne. Das bedeutet aber nicht, dass ich nichts mehr leisten kann.“

      „Das habe ich auch nicht gesagt. Und wir sind auch nicht allein. Schon wegen der anderen beiden muss ich Rücksicht nehmen.“

      Nun zuckten Menrirs Mundwinkel wieder.

      „Es gefällt dir nicht, dass sie mitkommen. Die Vergangenheit sollte dir bewiesen haben, dass der erste Eindruck täuscht. Sie sind zäher als du glaubst.“

      „Du sprichst nur von deinen Erfahrungen, Menrir. Möglicherweise hast du in einem Fall sogar recht – aber wohl kaum, was beide betrifft. Und wir sollten nicht vergessen, dass das was hinter uns liegt, nicht mit dem zu vergleichen ist, was wir vor uns haben.“ Der Schmied stand auf. „Es wird Zeit, dass wir uns vorbereiten. Es gibt noch viel zu tun.“

      Als Akosh und Menrir zu den anderen zurückkamen, schreckten diese von ihren unbequemen Plätzen auf Bänken und Stühlen hoch. Für tiefen Schlaf, den sie eigentlich dringend gebraucht hätten, fehlte ihnen die Zeit und so hatten sie nur einige Minuten vor sich hin gedöst, wohlwissend, dass die Unterhaltung der beiden Männer nicht allzu lange dauern würde.

      Der Älteste verteilte gerade Wasser, Met, Brot und Käse.

      „Danke, Mo.“ Akosh nickte ihm zu. „Ohne deine Gastfreundschaft hätten wir nicht gewusst, wo wir bleiben sollen. In meinem derzeitigen Unterschlupf hätte man uns viel zu schnell entdeckt.“

      „Mein Herr wäre nicht begeistert, wenn er wüsste, was wir hier tun.“ erwiderte Balmans Diener traurig. „Es schmerzt mich, ihn auf gewisse Art zu hintergehen, aber ich weiß, dass es besser so ist.“

      „Eines Tages wird er dir dankbar sein.“

      Akosh wandte sich den anderen zu, die zuerst einmal Hunger und Durst stillten. Nicht einmal dafür hatten sie sich bislang Zeit gegönnt. Mehrere Stunden waren vergangen, bis einer nach dem anderen hier eingetroffen war, zuletzt der alte Heiler. Auch er hatte sich für den Weg durchs Osttor entschieden und so einen weiten Bogen geschlagen, bevor er an Balmans Haus gelangte. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass jemand einen solchen Umweg in Kauf nahm – noch dazu mitten in der Nacht. Und so konnten sie sicher sein, dass sie hier nicht aufgespürt wurden.

      Der Blick des Schmieds ruhte auf dem Paar, das in einer Ecke saß. Er war sich nicht sicher, welche Rolle sie noch spielen würden. Oras, der Vogelmann, der ihn, Lennys und Sara vor nicht allzu langer Zeit aus der Burg im Verlassenen Land befreit hatte. Oras, der sich zusammen mit seiner Gemahlin Haya, die gerade in diesem Moment seine Hand streichelte, bis ins Sichelland durchgekämpft hatte, um die Botschaft über die gefangenen Cycala zu überbringen. Und nun war er hier und plante gemeinsam mit ihm und den anderen etwas, was sie den Kopf kosten konnte. Er würde zusammen mit Haya Imras Nähe suchen und dafür sorgen, dass ihnen der neue Shaj der Erde nicht allzu nahekam und ihre Pläne nicht zu früh durchschaute. Ein schwieriges Unterfangen, wenn auch nicht unmöglich. Für den Vogelmann und seine stille, kluge Frau war es sicher eine lösbare Aufgabe.

      Nun gesellte sich Menrir zu ihnen. Akosh hatte schon vernommen, dass sich zwischen den beiden Männern schnell eine Art Freundschaft entwickelt hatte, obwohl sie sich kaum kannten. Menrir, der Heiler. Logs Vater. Der Freund aus dem Süden. Er konnte wertvoll sein. Oder ein Hindernis. Eines Tages musste er sich vielleicht doch für eine Seite entscheiden, auch wenn er das jetzt noch nicht wahrhaben wollte.

      Die letzten beiden Gefährten bereiteten Akosh das größte Kopfzerbrechen, eine wie die andere.

      Sara, die Dienerin der Shaj der Nacht. Sie schien in Semon-Sey ein neuer Mensch geworden zu sein. Wenn man von ihm selbst einmal absah, gab es wohl keinen in diesem Raum, der Lennys inzwischen besser kannte als sie. Manches von dem, was sie wusste, begriff sie wohl noch gar nicht. Sara war vielleicht seine stärkste Waffe, aber sie konnte sich auch gegen ihn richten, wenn er nicht achtgab. Aber die frühere Novizin hatte auch eine Schwäche. Sie nahm zu viel auf ihre eigenen Gefühle Rücksicht. Mitleid, Freundschaft und Hilfsbereitschaft legten sich wie Fesseln um ihre wahren Fähigkeiten. Und nur weil er auf Letztere nicht verzichten wollte, hatte er dem Mädchen ein Zugeständnis gemacht, dass ihm, wann immer er damit konfrontiert wurde, mit Sorge erfüllte. Und dieses Zugeständnis saß neben ihr.

      Racyl. Die kleine Schwester des Obersten Cas. Ausgerechnet Racyl. Akosh konnte sich noch gut an die Zeit erinnern, als Lennys und sie sich noch verstanden hatten und ebenso gut daran, wie sich das geändert hatte. Die Überraschung, die er empfunden hatte, als er von Sara erfuhr, dass Racyl nicht mehr im Zera-Tempel lebte, sondern sich in Rahors Haus versteckt hielt, war aber noch nichts im Vergleich zu der Erschütterung gewesen, die kurz darauf von ihm Besitz ergriffen hatte.

      „Ich will, dass sie mitkommt.“ Saras Worte klangen jetzt noch in ihm nach. Hätte er ihr diesen Wunsch verweigert, so hätte sich die Novizin ihm niemals angeschlossen. Wohl zum hundertsten Mal fragte er sich, ob dies nicht das geringere Übel gewesen wäre.

      Racyl. Er hatte nichts gegen das Mädchen. Aber für seine Ziele war sie sicher hinderlich. Dies begann schon damit, dass Sara und Racyl mit ihm Lennys' Spur im Süden aufnehmen wollten. Tage- und nächtelange Fußmärsche standen ihnen bevor. Unzählige Kämpfe. Hunger, Durst, Kälte, kaum Schlaf und mehr oder minder schwere Blessuren. Wie sollte dieses zarte Geschöpf das überstehen? Selbst Menrir war dagegen noch ein Ausbund an Stärke und was Sara anging, so musste Akosh zugeben, dass sie zumindest in Bezug auf Konstitution und Belastbarkeit wohl das kleinste Problem darstellte.

      Je länger Akosh darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, dass Racyl es besser Mo gleichgetan hätte. Der alte Diener würde sein Zuhause schon