rede heute nicht über Drogen, die man legal, zumindest wenn man volljährig ist, in jeder Tankstelle kaufen kann«, begann sie. »Nein, ich spreche von illegalen Drogen.«
Schon zeigte der Beamer die erste Folie:
Haschisch
Marihuana
Ecstasy
Speed
Crack
Kokain
getrocknete Pilze
Chrystal Meth
Schnurgerade wollte Julia mit ihren sorgfältig recherchierten Erklärungen loslegen, da wurde sie schon von Peter unterbrochen. »Entschuldige, getrocknete Pilze! Das sind doch keine Drogen.«
Verwirrt starrte Julia auf ihre Folie. Sie ersetzte getrocknete Pilze durch Magic Mushrooms. »Ups, unbedeutende Ungenauigkeit. Natürlicherweise sind damit nicht Champignons, Pfifferlinge, Steinpilze gemeint, sondern halluzinogene Pilze. Pilze, die den Sehsinn, Hörsinn und Tastsinn verändern.«
»Wachsen die bei uns im Wald?«, wollte Annika wissen.
Ratlos blickte Julia zur Lehrerin. Die half aus. »Einige schon. Zum Beispiel der Spitzkegelige Kahlkopf.«
»Heißt der nach unserem Direktor?«, konnte sich Felix nicht zurückhalten. Die Klasse brüllte vor Lachen, der Schulleiter war für seine spezielle Kopfform eine beliebte Zielscheibe für Witze.
Frau Brechthold versuchte, das alles zu überhören. »Die Druiden, ihr wisst, das waren die Priester der Kelten, haben den Spitzkegeligen Kahlkopf in ihre Zaubergetränke gemixt. Weiter im Text, Julia.«
Die Klassenbeste gab ihre gegoogelten Erkenntnisse zum Besten. »Die Drogen, von denen wir reden, werden vorwiegend aus Pilzen gewonnen, die es bei uns nicht gibt. Sie haben unverfängliche Namen, zum Beispiel der Mexikaner oder der Hawaiianer. Sie werden getrocknet, als weißes Pulver verkauft und haben eine teuflische Wirkung: Erst führen sie euch in eine wunderbare Welt, in der ihr Gott zu begegnen glaubt, sodann kommen Ängste auf, die euch am Leben verzweifeln lassen.«
Die Klasse mühte sich, Interesse zu heucheln.
»Wer kommt als Dealer in Frage?«, fragte Julia in die Runde. Bevor jemand zur Antwort ansetzen konnte, erschien die passende Folie:
Fremde auf der Straße
Mitschüler
Freunde
Geschwister
Sofort erhob sich ein wütendes Prostestgemurmel.
»Ja, ich weiß«, beschwichtigte Julia. »Bruder und Schwester als Dealer, das klingt nicht glaubhaft, kommt aber vor. Und Mitschüler? Auch an unserer Schule wird mit Drogen gehandelt, das wissen wir doch alle. Wo wird uns das Teufelszeug angeboten?«
auf dem Schulhof
am Bahnhof
in der Disco
auf Plätzen in der Stadt
auf Popkonzerten
im DarkNet (= Teil des InterNet)
»Braucht jemand Tipps, wie man mp3-Dateien und Videos illegal aus dem DarkNet bezieht?« Felix warf sich in die Brust und blickte gönnerhaft in die Runde. »Falls ja, intime Tipps in der Pause! Ich habe da meine Beziehungen.«
»Felix!«, rief Frau Brechthold empört. »Auch wenn dich Urheberrechte oder andere rechtliche Details dem Anschein nach nicht scheren, ziehe deine Mitschüler gefälligst nicht in solche schmutzige Deals hinein. Verstanden?«
»DarkNet, was ist das?«, warf Benan ein. »In letzter Zeit hört man so viel davon.«
»Kannst du das bitte kurz erklären, Felix«, sagte Frau Brechthold und vermied einen Blick in Julias Richtung.
»Kann ich. Das ist ein Netzwerk, bei dem die Teilnehmer ihre Verbindungen untereinander manuell herstellen. Es ist nur für Eingeweihte sichtbar, um frische Anwärter aufzunehmen, müssen die von den Usern eingeladen werden.«
»Kann ich endlich weitermachen?«, meldetet sich die empörte Julia. »Ich komme auch gleich zum Ende meiner Präsentation.«
Genervt wandten die Schüler sich Julia zu.
