du Skat?“
„Ich beschütze diese Frau.“ Julia wirft einen Blick Richtung Corinna. „Vor solchen wie dir.“
Fronzeks Gesichtsmuskulatur verspannt sich, der Anker am Ohr zittert, die Lust, die er vorher für die Frau empfunden hat, zählt nicht mehr. „Und ich, ich will jetzt wissen, was hier los ist.“
„Meine Freundin studiert Männerfreundschaften, und ich begleite sie im Hintergrund. Wie findest du das?“
„Siehst nicht nach Hintergrund aus, und ich gehe jede Wette ein, dass zumindest deine Freundin Skat spielt, denn wenn sie das nicht tut, wird sie uns nie begreifen.“
„Und jetzt?“, fragt Julia an Corinna gewandt.
„Wir suchen Sailor“, sagt Fronzek, „und du zeigst uns den Weg.“ Sein Finger zeigt auf Corinna. Corinna starrt auf den Finger. Ein Ruck geht durch ihren Körper. „Pimpern, Zigarette, Haustüre, Matrose Fronzek, und wenn ich Sailor finde, kann er was erleben.“ Fronzek winkt dem Kellner. „Rechnung und Taxi.“ Er zählt die Fahrgäste ab. „Ein Großraumtaxi.“
„Schnell Pinkeln“, sagt Corinna, „und dann los.“
„Männlich“, findet Albers, „Bingo.“
Julia folgt ihr. Corinna zieht sie zu sich heran. „Ich habe Sailor erschossen.“ Julia sieht ihre Freundin an. Ihr Blick transportiert Unverständnis. „Sailor, ich habe ihn erschossen.“ Julia erkennt, dass es die Wahrheit ist. Sie wartet darauf, dass der Gesichtsausdruck sich zurückverwandelt und dass es doch nicht die Wahrheit ist. Sie wartet vergeblich. Sie geht zum Waschbecken und wirft sich Wasser ins Gesicht. Sie sucht über den Spiegel Corinnas Blick. „Warum?“
Corinna greift nach Julias Hand. „Die haben mich gefickt, alle vier, als ich noch ein Kind war. Kannst du dir vorstellen, wie das ist, wenn man ein Kind ist und nichts davon wissen will?“ Das Handy klingelt. Es ist die Mutter. „Gib mir eine halbe Stunde, Kind.“
08. Mittwoch, 25.12.2013 |
08. Mittwoch, 25.12.2013 |
Der Schneefall ist stärker geworden. Das Taxi steht am Bordsteinrand. Motor und Scheibenwischer laufen. Fronzek und Albers reden. Schleyer raucht und hält sich abseits. Auch die Frauen rauchen. Der Fahrer beugt sich über den Beifahrersitz und stößt die Tür auf. „Können wir dann?“
„Sehe Mann ohne Erinnerung“, sagt Albers. „Du kennst das Mädchen. Woher?“
„Wir müssen Sailor finden, und alles andere passiert später, kapiert?“ Fronzek setzt sich ins Taxi. Der Fahrer wirft ihm einen auffordernden Blick zu. „Was ist mit den anderen?“
„Die rauchen.“ Fronzek gibt Schleyer ein Zeichen. Schleyer tritt die Zigarette aus und steigt ein. Alle steigen ein.
„Also?“ Die Frage kommt von Fronzek und ist an Corinna gerichtet.
„Görlitzer Bahnhof.“ Corinna klammert sich an die Handtasche. Sie hat Angst. Von der halben Stunde, die sich die Mutter gesetzt hat, sind erst zwanzig Minuten um. Bleiben zehn.
„Zum Görlitzer Bahnhof“, sagt Fronzek. Der Fahrer fährt los. Auf der Fahrbahn liegt Schnee.
„Tempo“, sagt Albers, „oder Schmerzen.“
„Sommerreifen“, sagt der Fahrer, „der Chef hat noch nicht auf Winter umgestellt.“
„Ist überall vorhergesagt worden“, sagt Schleyer, „das Internet wäre da als Beispiel zu nennen.“
„Görlitzer Bahnhof“, sagt Fronzek mit einer Stimme, die alle anderen verstummen lässt, „so schnell, wie es das Wetter zulässt.“ Sein Handy klingelt. Die Nummer ist unbekannt. Fronzek nimmt den Anruf entgegen. Er sagt nicht viel. Schließlich legt er auf. „Seine Vermieterin.“ Er dreht sich zum Fahrer hin. „Skalitzer 32.“ Dann wendet er sich an Corinna. „Ist das die Adresse?“
„Möglich, ja, doch, beim Görlitzer Bahnhof“, sagt Corinna, „bei der ältesten U-Bahn in unserem Land.“
Fronzek steckt das Handy weg. „Sailor ist mit der Miete im Rückstand.“
„Hat sie gestern verprasst“, sagt Schleyer.
