Stefan G. Rohr

Das geliehene Glück des Samuel Goldman


Скачать книгу

sich Fintch ja gerade selbst am Bildschirm überzeugen.

      Fintch griff zum Hörer und wählte die Nummer von John Skinner, seinem Boss, der gerade unterwegs zum gestrigen Auslosungsgewinner war.

      „Was gibt´s, Mike?“ - „Wenn Ihr heute wieder im Office seid, dann müssen wir uns treffen.“

      „Probleme?“

      „Im Gegenteil. Ich habe vielleicht das goldene Fließ für uns gefunden.“

      „Klingt spannend.“

      „Mehr als das. Bis später!“ Fintch legte wieder auf.

      Mike Fintch war Ende Vierzig und ein hagerer Typ von fast zwei Meter Länge, der problemlos auch als Marathonläufer durchgegangen wäre. Sein kahl rasierte Schädel ließ ihn ein wenig wie den Schiffskoch Silver aus Stevensons `Treasure Island´ anmuten, nur eben größer und asketischer. Und ein Holzbein hatte er natürlich auch nicht. Er trug gerne sportliche Leinenanzüge, die jedoch nie richtig passen wollte, denn seine Körpermaße, vor allem die Länge seiner Arme, sprengten stets die Standardmaße der Konfektionen, was ihm einen noch schlaksigeren Anstrich verlieh. Fintch hatte lustige, große Augen, über denen buschigen Brauen thronten und eigentlich zu einer optischen Disharmonie führen mussten, wäre die Komposition nicht so sympathisch gewesen. Augen, Brauen und ein betont vorstehendes Kinn gaben die perfekte Vorgabe für einen Kasperlekopf, was jedoch keinerlei Nachteil bedeutete. Er war beliebt und anerkannt. Ein schlauer Kopf mit einem ausgeprägten und zielsicheren Spürsinn für Werbung und Marketing. Er verstand es ebenso gut mit TV-Sendern zu verhandeln, wie mit Journalisten Sendebeiträge abzustimmen. Und wenn er noch seine goldumrandete Brille nach vorn auf seine Nase rutschen ließ, dann waren alle Sympathiepunkte bei ihm.

      Mike Fintch aber sollte niemand unterschätzen. So freundlich und konziliant er gerade war, konnte er blitzartig in das Gegenteil umschalten. Er zeigte mitunter eine jähzornige Note, konnte derbe sprechen und mit der Schärfe eines chirurgischen Skalpells analysieren. Und wenn er etwas im Kopf trug, dann war er stur wie ein Maulesel. Er gab nie auf. Und er bekam fast immer, was er wollte.

      *

      Sams Kündigung schlug im Vorstand der Public Bank of South Carolina wie eine Bombe ein. Sam hatte bei seiner telefonischen Ankündigung als Grund angegeben, dass er sich nach den letzten Ereignissen für eine unbestimmte Zeit zurückziehen wolle, was in Ermangelung der Geschehnisse auch auf Verständnis traf. Dennoch war die Sprengkraft enorm, denn auch die Bankbosse hatten schon gemeinsam darüber nachgedacht, ob sich Sam nicht für ihre Bank exzellent als Werbe-Ikone eignete. Doch Sam hatte seine Entscheidung so unmissverständlich mitgeteilt, dass sein Chef diese erst einmal hinnahm. Es sollte allerdings nicht die einzige Hiobsbotschaft des Tages bleiben.

      Kurz nach Sams Kündigung erreichte gleich eine zweite schlechte Nachricht das Unternehmen. Der Sicherheitschef der Bank erhielt am Morgen einen Anruf der Detektives, die den Banküberfall auf Sams Filiale bearbeiteten. Sie informierten ihn über eine Ermittlungserkenntnis, die durchaus relevant für die Bank war. Es hatte sich herausgestellt, dass die beiden Bankräuber die Neffen eines seiner Sicherheitsleute waren. Diesen Mitarbeiter, einen Mr. Frank Molloy, würden sie noch heute in der Bank besuchen und verhören. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich hier um einen Informanten handelt, der seinen kriminellen Verwandten Tipps für ihre Überfälle auf Bankfilialen gegeben hat. Der Umstand, dass in den letzten Monaten schon vier Zweigstellen der Public Bank of South Carolina überfallen wurden, das Muster und die Täterbeschreibungen nahezu identisch waren, ließe diesen Schluss nicht nur zu, er würde sich förmlich aufdrängen. Sie wiesen ihren Gesprächspartner an, Molloy in sein Büro zu rufen, und sie würden dann dazukommen.

      Das saß. Der Sicherheitschef war in Alarmstellung. Ein Security-Mann aus seinem Team als Informant für Überfälle war gar nicht gut. Allein schon der Verdacht trug schwer. Doch bevor er mit seinen Vorgesetzten die geeigneten Maßnahmen abstimmen konnte, musste er sich, zusammen mit den Cops, erst ein Bild machen.