»Was kosten Drogen? Meine Tante arbeitet bei der Polizei. Von der habe ich die folgende Preisliste.«
1 Gramm Marihuana oder Haschisch 10 €
1 Ecstasy-Tablette 15 €
1 g Kokain 150 €
1 g Crack 78 €
1 g Chrystal Meth 75 €
50 g getrocknete Pilze 15 €
»So viel Geld für so wenig Stoff? Das kann sich doch kein Schüler leisten!« war die allgemeine Ansicht.
Frau Brechthold war zufrieden. »Prima Julia, eine ausgezeichnete Präsentation.«
Glückstrahlend verzog sich Julia auf ihren Platz, im Vorbeigehen warf sie Benan einen verliebten Blick zu.
»So, meine Lieben.« Frau Brechtholds Gesicht nahm einen lauernden Ausdruck an. »Was für eine Droge ist im Grunde eher harmlos? Was meint ihr?«
»Meine Mutter hat zugegeben, dass sie an der Uni Schwarzer Afghane geraucht habe«, ließ sich Leonie vernehmen. »Das sei nicht schlimm, Alkohol wäre viel gefährlicher als Haschisch. Alle hätten das probiert!« In einem scheinheiligen Tonfall schob sie »Sie auch, Frau Brechthold?« nach.
»Schwarzer Afghane? Was ist das denn? Das klingt ja voll eklig!«
»Ja, Schwarzer Afghane ...«, die Lehrerin kam kurz aus dem Tritt, fing sich aber wieder: »Na schön, Haschisch, ihr wisst, damit bezeichnet man das getrocknete Harz aus den Drüsenhaaren der Cannabis-Pflanze. Es ist fünfmal wirksamer als Marihuana, das aus den Blütenblättern, Stängeln und Blättern der Hanfpflanze hergestellt wird. Kommt der Haschisch aus Afghanistan, nennt man ihn Schwarzer Afghane, kommt er aus dem Libanon, heißt er Roter Libanese. Der Stoff aus Afghanistan war in meiner Jugend berüchtigt, denn er war enorm kräftig. Stimmt, in meiner Studienzeit haben fast alle Studenten gehascht. Ich auch. Erzählt das bloß niemandem, hört ihr!«
»Stimmt also doch! Sich zudröhnen und kiffen ist nicht beknackt«, rief Robert und schaute triumphierend in die Runde.
»Langsam, langsam Robert, heute ist das leider nicht mehr so. Der im Hanf enthaltene Wirkstoff heißt ...«
Frau Brechthold kritzelte die Buchstaben THC an die Tafel und darunter TetraHydroCannabinol.
»In in der guten alten Zeit war THC im üblichen Haschisch zu zwei bis drei Prozent enthalten, doch im Schwarzen Afghanen bis zu acht Prozent. Heute ist ein Stoff im Umlauf, der noch fünfmal stärker ist! Mit dieser geballten Ladung wird unser Gehirn nicht mehr fertig und auf Dauer schwer geschädigt. Glaubt also ja nicht, wenn euch jemand einreden will, kiffen sei harmlos!«
Von der Straße her erscholl ein Martinshorn. Der Polizeiwagen schien unmittelbar vor dem Schuleingang zu halten. Man hörte Türschlagen, aufgekratzte Stimmen. Alle rannten zu den Fenstern. Zwei Polizisten hatten einen Jungen zwischen sich genommen und führten in ab, eine Beamtin mit einem Schäferhund folgte. Aufgeregte Buh-Rufe, Pfiffe, Gejohle aus den Fenstern zum Hof begleiteten die Szene. Von der unteren Fensterseite erscholl ein Ruf. »Guckt mal! Die Bullen haben einen Schüler verhaftet!«
Als die Polizisten den Jungen ins Auto schoben, flüsterte Lena ihrer Freundin zu. »Mensch Shara! Das ist der dicke Junge, der die Tütchen verteilt hat. Hast du ihn etwa verpfiffen?«
Shara