Stefan G. Rohr

Das geliehene Glück des Samuel Goldman


Скачать книгу

ihre Auslöser konnte Sam bis in die Bank hören, die Tür stand weit offen und es sammelte sich eine größere Menge Menschen um die Absperrungen an. Von dort aus machten gleich ein halbes Dutzend Pressevertreter ihre Arbeit. So dauerte es auch nicht lange, bis der erste TV-Wagen mit seinem Kamerateam eintraf und den Trubel nochmals erhöhte.

      Sam hatte sich in sein Büro zurückgezogen. Er saß an seinem Schreibtisch, hatte sich in seinem Stuhl weit nach hinten gelehnt und starrte mit dem Kopf zur Decke. Polizisten huschten an seiner Türe vorbei und Sam begann den Kopf zu schütteln. Was war nur los? Da ging er gleich heute wieder zur Arbeit und schon ist er inmitten eines Bankraubes dabei. Es wurde auf Ihn gezielt und abgedrückt. Ein wahres Glück, dass die Kerle offenbar zu blöd waren, ihre Waffen vorher noch einmal zu kontrollieren.

      In seiner Bürotür standen nun zwei Detektives in Zivil und hielten ihre Marken vor die Glasscheibe. Sam winkte sie mit einer Handbewegung zu ihm.

      „Hi“, sagte der Jüngere von ihnen. „Alles ok mit Ihnen?“

      Sam nickte. „Ja, na klar. Setzen Sie sich. Sie werden jetzt wohl einige Fragen haben.“

      „Naja, “ antwortete der Detektive betont langsam, „so wie ich das hier sehe, ging es ja wohl kaum um eine Kontoeröffnung. Ich würde eher sagen: bewaffneter Raubüberfall und versuchter Mord.“ Der Cop lächelte verschmitzt und zückte einen kleinen Notizblock. „Dann woll´n wir mal, Sir.“

      Sam sah noch kurz durch die Scheibe in den Bankbereich. Neben jedem seiner Mitarbeiter stand ein Polizist und nahm deren Aussagen auf. Dann erzählte er den Detektives, was sich vor wenigen Minuten hier zugetragen hatte. Er endete damit, dass er, nachdem die beiden Männer aus der Bank gerannt waren, kurz darauf den Zusammenstoß auf der Straße hörte und gerade noch das Auto der Gangster durch die Luft fliegen sah. Der erste Detektiv klappte seinen Block zusammen und verstaute den Stift in seinem Sakko. Der zweite, etwas ältere Cop, hatte bislang nur zugehört. Jetzt aber wendete er sich an Sam.

      „Wenn das so stimmt, ich meine, natürlich glaube ich Ihnen, aber – Sie müssen zugeben – das klingt alles schon ziemlich skurril, scheiß drauf, also, wenn dem so war, dann … Mann, dann hatten Sie mehr Glück als Verstand ...“

      Sam schaute den beiden Polizisten abwechselnd in die Augen und nickte langsam. Dann erhob er sich, ging kurz zur Tür, öffnete sie und schrie in den Raum: „Kann mir hier irgendjemand mal einen Kaffee bringen?!“ Alle Gespräche verstummten abrupt und für zwei, drei Sekunden trat völlige Stille ein. Ein junger Mitarbeiter von Sam gab Zeichen, dass er ihn verstanden hätte und machte sich auf den Weg zur Kaffeemaschine. Sam schloss nun wieder die Tür und setzte sich zurück an seinen Schreibtisch. Die beiden Cops hatten ihn soeben wortlos beobachtet. Ein wenig erstaunt schauten sie diesen Bankmanager an. Was käme jetzt wohl als Nächstes?

      „Und die beiden Gangster?“ fragte Sam unversehens. „Was ist mit denen?“

      Die Detektives tauschten einen kurzen Blick aus. „Sind beide zur Hölle gefahren.“ antwortete der junge Cop fast beiläufig. „Noch im Auto. Spart dem Staat viele Kosten. Die hätten beide mindestens fünfzehn Jahre gekriegt.“ Und nach kurzer Pause fragte er Sam: „Aber wieso fragen Sie gerade jetzt danach? Mann, die wollten Sie gerade killen!“

      Die Tür öffnete sich und der junge Bankangestellte brachte Sam den gewünschten Kaffee. Sam stellte das dampfende Getränk vor sich auf den Schreibtisch. „Ja, warum mich das interessiert?“ Er machte eine kurze Pause. „Es ist so, dass ich den beiden einfach gerne ein, zwei Fragen gestellt hätte. Aber wissen Sie, es ist auch nicht so wichtig. Ich bin wohl von dieser Morgenüberraschung noch ein wenig verwirrt.“

      „Ja, das glaube ich auch.“ Der ältere Detektiv stand auf und setzte das Signal für die vorläufige Beendigung der Befragung Sams. „Das war´s fürs Erste. Danke für Ihre Kooperation. Und, bitte Sir, halten Sie sich zur Verfügung. Es wird sicher noch ein paar weitere Fragen von uns geben.“ Beide Cops nickten kurz in Sams Richtung, dann drehten sie sich um und schritten heraus zu den anderen Polizisten.

