fettigen Strähnen über den Augenhöhlen. Alle drei Männer tragen Kleidung, die die Oberarme bedeckt, der Dicke einen Pullunder mit Karomustern über dem langärmligen Hemd.
„Das ist sie also“, sagt der Lange mit dem Anker im Ohr.
„Nass geworden?“, fragt Schleyer.
„Ich die obere Hälfte“, sagt der Dicke.
„Die Frau ist tabu“, sagt Schleyer, und zu Corinna: „Fronten müssen geklärt werden, dass man weiß, wo man steht.“
„Wer-Fickt-Wen-Fronten?“, hakt Corinna nach.
„Nicht zu viel versprochen, Matrose Schleyer.“ Der Dicke wirft den Kopf nach links, um die Haare aus dem Gesicht zu kriegen. Seine Atmung ist hektisch. „Frohe Weihnachten, Dame.“
„Schneit es?“, fragt Schleyer, „es ist für heute Abend Schnee angesagt.“
Corinna schüttelt die Feuchtigkeit von ihrem Mantel. „Was versprochen?“ Aus den Augenwinkeln heraus sieht sie, dass Julia die Bar betritt. „Was versprochen, Schleyer?“
„Thomas Fronzek“, ignoriert Schleyer die Frage und deutet auf den mit dem Anker im Ohr. „Und das ist Detlef Albers.“ Sein Finger schwenkt zu dem Dicken rüber.
„Da ist noch eine“, sagt Fronzek.
„Hammer“, grölt Albers, „echt.“
„Wo ist Sailor?“, wendet sich Schleyer an Corinna.
„Ja wo ist er denn hin?“, sagt Corinna, „ja und wenn er noch kommt?“
„Kommt“, grölt Albers, „hat was am Haken.“
Fronzeks Blick deutet Richtung Julia, die sich an das andere Ende der Bar gesetzt hat. „Was treibt Damen wie euch in so ein Lokal?“
„Der empirische Teil meiner Seminararbeit“, sagt Corinna, „Thema Männerfreundschaften. Also: Was hat Schleyer wem versprochen?“ Die Drei Männer sehen sich an. „Männerfreundschaften“, grölt Albers im Stakkato, „tun Frau vertragen.“
„Immer die Ruhe, Dicker.“ Fronzeks Blick wechselt zu Corinna. „Ein Studium?“
„Das Verhalten von Zielgruppen erforschen, und wenn man das kennt, dann kann man das nutzen.“
„Kaufverhalten“, vermutet Schleyer, „im Internet.“
„Oder in der Kriminologie“, sagt Fronzek, „zum Erstellen von Profilen.“ Er starrt die Frau an. Corinna starrt zurück. Sie verflucht die Mutter, die die Tochter an die Uni schickt, damit die Sache hieb- und stichfest ist und ihr keiner etwas anhaben kann, die Mutter, die das Versteckspiel mit den Patronen erfindet, damit man dem Gegner den Schritt voraus ist, die Mutter, deren Welt aus Feinden und Bedrohung besteht, und dann kommt lange nichts, und dann die Gewichte und Seilspringen und Misstrauen, überall das Misstrauen, und jetzt steht sie hier, vor ihr die Bedrohung, und die Frau Mama ist weit weg von der Bedrohung. Sie verflucht sich selber, die auf die Mutter gehört hat. Sie sagt: „Auch da, Matrose Fronzek, auch in der Kriminologie, aber da braucht es schon Männer mit Eigenschaften, Matrose Fronzek, weil ein Mann ohne Eigenschaften, da kannst du lange nach einem Profil suchen. Besitzen Sie Eigenschaften, Matrose Fronzek?“
„Mann ohne Eigenschaften“, kommt es von Albers, „Musil, Scheißbuch, Bloody Mary.“ Er winkt dem Kellner. „Dame wie gestern, will heißen: same same.“
„Das Meer macht uns zu Männer“, sagt Fronzek, „zu harten Männer. Da hat man ein Profil fürs Leben.“
„Einmal immer Matrose“, grölt Albers, „Schiff hin her.“
„Seemannsgarn“, sagt Schleyer, „dieses Einmal-Immer-Gefasel.“
„Sehe Bil-derb-uchm-atros-enfa-ssade“, grölt Albers und zerhackt das Wort in unvorhersehbare Einzelteile, „innen hohl, Profil blass.“
„Ruhig, Dicker.“
Corinna denkt sich, dass Albers recht hat. Schleyer ist ein Bilderbuchmatrose, so wie die Welt sich einen Matrosen vorstellt, mit Vollbart, wettergegerbter Haut, stahlblauen Augen, tätowierten Muskeln. So, wie Sailor einer war. „So mancher Matrose ist kein harter Mann“, macht Schleyer weiter, „die Matrosen der Lüfte wären da als Beispiel zu nennen.“
Fronzeks Gesichtsauszüge entgleisen. „Erkläre dich, Matrose!“
„Die haben ein Merkmal, ja das gibt es nicht nur in der Luft“, sagt Schleyer und weicht einen Schritt zurück.
„Schwule Matrosen?“, hakt Corinna nach, „etwas, das mal gesagt werden muss?“
„Ich?“ Albers wirft seinen Schädel zur Seite. „Schwul?“ Er macht einen schnellen Schritt auf Schleyer zu und schlägt zu. Die Nase explodiert.
„Harte Männer“, sagt Corinna.
„So etwas wird an Ort und Stelle geregelt“, erklärt Fronzek, „wegen der Unmittelbarkeit.“
„Sonst nachgedacht“, sagt Albers, „also vorsätzlich.“
„Bin Gärtner.“ Schleyer wischt sich mit dem Hemdsärmel das Blut aus dem Gesicht. „Gärtner.“
„Gärtner?“ Albers Faust droht Schleyer abermals und bleibt dann vor Corinna stehen. Er dreht die offene Handinnenfläche nach oben. „Schwielen, Profil, Arbeit, Salz. Anfassen, Dame!“ Er greift nach ihr. Corinna weicht aus. Der Kellner stellt ihr den Drink hin. Sie holt die braune Flasche aus der Handtasche und füllt mit der Pipette Chili in das Glas. Die Männer beobachten sie.
„Gott“, grölt Albers, „was das?“
„Wirst schon sehen“, sagt Schleyer.
„Sehe Bilderbuchbart mit Blut“, grölt Albers. Er greift erneut nach Corinnas Hand. Er ist schnell, und Corinna zu langsam. „Gut?“ Er reibt seine Schwielen an ihr. „Vertäuung, Kilometer, Salz. Sehe Finger mit Bluterguss.“ Corinna reißt sich los. Albers lacht und nimmt die Chiliflasche. „280.000 Scoville, was das?“ Er saugt mit der Pipette Flüssigkeit auf, legt den Kopf in den Nacken, kriegt den ersten Tropfen ab und spuckt aus. Fronzek wendet sich Corinna zu. „Was machen die Studien, