brach: „Sam, wir machen Ihnen ein Angebot.“ kündigte sie an und versuchte in Sams Blick zu lesen, wie groß sein Interesse hieran wohl war. Sam war zwar ganz Ohr, blieb aber gefasst, denn so, wie er Mary einschätzte, würde sie schon etwas Profitables für ihn in petto haben.
So fuhr Mary fort: „Sie erhalten zwei Prozent aus allen Einnahmen dieser Sache.“ Scham empfand Mary in diesem Moment in keiner Faser ihres Körpers.
Sam begann zu lachen. „Mary, Mrs. Thompson, wenn Sie mir zwei Prozent anbieten, dann wird Ihre Verhandlungsvollmacht bei mindestens zehn liegen.“
Mary war ehrlich erstaunt. „Sam, Sie überschätzen mich maßlos.“
„Ich glaube kaum.“ Sam begann Freude an der Verhandlung zu bekommen. „Ich denke, dass zehn Prozent noch ein sehr gutes Geschäft für NCCB ist.“
Dieser Sam Goldman, dachte Mary, der hat schnell gelernt. Sie sah ihn mit wiedergewonnener Kühnheit an. „Fünf, und damit haben Sie bis in die Steinzeit und zurück ausgesorgt.“
Sam schenkte ihr sein schönstes Lächeln und seine Grübchen zeigten sich in ganzer Pracht. „Sieben!“ Und es klang endgültig. Doch er fügte hinzu: „Und einhundert Abendessen zu zweit mit anschließendem Glas Rotwein auf Ihrer Terrasse.“ Jetzt grinste Sam bübisch und freute sich über seine spontane Idee.
„Mit sechs Prozent sind wir im Geschäft.“ Und jetzt war es Mary, die mit Bestimmtheit den Deal beenden wollte. Als Sie sah, dass Sam damit einverstanden sein würde, wurde sie sanft und beugte sich noch ein Stück näher an ihn heran. „Und zehn Abendessen – erst einmal zehn …“
Wie selbstverständlich nahm Paul Wayne die Tatsache hin, dass Mary zum Meeting mit Sam Goldmann erschien. Nichts anderes hatte er erwartet. Und als John und Maurice Skinner den Raum betraten, sich setzten und Sam beäugten, als wäre er der Gesandte einer unbekannten Zivilisation aus einem fernen Sonnensystem, trat – und niemand hat zuvor wirklich daran gezweifelt – das neue Erfolgsteam von SevenDollies und NCCB zusammen, und sie besiegelten ihren gemeinsamen Deal.
Das Glück des Sam Goldman hatte nun auch sie erreicht. Da waren sie sich alle sicher. Und Sam selbst freute sich auf all das Spannende und Prickelnde, was das Leben jetzt für ihn parat halten würde.
Kapitel 8
Das Appartement im 5. Stock war winzig, und das einzige Fenster ging zur Straße hinaus. Schaute man hindurch, so sah man zu allererst die stählerne Feuertreppe, die im Zickzack von oben nach unten am Haus verlief. Der Stadtteil Andersonville gehörte nicht gerade zu den bevorzugten Wohngegenden, doch eine bessere Wohnung konnte sich Steve Conners nicht leisten. Bis vor kurzem hatte er noch Informatik studiert, das Studium dann, auf halber Strecke zum Ziel, abgebrochen. Conners verdiente sich nun sein Geld mit kleinen Serviceleistungen und reparierte Computer, installierte Heimnetzwerke und handelte ab und zu mit gebrauchter Hardware, manchmal auch mit illegalen Softwarekopien, die er selbst hergestellt hatte, in dem er zuvor den Sicherheitscode knackte.
Steve Conners war zweiundzwanzig Jahre alt, ein schmalbrüstiger Jüngling, dessen Haare sich auf seinem Schädel schon unübersehbar zu lichten begonnen hatten, und er deshalb fast dauerhaft eine nach hinten gedrehte Baseballmütze trug. In seinem Appartement sah es aus, als würde ein Messie darin hausen. Er hortete aber keinen Müll, sondern Computerteile, defekte Drucker, Platinen, Kabel, Switches, Relays, Bildschirme und sonstigen Kram, der ihm geeignet schien, noch irgendwann einmal einer Verwendung zugeführt werden zu können. Sein kleiner Esstisch diente überwiegend als Werkbank, und war mit Lötkolben, kleinen Messgeräten, Schraubendrehern, erstarrten Zinntröpfchen und unzähligen abgeschnittenen Kabelstückchen, deren Kupferenden herausschauten, übersät. Wer sich in diesem Chaos umschaute, sah zudem leere Chipstüten, Getränkedosen und Schachteln für Chinafood, in denen noch die Stäbchen steckten. Und beharrlich hielt sich ein Geruch, der einem Gemisch aus Schweiß, süßsaurer Pekingsauce und getragenen Turnschuhen gleichkam.
Freunde hatte Conners keine. Ohnehin lebte er fast völlig zurückgezogen und kam nur bei zwei Gelegenheiten aus seinem, wie er es verstand `Labor´, heraus. Wenn er zu Kunden musste, und wenn er sich mit anderen Freaks in einem nahegelegenen Gebäude traf, in der sich die `Computer Masters´, einer Gemeinschaft gleichgesinnter Soft- und Hardwarebastler, regelmäßig trafen.
Sein Studium abzubrechen war Conners ureigene Entscheidung. Nach seinem Dafürhalten hatte er viel zu lange damit gewartet. Er verschwendete nämlich keinen einzigen Gedanken daran, sich etwa in diese Riege von Spinnern einzureihen, solchen, die im Silicon-Valley davon träumen, mit irgendeiner Scheißsoftware, einer für die Spießer dieser Erde gebauten Anwendung, zum Milliardär zu werden und dafür, pizzafressend im Schlafsack auf dem Campus pennen und nach Kapitalgebern für ein aussichtsloses Start-up zu suchen. Er hatte diese Typen zur Genüge gesehen. Er war bedient. Und wenn diese Bürschchen dann auch noch von ihren wohlhabenden Eltern aus Bel Air durchgefüttert wurden, in den sauberen Penthäusern von Papa Party machten, soffen, koksten und wie die Hamster fickten, dann konnte er nur noch kotzen. Im Gegensatz zu ihm, Steve Conners, Kind aus armseligen Verhältnissen, vaterlos, aber mit einem unübersehbaren Genie ausgestattet, hatten diesen Nieten kein Recht auf ihr luxuriöses Dasein. Vielmehr stand ihm das zu, und diese Ungerechtigkeit lag ihm schon länger drückend auf dem Magen.
Er war eben nicht mit dem goldenen Löffel im Hintern zur Welt gekommen. Ihm war schon im Kreißsaal die Arschkarte verliehen worden. Seinen Vater hatte er nie zu Gesicht bekommen. Ein Alkoholiker und Taugenichts, der irgendwo in den Staaten leben würde, sofern wer nicht schon längst krepiert war. Seine Mutter hatte versucht über die Runden zu kommen, arbeitete hart, ohne dabei aber nach vorne zu kommen. Als er Neunzehn war, starb sie an einer Lungenentzündung, die sie verschleppt hatte, um nicht den Job zu verlieren. Ab diesem Moment war er völlig auf sich gestellt. Während er sein Studium mit den erbärmlichsten Jobs selbst finanzieren musste, durfte er das angenehme, sorgenfreie und ausufernde Dasein der meisten Studenten um ihn herum mit ansehen. Schnell empfand er Wut und Abscheu. Und die Ungerechtigkeit dabei, dass stets die Falschen am Honigtöpfchen naschen dürfen, und die, die es verdient hatten, immer nur das Nachsehen vereinnahmen durften. Das trieb ihm oft die Zornesröte ins Gesicht.
Große Freude, ja fast schon Genuss, empfand er hingegen dabei, Sicherheitssysteme, Firewalls und hermetisch abgeriegelte Softwarebereiche auszutricksen und dann, nach Belieben, in den Systemen herumzuspazieren, wie er es gerne ausdrückte. Er tat das nicht etwa, um Schaden anzurichten, auch Bereicherung lag ihm fern, er hinterließ auch keine Spuren oder eitle Hinweise auf sein Eindringen. Er schlich sich rein, machte seinen Spaziergang, und schlich dann einfach wieder raus. Das war alles. Der Genuss für ihn bestand in erster Linie darin, den studierten Computerleuten, den gut verdienenden Managern, all diesen arroganten Ärschen, eins vorgemacht zu haben. Sie mussten es nicht wissen, es reichte ihm bisher völlig, dass er es konnte.
Er hatte es schon bei Banken geschafft, war in die Forschungsabteilungen von großen Konzernen eingedrungen, stöberte in Versicherungsbeständen herum und war bereits schon einmal ganz knapp daran gewesen, das Rechenzentrum des FBI zu knacken. Er hätte es wohl auch geschafft, wie er meinte, doch er zog zurück, da er vorher noch einige zusätzliche Dinge vorbereiten wollte, die ihn noch besser verschleiern und die Rückverfolgbarkeit, im Falle das man es dann doch bemerkt, unmöglich machten.
Conners war an diesem Tage in der Nachbarschaft bei einem Kunden, dessen Computerbildschirm den Dienst eingestellt hatte. Steve Hatte einen alten, aber immer noch funktionstüchtigen Bildschirm dabei, den er installierte und testete. Im Hintergrund lief der Fernseher und Conners sah bei einem desinteressierten Seitenblick zum ersten Mal Sam Goldman, der – gemeinsam mit irgendwelchen Wichtigtuern – in die Kamera grinste und sich scheinbar als der neue Star einer Lotterie profilierte.
„So viel Schwein … und das alles bei nur einem Kerl …“ sinnierte sein Kunde laut. „Das müsste mir mal passieren … aber unsereins guckt ja immer nur in die Röhre …“ Der Mann schüttelte fortwährend den Kopf, als er das