      Sam erledigte nun schnell noch einige Standards, die in solchen Situationen vorgeschrieben waren. So zum Beispiel informierte er die Banksicherheit über den Überfall, und diese machte sich dann auch gleich auf den Weg in Sams Filiale. Er nahm sich aber zunächst Zeit, um, mit seinen Leuten zu sprechen und begann danach alles Notwendige, das jetzt anstand, zu organisieren. Er vergaß auch nicht, kurz seine Eltern anzurufen, denn der Überfall wird sicher schon in den Medien gewesen sein. Er versprach, sich abends noch einmal zu melden. Vielleicht käme er auch noch kurz bei ihnen vorbei.

      Sams Aufmerksamkeit entging nicht, dass sich der Auflauf an Reportern und TV-Leuten vor der Bank ständig zu vergrößern schien. Auch dass sein privates Handy, dessen Nummer so gut wie niemand kannte, mehrfach klingelte, mit unbekannter Anrufnummer. Seine Eltern hatte er informiert und ihre Nummern sind gespeichert. Also, wer rief ihn an?

      Sam machte sich außerdem zunehmend Sorgen darüber, wie er hier am Abend ungehindert an den lauernden Reportern vorbeikommen sollte. Ein Gartenschlauch stand ihm in der Bank ja leider nicht zur Verfügung. Während er noch darüber nachdachte, klingelte abermals sein Handy. Er entschied sich, die Sache abzukürzen und den Anruf entgegen zu nehmen.

      „Hallo.“ meldete er sich.

      „Mr. Goldman?“ die Stimme eines jungen Mannes klang am anderen Ende. „Hier ist die Versicherungsgesellschaft der Fluggesellschaft SAC aus Durban. Ich verbinde Sie jetzt mit unserer amerikanischen Chef-Agentin. Bitte bleiben Sie dran.“

      Für einen Augenblick wollte Sam wieder auflegen. Er hatte zum jetzigen Zeitpunkt nicht auch noch Lust, sich mit Versicherungsangelegenheiten zu beschäftigen. Doch schien es ihm auch nicht ratsam, sich dessen zu entziehen. Es musste ja irgendwann sowieso erledigt werden.

      Eine hübsche, weibliche Stimme meldete sich: „Mr. Goldman, schön, dass ich Sie endlich erreiche. Wir haben es heute schon mehrfach versucht. Und es ist wichtig. Für Sie, Mr. Goldman! Ach, entschuldigen Sie, mein Name ist Laura Porter, und ich bin die für die SAC-Absturzsache in Durban zuständige Versicherungsagentin. Es geht nun darum, Mr. Goldman, oder darf ich Sie Sam nennen …? Also, Sam, es geht darum, dass es einige wichtige Dinge zu klären gibt, die wir nur in einem persönlichen Gespräch erledigen können. Wir müssen uns also so schnell es geht treffen. Was machen Sie heute Abend? Sagen wir um sieben Uhr?“

      Sam war etwas irritiert. Ziemlich viele Worte, wie er empfand. „Laura? Habe ich Ihren Namen richtig verstanden, ja? Also, Laura, zunächst würde ich gerne wissen, woher Sie meine Handynummer haben? Die ist eigentlich niemandem bekannt.“

      Laura Porter hieß in Wirklichkeit natürlich anders, nämlich Mary Thompson. Und sie hatte mit dieser Frage selbstverständlich gerechnet. „Sam“, antwortete sie und dehnte dabei seinen Namen zu `Saaaaam´. „Wir wären doch keine gute Versicherung, wenn wir nicht alle wichtigen Informationen von den für uns bedeutsamen Kunden hätten.“ Man konnte förmlich ihr hübsches Lächeln durch den Hörer erkennen. „Also, ist sieben Uhr O.K.? Dann bleibt es dabei. Ich komme dann direkt zu Ihnen nach Hause. Bis nachher!“ Und klick, das Gespräch war beendet.

      Kapitel 5

      Die Nachricht, dass der Mann, der als einziger die Flugzeugkatastrophe von Durban überlebt hatte, auch bei einem Banküberfall durch einen unfassbaren Zufall mit dem Leben davon gekommen sei, und dass dieser Zufall auch noch derart spektakulär war, dass gleich beide Waffen der Bankräuber versagt hatten, verbreitete sich im Land wie ein Lauffeuer. In den Redaktionen von Zeitungen, TV-Anstalten und Radio-Sendern herrschte veritables Chaos. Diese Story war unbeschreiblich und gehörte deshalb exklusiv gerade in das eigene Programm, Primetime, auf die Titelseite. Man musste diesen Sam Goldman einfach einkassieren. Was war das für ein sensationeller Aufmacher! Serienfähig, filmreif, ja, was sagte man, das roch nach dem Medien-Oscar, dem Pulitzerpreis und – vor allem – nach Einschaltquoten, Auflage und Absatz. Kurzum: Das roch