      Frank Molloy war seit knapp zwei Jahren für die Bank als Sicherheitsbeamter tätig, und gehörte zu dem Team, das uniformiert und bewaffnet als Security in den größeren Banken in der Region Wachdienst hatte. Molloy war schon Mitte Fünfzig und hatte lange Jahre zuvor als Wachmann für eine private Sicherheitsfirma gearbeitet. Als er dort seinen Job verlor, fiel es ihm für einige Zeit sehr schwer, eine neue Arbeit zu finden und er jobbte mal hier, dann mal wieder dort, war mal Gabelstapelfahrer, mal Aushilfe in einem Gartenbaubetrieb. Überglücklich war er deshalb, als er nach bestandener Sicherheitsüberprüfung eine Chance bei der Bank bekam. Und bei seinem Chef galt er bisher als zuverlässiger Mann, beliebt bei den Kollegen und ansonsten unauffällig.

      Das Verhör mit ihm verlief jedoch widersprüchlich. Molloy gab an, seine Neffen – es handelte sich um die Söhne seiner Halbschwester – nicht regelmäßig, vielmehr eher selten gesehen hätte. Der Kontakt zu ihnen sei nur sporadisch und nie besonders intensiv gewesen. Er gab auch an, dass es den beiden stets nur um Geld gehen würde, sie ihn bei ihren Treffen immer nur angebettelt hatten. Dass die beiden nicht koscher waren, sei Molloy klar gewesen, allerdings hatte er nach eigener Aussage keine Details gekannt, ihr Leben war ihm fast in Gänze unbekannt. Zu seiner Halbschwester unterhielt er ebenfalls wenig Kontakt, und auch von ihrem Tod hatte er erst im Nachhinein erfahren.

      Wann Molloy das letzte Mal seine Neffen getroffen oder Kontakt hatte? Daran konnte er sich nur vage erinnern, es musste aber schon einige Zeit her sein. Und damit tappte er in eine Falle der Cops. Sie hielten ihm eine Telefonliste vor, die die aus- und eingehenden Gespräche auf den Handies seiner Neffen enthielten. Und nach dieser Liste waren etliche Telefonate in den letzten zwei Monaten mit ihm geführt worden. Zuletzt vor knapp zwei Wochen. Das gebe ein deutlich anderes Bild ab, als Molloy es zuvor gezeichnet hatte.

      Man bat Molloy kurz vor die Türe, und ein Cop blieb bei ihm. Der Sicherheitschef der Bank wurde von dem verbliebenen Detektives gefragt, ob er die Dienstpläne einsehen konnte. Als diese kurz darauf auf dem Bildschirm des Sicherheitschef angezeigt wurden, ergab sich etwas, das Molloy zusätzlich belastete: Er hatte, jeweils wenige Tage zuvor, in drei der überfallenen Filialen der Bank Dienst gehabt. Ein Zufall?

      Als Molloy damit konfrontiert wurde, war er zunächst sprachlos. Was wollte man ihm da unterjubeln? Er wurde aufgeregt und begann sich laute zu rechtfertigen. Es sei eine Unverschämtheit, ihm eine Mittäterschaft bei den Überfällen zu unterstellen. Er war ein anständiger Mann und hatte mit kriminellen Sachen noch nie etwas am Hut gehabt. Alle konnte man fragen! Er machte keine krummen Dinger, war immer korrekt. Und das mit seinen Neffen, nun ja, das hat er stets immer gleich vergessen, wenn sie sich gemeldet haben. Da er ihnen nie Geld geben konnte, war das auch eher lästig für ihn. Sowas verdrängt man doch auch schnell. Und dass ihm jetzt ein Strick daraus gedreht werden soll … unfassbar!

      Molloy gab im weiteren Verlaufe an, dass er finanziell zwar nicht in der Klemme sitzt, doch war seine Lage auch nicht gerade rosig. Er verdiente regelmäßig und das Geld reichte für sein Auskommen. Nur die Zeit seiner Arbeitslosigkeit hatte ein tiefes Loch in seine Finanzen gerissen. Und mit seinen Aushilfsjobs hiernach wurde dieses nicht gerade kleiner. Daran knabberte er auch noch, zugegeben. Aber er kam schon zurecht. Kein Grund für ihn, kriminell zu werden, das musste man ihm glauben.

      Die Detektives wussten, dass sie ohne klare Beweise Molloy nichts nachweisen konnten. Die beiden Täter waren tot und konnten nicht mehr aussagen. Sie wollten noch prüfen, ob auf Molloy´s Konto auffällige Eingänge festgestellt werden konnten, Bewegungen, die man möglicherweise mit den Überfällen und der gemachten Beute in Übereinstimmung bringen konnte. Aber dass jemand so dämlich sei, den Anteil an erbeutetem Geld schnurstracks auf das eigene Bankkonto einzuzahlen, schlossen sie fast aus. Doch überprüft musste es werden. Ebenso eine Hausdurchsuchung. Das war sogar schon organisiert und der Staatsanwalt hatte den Durchsuchungsbefehl vor wenigen Minuten unterschrieben. So fuhren sie zu Molloy´s Haus, ihn selbst im Fonds des Polizeiwagens.

      Der Sicherheitsdirektor der Bank blieb in seinem Büro. Er sah nur eine Chance, er musste – ob schuldig oder nicht – Molloy rauswerfen. Er konnte nicht riskieren, dass die Cops mit ihrem Verdacht Recht hatten. Schließlich sprach viel dafür, dass Frank