Sie schweigen, bis sie am Fahrziel aussteigen. Corinna sieht zum Fenster hoch, in dem sich die Lichter einer U-Bahn spiegeln. Julia zündet sich eine Zigarette an. Fronzek geht an der Haustür die Namen durch und klingelt. Eine Frau öffnet. Sie hat einen gedrungenen Körper. Die Füßen stecken in Plastiksandalen.
„Frau Kosloff?“
„Wir haben telefonjiert?“
„Haben wir“, bestätigt Fronzek, „er hat Ihnen meine Nummer gegeben?“
„War im Briefkasten, mit Hinweis, dass ich rufe an wenn Notfaal.“
„Wann war das?“
„Zwei Monatsmjieten, ja wenn das keine Notfaal.“
„Wann Sie die Nummer gefunden haben?“
„Vorher, mjit ganze Werbung in Briefkaste.“ Kosloff hält Fronzek den Zettel hin. Fronzek liest: Für den Notfall: 0179-52862958. Die Schrift ist rot, es sieht nach Filzstift oder Tinte aus. Das Papier hat die Farbe aufgesaugt, und da, wo der Stift länger auf dem Papier verweilt hat, ist die Schrift schwer zu erkennen. Die 1 könnte auch eine 2 sein. „Ist das Blut?“ Fronzek deutet auf eine Verfärbung, die sich von der Mitte des Papiers zum Rand hin verwischt. Kosloff sieht genauer hin. „Nasse Finger, Ihre Freund.“ Sie steckt den Zettel weg. „Muss njieacht, dass alles immer gleich Blut.“ Sie macht eine versöhnliche Geste. „Komme rein.“ Sie macht die Tür weiter auf und sieht die anderen. „Dazu gehöre die auch?“
„Sind alles meine“, bestätigt Fronzek. „Alles meine.“
Kosloff sieht ihn an. Jetzt ohne Versöhnlichkeit. „Wege eine Mjieter?“
„Alles Freunde“, bestätigt Fronzek und breitet die Arme aus. „Alles Freunde.“
Das Misstrauen im Blick der Vermieterin verstärkt sich. „Ich njieacht traue jemand, wenn sagt alles doppelt.“ Sie geht einen Schritt auf Fronzek zu und deutet ihm in das Gesicht. „Und wenn du komme mir so und mit Bart der verheimlicht halbe Gesicht, dann ich traue gleich gar njieacht, okä?“
„Braucht eine“, kommt es von hinten. Kosloff wirft die Tür in das Schloss. Fronzek bückt sich nach einer Sandale. Eine Einlage kommt ihm entgegen.
„Schjieben ... unte durch.“ Fronzek schlägt mit der flachen Hand auf die Tür ein. Corinna erkennt ihre Chance und läuft los. Julia will hinterher. Albers hält sie zurück. Corinna sieht es und kehrt um. Albers grinst. „Dame hin her ...“
„Geld unte durch“, schreit die Vermieterin, „dreihundert, du verstehe?“
Fronzek macht einen Schritt auf Corinna zu. „Was sollte das?“
„Wird Angst gekriegt haben“, kommt Julia ihr zu Hilfe.
„Er hat mich gepimpert“, sagt Corinna, „hier oben im zweiten Stock, und jetzt ist er weg.“
„Gepimpert“, kommt es von Albers, „was das.“
„Dreihundert“, kommt es unter der Tür durch, „und Sandale und Einlage, meine kaputte Gelenk.“ Fronzek zählt das Geld ab und schiebt es unter der Tür durch. Kosloff macht einen Spaltbreit auf. „Unjätz?“
„Und jetzt sehen wir uns seine Wohnung an.“
„Wohnung?“ Die Vermieterin lacht. „Wohnung?“ Fronzek drückt die Tür auf. Kosloff stülpt sich die Sandale über den Fuß und geht voran. Beim Treppensteigen stützt sie sich am Geländer ab. Die anderen folgen. Im zweiten Stock bemerkt Fronzek einen Schatten und fährt herum. „Was ist das?“ Kosloff