Stefan G. Rohr

Das geliehene Glück des Samuel Goldman


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Welt in sein Leben getreten war, willens, ihn in ihr glitzerndes Reich zu entführen.

      Das Klingeln des Telefons von Mary ließ Sam aus seinen Gedanken zurück zur Wirklichkeit kommen. Paul Wayne meldete sich bei Mary. Wie immer war er am Telefon kurz angeboten und unterlies alle üblichen Höflichkeitsfloskeln.

      „Mary!“ Pauls Tonfall war eindeutig. „Um 10 Uhr haben wir morgen einen Termin mit neuen Geschäftspartnern. Es gilt dabei den Sack für uns zuzumachen. Das geht auch Dich etwas an. Und Goldman. Sei um neun Uhr bei mir, erst allein. Goldman werden wir dann dazu holen. Schicke ihn vorher einfach zum Kaffeeholen, damit wir erst unter uns reden können. Alles klar? Also, gute Nacht.“ Damit war das Telefonat beendet.

      Mary kannte solche Manöver von ihrem Boss. Das war also nichts Außergewöhnliches, und damit gab es auch keinen Grund zur Beunruhigung. Und neue Geschäftspartner? Das hörte sich doch gut an. Das war es doch, was Paul und sie wollten. Mehr Geschäft, bessere Quoten, die Konkurrenz abhängen, vorne sein. Sam gegenüber erwähnte sie deshalb nur, dass sie beide eine Besprechung bei Wayne haben werden, sie zuvor noch eine andere Sache erledigen muss. Sam hatte nichts dagegen.

      Kurz darauf beschlossen beide, den Abend zu beenden, verabschiedeten sich voneinander und gingen auf ihre Zimmer, denn Mary empfand es nun als das Sinnvollste, auch in ihrem Ferienhaus zu verweilen, und möglichst nah bei ihrem Schützling zu bleiben. Schließlich musste sie ihn ja auch immer fahren.

      *

      „Setzt Dich, Mary.“ Paul Wayne schien gut gelaunt. „Ich erwarte heute die Gebrüder Skinner. Das sind die Inhaber von SevenDollies. Ich denke, mehr brauche ich zu den Herren nicht sagen.“ Mary nickt und Paul fuhr fort. „Die beiden haben uns ein fantastisches Angebot gemacht. Eines, worauf wir ein paar Champagnerkorken knallen lassen, wenn der Vertrag unterzeichnet ist. Und ich habe schon ein paar Flaschen kaltstellen lassen, wenn Du verstehst.“

      Mary verstand. „Ein sizilianisches Angebot also.“ konstatierte sie.

      „Sizilianisch?“ Ihr Chef verstand nicht.

      „Na, Du weißt schon“, Mary freute sich. „eines, das man nicht ablehnen kann.“

      „So kannst Du es auch ausdrücken.“ Wayne lächelte kurz, dann sprach er weiter. „Die Burschen wollen Goldman. Als Glücksschweinchen, sozusagen. Sie haben die Idee, dass er zur Lottofee von SevenDollies wird, und sie damit ganz nach vorne kommen.“

      „Und was fällt für uns ab?“ Mary war noch nicht begeistert.

      „Im Gegenzuge für unser Maskottchen werden wir der Exklusivpartner für alle Übertragungen der Ziehungen, können die Gewinnerstories machen, und erhalten obendrauf ein fettes Honorar mit Beteiligung. Dazu kommen noch unsere vielen neuen Werbepartner, die darum betteln werden, NCCB die Werbeminuten abkaufen zu können, die natürlich im Preis ein wenig angepasst werden müssen.“ Paul Wayne roch förmlich schon ein riesiges Geschäft und er fügte, er schien wirklich begeistert, hinzu: „Eine Gelegenheit für uns, die sich nicht alle Tage wiederholt, Mary. Das ist DIE Chance in der obersten Liga anzukommen.“ Und in seinen Worten klang der Unterton der Beschwörung mit.

      „Und ich soll jetzt Goldmann überzeugen, da mitzumachen?“ fragte Mary, ohne auf Waynes Euphorie weiter einzugehen. „Was ist, wenn er ablehnt? Was, wenn er sich nicht dafür hergeben will, so etwas wie ein zu Fleisch gewordener Talisman zu sein? Soll ich ihn dann unter Drogen setzen?“

      Ihr Boss zuckte nicht mit den Wimpern. Für ihn existierte kein `Nein´ in dieser Sache. „Von mir aus, auch das!“ sagte er gefühllos. „Aber wie ich Dich kenne, meine hübsche Mary, wirst Du andere Mittel haben, die neue Cashcow von NCCB bei guter Laune zu halten, ihm begreiflich zu machen, dass er mitzuspielen hat.“ Wayne sah Mary Thompson geradewegs in ihre Augen. „Es ist zu wichtig für uns, Mary. Ich denke, Du solltest alles daran setzen, dass Goldman macht, was wir wollen.“

      Mary erwiderte den Blick ihres Chefs. „Du fändest es also in Ordnung, wenn ich mit ihm dafür schlafe?“

      „Mit Irgendwem musst Du es ja mal tun.“ antwortete Wayne, und was er meinte, traf Mary mit Wucht. Denn er wusste, dass sie sich dem Sender mit Haut und Haaren verschrieben hatte, gegen alle privaten Interessen, und bisher jede ihrer Beziehungen eben genau hieran gescheitert war. Aber Fairness war nicht sein Ding, es sprach der Paul Wayne aus ihm, der er war. Wenn es sein musste, teilte er auch unter die Gürtellinie aus. Dem Geschäft ist es egal.

      Mary setzte ein süßsaures Gesicht auf. „Ich wusste schon immer, Paul, dass Du ein Schwein bist!“ Mit einem kleinen, versöhnenden Lächeln fügte sie hinzu: „Und wir lieben Dich dafür.“ Sie stand auf. „Dann werde ich mich jetzt mal kurz mit unserem Objekt der Begierde unterhalten und ihm seinen Preis für die Show entlocken. Was bist Du bereit zu geben, Paul – ich meine, außer meiner Vagina?“

      Paul brauchte nicht zu überlegen, und die Spitze von Mary überhörte er, denn diese interessierte ihn auch nicht wirklich. „Zwölf Prozent aus allen Einnahmen, die wir mit ihm und SevenDollies machen. Aber fange mit einem Prozent an. Schon damit wird er bis an sein Lebensende ausgesorgt haben, dieser Glückspilz.“

      Mary hatte kapiert, was Goldman betraf. „Und was ist mit mir?“ Sie stand immer noch vor Wayne und sie wollte nicht gehen, bevor diese Frage für sie nicht auch beantwortet war. „Paul, was sind Dir meine Dienste wert?“

      „Verdopplung Deiner Bezüge.“ Paul schaute auf seine schwere, goldene Armbanduhr. Ein Zeichen für seine Ungeduld.

      „Das reicht nicht. Das ist Dir doch klar!“ Mary wusste, dass die Zeit zu drängen begann. „Goldman habe ich gefunden. Es ist mir zu verdanken, dass wir ihn unter Vertrag haben. Da muss schon ein größeres Stück vom Kuchen für mich abfallen, Paul!“

      „Es bleibt bei zwölf Prozent. Dann eben für Dich und Goldman zusammen.“ schoss es Wayne heraus. „Je weniger Dein smarter Sam abkriegt, desto mehr bleibt für Dich. Liegt dann ganz allein in Deinen Händen. Ist Dir das jetzt fair genug?“ Wayne hielt nur für drei Sekunden inne, dann schloss er ab und ein Unterton mischte sich bei, der unmissverständlich war: „Wenn Du zum Meeting mit Goldman erscheinst, weiß ich, dass Du ihn eingesackt hast. Wenn nicht, werde ich mir etwas einfallen lassen.“

      Mary Thompson nickte kurz, dann verließ sie den Raum und ging zu Sam, der in ihrem Büro auf sie gewartet hat. Als sie eintrat, schenkte sie Sam ihr schönstes Lächeln und die Wärme, mit der sie ihn ansah, war nicht gespielt. Sam sah ihr aber sofort an, dass sie gerade eine unerfreuliche Besprechung hinter sich gebracht hatte und fragte, deutlich besorgt: „Ärger?“

      „Im Gegenteil, Sam, alles andere als das!“ Sie setzte sich ihm gegenüber, schlug die Beine übereinander und beugte sich näher an ihn heran. „Wenn es bisher noch irgendwelche Zweifel gegeben hat, dass Sie ein Glückspilz sind, dann haben sich diese gerade in Luft aufgelöst.“ begann Mary.

      Und sie erzählte Sam über das Angebot von SevenDollies, den Skinners und malte Sams Rolle dabei in den schönsten bunten Bildern aus. Sie übertrieb dabei ein wenig, ohne aber zu weit dabei zu gehen. Sie blieb in ihrer Darstellung bewusst nüchtern und sachlich, wenn es um das Geschäftliche ging und endete – ganz pragmatisch mit dem Satz: „Sam, es ist ein Geschäft, das wir machen. Nicht mehr, nicht weniger. Und Sie werden ein wohlhabender Mann dabei.“

      Sam Goldman war durchaus nicht ablehnend. War doch auch diese Entwicklung ein weiterer Schritt in seinem neuen, reizvollen Leben, dem TV-Geschäft, den vielen aufregenden Ereignissen. Und wer wusste schon, was noch alles vor ihm liegen sollte. Und ein besonders Motiv schien sich bei ihm besonders stark zu werden. Mary. Willigte er ein, so würden sich die letzten Tage, die Begegnungen mit ihr, das leichte Prickeln in seinem Bauch, fortführen lassen. Und das wollte Sam in jedem Fall. Er schaute sie an, blickte vielleicht ein wenig zu tief in ihre Augen, und er gab ihr zu verstehen, dass er einverstanden war.

      Beide schwiegen eine kurze Zeit. Mary war innerlich aufgewühlter, als sie es von sich kannte. Und es war nicht allein die Aufregung um das Geschäft und den Erfolg. Sam war von seiner