als er endlich das Plätschern des Teufelsbrunnens hörte. Er war die halbe Nacht umhergeirrt und die Hoffnung, den Langfinger auf frischer Tat zu ertappen, schmolz wie Eis in der Sonne.
Der Brunnen war ein Abbild des Teufels mit seinem Dreizack, aus dessen mittlerer Spitze das Wasser schoss. Umgeben war er von drei kleinen Engeln, die auf ihn zuflogen und eine Kampfposition eingenommen hatten. Einer von ihnen wurde von dem Wasserstrahl getroffen, doch Gottesmacht, dargestellt als Heiligenschein, wehrte den Wasserstrahl ab und so ergoss sich dieser in einem schönen Bogen um alle drei Figuren. Es sollte symbolisieren, dass auch der Dreizack des Teufels keine Macht gegen sie hatte.
Um den Platz drängten sich mehrere dichtnebeneinanderstehende, brüchige Domizile. Doch auf welches der Gebäude hatte es der Dämmerungseinbrecher abgesehen?
Die Vögel begannen heiter zu zwitschern und langsam erwachte das Leben auf den Straßen wieder.
Fröstelnd band Lan den Hengst fest und suchte zu Fuß in den Gassen nach einer zerbrochenen Scheibe. Doch er fand nichts.
Die Menschen, die umhergingen, wurden auf ihn aufmerksam und blickten ihn geringschätzend und argwöhnisch an. Lan beachtete sie allerdings nicht. Er verfolgte unaufhaltsam sein Ziel: Das Haus zu finden, in dem eingebrochen wurde!
„Da ist der Mann!“, rief jemand hinter ihm. Als sich Lan umdrehte erkannte er eine Frau mit mehreren Zahnlücken, die mit der ausgestreckten Hand auf ihn deutete.
„Stehen bleiben!“, hörte er eine tiefe Männerstimme, doch Lan wusste nicht woher sie kam. Plötzlich lief ein königlicher Hüter um die Ecke und eilte auf ihn zu. Mit fester Stimme wünschte dieser zu erfahren: „Wer sind Sie und was suchen Sie hier?“
Abrupt hielt dieser plötzlich inne, als er den königlichen Inspektor erkannte und begann verlegen zu stottern: „Es tut mir leid! Ich habe Sie nicht sofort erkannt. Ich war die ganze Nacht auf der Straße und habe Ausschau nach dem Einbrecher gehalten. Diese Frau hat mich geholt, da sie dachte, Sie seien der Langfinger!“
„Ist schon in Ordnung, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen!“, begann Lan. Dabei fiel ihm noch etwas ein, das er wissen wollte: „Ach ja, können Sie mir verraten, wo Sie sich genau befunden haben?“
„Einige Straßen weiter von hier, im Aristokratenviertel. Uns wurde aufgetragen, dort nach dem Einbrecher zu suchen, da er bis jetzt nur in dieser Gegend zugeschlagen hat.“, erklärte der Mann.
Ein lautes Galoppieren wurde hörbar und alle Augen blickten sich verwundert um. Als Lan den Reiter bemerkte, erkannte er ihn sofort - es handelte sich um Stu.
Erfreut sprang der Archäologe ab und hastete mit schnellen Schritten auf den königlichen Inspektor, die aufgeregte Frau und den beschämten königlichen Hüter zu.
„Ach, gut dass ich Sie endlich gefunden habe!“, begann Stu erleichtert und teilte mit: „Ich habe die weiteren Symbole gefunden. Sie lauten Salz, Mehl, Hornstaub, Meisel und Zahnreihen.“
„Was soll das bedeuten?“, wunderte sich der königliche Inspektor, während Stu antwortete: „Ich denke, es handelt sich um den Beruf eines Feilenhauer. Ich habe einmal gehört, dass dieser eine Substanz aus Salz, Mehl und Hornstaub benötigt, um die Feilen zu härten.“
„Ach ja! Das ist richtig, aber darauf wäre ich so schnell nicht gekommen. Vielen Dank für die großartige Unterstützung!“, sprach der königliche Inspektor dankbar.
Lan erkundigte sich bei dem königlichen Wachposten, ob sich ein Feilenhauer in der näheren Umgebung befand. Dieser zuckte unwissend mit den Schultern, dafür konnte ihnen nun die Frau mit der Zahnlücke weiterhelfen: „Ein Feilenhauer wohnt am Ende der Gasse. Aber warum? Ich habe kein Wort verstanden!“
„Ach ja! Sehr gut, vielen Dank für die Auskunft!“, sprach der königliche Inspektor freundlich und deutete den beiden Männern, mit ihm zu kommen. Für Erklärungen hatte er nun keine Zeit. Zügig eilten sie in die Richtung, in die sie die Frau geschickt hatte.
