Stefan G. Rohr

Das geliehene Glück des Samuel Goldman


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ins Auto und fuhr mit lautem Motorgeheule davon. Vorbei an allen Nervensägen, die ihm mit bösen Drohgebärden fluchend die übelsten Schimpftiraden hinterher riefen.

      Viele Kilometer entfernt, vor der Stadt, startete der Fahrer den schweren Motor des Pontiacs und gab einige Male hintereinander Gas. Donnernd dröhnte das aufgemotzte Aggregat und verriet seine mächtige Kraft. Die Drosselklappen klickten dabei metallisch, immer wenn das Pedal durchgedrückt oder wieder losgelassen wurde. Der Wagen war bereit. So wie seine Insassen. Der Fahrer legte den ersten Gang ein und es knackte satt im Getriebe. Langsam setzte sich das Fahrzeug in Bewegung, und sonor schnurrend, mit sanftem Knirschen der Räder auf dem Sandboden, rollte der Wagen mit blubberndem Auspuff zur Straße, um die Richtung nach Greenville einzuschlagen.

      Pünktlich um viertel vor neun erreichte Sam die Bank und fuhr in die Tiefgarage des Gebäudes. Gottlob war keiner dieser Zeitungsmarder hier aufgetaucht. Offenbar vermutete niemand, dass er bereits schon am Tag nach seiner Ankunft zur Arbeit gehen würde. Damit überraschte er auch seine Mitarbeiter. Als er die Bank durch den Hintereingang betrat, ging ein lautes Staunen durch die Reihen. Die Freude aber war schnell größer, als die Überraschung. Alle sprangen auf, begrüßten ihn herzlich, schüttelten ihm die Hand und auch die eine oder andere Umarmung war dabei.

      Sam bemühte sich, dass alles so schnell wie möglich zurück zur Normalität gelänge und beschwichtigte seine Mitarbeiter, dankte ihnen für den liebevollen Empfang und tippte auf seine Armbanduhr: Um neun Uhr, in fünf Minuten, würden sie öffnen. Daran sollte sich auch an diesem Tage nichts ändern.

      Der Pontiac hatte inzwischen die Stadt erreicht und war, mit leichten Umwegen und einigen Schleifen, am Zielpunkt angekommen. Der Fahrer parkte den Wagen wie vorgesehen in einer Seitenstraße, nur wenige Meter von der breiten Hauptstraße entfernt. Von hier aus konnten die beiden Männer unmittelbar auf das Gebäude, in das sie hinein wollten, schauen. Der Eingang lag vis-à-vis, direkt vor ihrem Standort. Der Beifahrer griff hinter seinen Sitz und brachte eine Pumpgun zum Vorschein. Er schob behände und professionell mehrere Schrotpatronen in das Ladefach und schob den Pumpgriff kurz und kräftig von vorn nach hinten und wieder zurück. Es war jetzt drei Minuten vor neun.

      Sam stand neben dem Kassenbereich der Bank, und sprach mit der Kassiererin, die er schon viele Jahre kannte, schon aus Kindertagen, als er mit seinem Vater oder Mutter zur Bank mitgenommen wurde, wenn es der Monatserste war. Ein Angestellter stand mit dem Schlüssel an der Türe und blickte auf die große Uhr an der Wand über Sams Büro. Er würde um Punkt neun öffnen, so wollen es die Vorschriften.

      In der Seitenstraße gegenüber öffneten die beiden Männer die Türen ihres Pontiacs, stiegen aus und gingen langsam zur Hauptstraße. Der Verkehr war noch mäßig und der Weg zur anderen Seite nur kurz. Ein paar Sätze im Laufschritt und sie würden drüben sein. Inmitten der Straße zogen die laufenden Männer Masken über das Gesicht, die sie zuvor noch im Wagen zusammengerollt und auf die Köpfe gesetzt hatten. Es ging schnell, und schon waren sie auf der anderen Seite angekommen.

      Der Zeiger sprang in diesem Augenblick auf Neun, klick, und der Schlüssel drehte sich im Schloss der Eingangstüre. Es war geöffnet. Mit einem gewaltvollen Ruck, wurde die Tür jäh aufgestoßen und die beiden maskierten Männer stürmten in der Bank. Der völlig überraschte Angestellte mit dem Schlüssel erhielt mit dem Kolben der Schrotflinte einen Schlag auf die Stirn und sackte sofort zu Boden. Bei ihm blieb der Fahrer des Pontiacs, der eine durchgeladene und entsicherte Automatik, einen dieser mächtigen Militärrevolver, an den Kopf des Mitarbeiters hielt, dabei immer wieder in die Bank hineinschaute und seinen Komplizen sowie die entsetzt schauenden Bankangestellten aufmerksam beobachtete. Der zweite Mann richtete, mit bedrohlicher Pose, sein Gewehr auf die Angestellte und schrie herum, gab Befehle, drohte mit Erschießung, falls jemand den Alarm auslösen würde. Sodann forderte er die Herausgabe des Bargelds aus der Kasse.

      Der Mann mit der Pistole hatte den Türöffner, der bereits wieder zur Besinnung gekommen war, mit einem kräftigen Stoß in den Hauptbereich der Bank gestoßen und zielte mit seinem Revolver auf Sams Mitarbeiter. Eine junge Kollegin fing zu weinen an. Sie zitterte am ganzen Körper, ihre Beine versagten und sie sackte in sich zusammen. Der Mann mit der Schrotflinte wendete sich Sam zu, winkte mit dem Lauf seiner Waffe in Richtung der Kasse, und gab zu verstehen, dass Sam das Geld herausgeben sollte. Sam drehte sich langsam und ging mit besonnenen Schritten zum Kassenbereich. Er wusste, dass dieser zwar, wie jeden Morgen, gerade frisch aufgefüllt war, dennoch würde die Summe auch an diesem Morgen nicht gerade bedeutend sein. Die Typen mussten es also nötig haben, für ein paar tausend Dollar so ein großes Risiko einzugehen. Und wer es derart nötig hatte, der würde auch wenig Skrupel haben. Und diese Jungs schienen rein gar nichts zu verlieren zu haben, das konnte er auf einen Blick erkennen.

      An der Kasse angekommen griff Sam beherzt das Geld und nahm in jede Hand ein größeres Bündel von Dollarnoten. Es waren vor allem Zehner, denn diese wurden während des Tages am meisten gebraucht. Mit zwei vollen Händen stand er nun so da, und schaute dem Mann direkt in die Augen, der unbeirrt sein Gewehr auf Sam zielte, den Finger am Abzug. Sam aber tat etwas, was er sich im Nachgang zu diesem Raubüberfall selbst nicht erklären konnte. Mit einem Ruck warf er die Geldscheine hoch in die Luft, und diese verteilten sich wie ein Lamettaregen im Raum. Für einen Moment war die Luft plötzlich voller Geldscheine, die wie Blätter im Herbst zu Boden segelten, und sich dabei über eine breite Fläche verteilten. Sam griff nochmals in die Kasse und warf abermals die nächsten Scheine in die Luft. Als er das zum dritten Male wiederholen wollte, zog der Mann mit der Pumpgun den Abzug.

      Sam erwartete den Schmerz. Er musste davon ausgehen, dass seine Brust durch die Schrotkugeln in Stücke gerissen und er das nicht überleben würde. Doch er hatte weder die Augen geschlossen, noch durchzog ihn irgendein Anflug von Angst. Er stand da, mit den nächsten Geldbündeln in seinen Händen, und schaute auf den Schützen. Er sah die erstaunten Augen des Mannes, denn nach dem Ziehen des Abzuges war nur ein trockenes Klicken zu vernehmen, ein Schuss löste sich nicht. Der Mann lud nochmals durch, zielte auf Sam, drückte ab und – wieder nichts. Der zweite Gangster machte einen Schritt in Sams Richtung, zielte auf ihn und schoss. Doch auch seine Waffe versagte. Da half ihm auch nicht das schnelle, mehrfache nochmalige Abdrücken. Immer wieder nur das metallische Klicken.

      Die Männer begriffen zwar nicht sofort ihre Situation, doch als sie erkannten, dass ihre Waffen allesamt nicht funktionierten, ergriff sie die Panik. Sie drehten sich ruckartig um, rannten zum Ausgang der Bank und warfen im Eingangsbereich die Schussgeräte auf den Boden. Sie waren gerade durch die Türe ins Freie gelangt, da rissen sie sich die Masken vom Kopf und rannten zu ihrem Pontiac in der Seitenstraße gegenüber. Beide rissen die Türen auf und sprangen ins Auto. Der Fahrer startete den Motor und mit quietschenden Reifen raste der Wagen auf die Hauptstraße. Binnen weniger Sekunden folgte ein ohrenbetäubender Knall, ein lautes Scheppern und das Klirren von zerspringendem Glas. Ein schwerer Pick-up, der gerade auf der Straße angefahren kam, hatte den Pontiac genau auf Höhe der Fahrertüre bei dem Zusammenstoß getroffen. Mit immer noch brüllendem Motor hob der Pontiac ein gutes Stück vom Boden ab, drehte sich einmal um seine Längsachse und blieb etwa fünfzig Meter weiter auf dem Dach liegen. Die Räder drehten sich noch eine Zeitlang weiter und der Auspuff blubberte traurig, bis der Motor seinen Geist aufgab und nur noch der Dampf des austretenden Kühlwassers über der Fronthaube aufstieg. Der Fahrer war auf der Stelle tot. Sein Beifahrer hatte noch einige Augenblicke länger, um über das soeben in der Bank Geschehene nachzudenken. Er verstand sich auf Waffen. Und beide, die Pumpgun sowie sein Revolver, waren zuvor völlig in Takt. Noch vor wenigen Tagen hatten sie damit geschossen, auf Ihrer Ranch, zusammen mit ihrem Onkel, und danach auf zwei Polizeiwagen, nachdem sie eine Fahrzeugkontrolle durchfahren hatten und die Sherriffs die Verfolgung aufnahmen. Es war unbegreiflich. Aber es waren eben genau diese Gedanken, mit denen er seine Augen schloss. Dann war auch er tot.

      In der Bank kehrte bei fast allen wieder die Fassung zurück, nur die junge Mitarbeiterin schluchzte immer noch vor sich hin und nippte zitternd an einem Wasserglas, das Sam ihr kurz zuvor gereicht hatte. Es dauerte nicht lange, dann war die Straße vor der Bank voller Streifenwagen. Polizisten rannten aufgeregt herum, es wurden Absperrbänder gezogen und mehrere Sanitäter folgten den Cops, um sich um etwaige Verletzte zu kümmern. Fast ebenso schnell, wie die Polizei vor