„Das Haus befindet sich jedoch weit von dem Brunnen entfernt!“, bemerkte Stu nachdenklich. „Aber es ist das Richtige!“, sagte Lan und deutete auf ein Fenster, in dem sich ein großes Loch befand.
Sie zogen bereits das dritte Mal an der Glocke des Hauses, doch niemand reagierte darauf. Dafür öffnete sich ein Fenster des gegenüberliegenden Hauses und eine ältere Dame mit weißem Wuschelkopf blickte heraus.
„Da ist niemand zuhause! Der Hausherr ist gestern spontan für längere Zeit verreist. Er hat mich gebeten, ein Auge auf sein Haus zu werfen.“, berichtete sie.
„Ach ja?“, erwähnte Lan nachdenklich und erkundigte sich: „Sie haben nicht zufällig einen Schlüssel?“
Als die Frau misstrauend blickte, erklärte er ihr die Situation. Die Neugier der Dame trieb sie schneller voran, als ihr die drei Herren in ihrem Alter zugetraut hätten.
Schnell sperrte sie die Tür auf und der königliche Inspektor befahl: „Ich suche alles ab. Erst wenn ich Ihnen die Erlaubnis gebe, können Sie nachkommen!“, und schlich in das Haus.
Die Spuren in den zerbrochenen Glasscherben waren deutlich zu erkennen. Wieder bekam Lan das Gefühl, dass sich der Einbrecher in diesem Haus ausgekannt hatte. Die hellere Stelle an der Wand wies darauf hin, dass ein Bild fehlte und auch die Venusmuschel entdeckte er wie üblich.
Es fand sich nichts Neues im Haus, das auf den Einbrecher hingewiesen hätte und von ihm fehlte auch jede Spur.
„Mist!“, fluchte Lan leise und gab den anderen ein Zeichen einzutreten. Er übergab dem Archäologen die Venusmuschel und bat ihn sich zu beeilen. Dies war jedoch überflüssig, denn Stu eilte sofort los.
Dem königlichen Hüter befahl er, das Haus zu bewachen und keine ungebetenen Eindringlinge ins Innere vorzulassen. Schnell versprach er eine Ablöse vorbeizuschicken, als er in dessen müde Augen blickte. Der königliche Inspektor verhörte die ältere Dame und die anderen Nachbarn, doch wie üblich brachte dies keine neuen Erkenntnisse. Niemand hatte etwas gehört oder gesehen.
Er bemerkte die Frau mit der Zahnlücke, die ihn noch immer beobachtete und deshalb befragte er auch sie. Doch schnell musste er feststellen, dass sie sich nur wichtig machte und nichts wusste. Sie behauptete viel zu wissen, doch nach einigen Fangfragen stellte er fest, dass sie sich alles nur zusammengereimt hatte und immer wieder etwas anderes antwortete. Deshalb verabschiedete er sich von ihr und wollte keine Zeit mehr verlieren.
Lan begab sich auf den Weg zum königlichen Berater und suchte deshalb eine Kutsche auf der Straße. Dabei fiel ihm ein Mann auf, bei dem er einen weißen Bart und lange Harre erkannte, die unter einer breiten, tief ins Gesicht gezogene Hutkrempe hervorquollen. Zudem hinkte der Mann leicht. Das erkannte er eindeutig!
Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie der Verdächtige neben dem Teufelsbrunnen stehen blieb und kurz in seine Richtung blickte.
Für Lan wirkte es, als ob er ruckartig seine Richtung änderte. Der Inspektor dachte daran, was die Haushälterin geschildert hat, die den hinkenden Mann beobachtet hatte: ‚Sie erwähnte, dass der Unbekannte dieselbe Statur wie ich gehabt hat. Genau wie die verdächtige Person vor mir!‘, und deshalb beschloss Lan den Fremden unauffällig zu verfolgen.
Lan musste sich beeilen, da der hinkende Mann einen großen Vorsprung besaß. Der königliche Inspektor konnte gerade noch erkennen, in welche Seitengasse der Verdächtige abbog. Da er den Mann nun nicht mehr sehen konnte, begann Lan zu laufen und wünschte: ‚Hoffentlich habe ich den Fall bald gelöst!‘, doch er ahnte dabei nicht, wie sehr er sich irrte.
Die Reise
Mao schlief so gut und erholsam, wie schon seit längerer Zeit nicht mehr, bis ihn seine Albträume in der Morgendämmerung wieder einholten und er wenig später schweißgebadet aufwachte.
Es war hell und die Sonne schien vom wolkenlosen, hellblauen Himmel ins Zimmer.
Wieder liefen die Bilder vor seinem geistigen Auge ab, doch er konnte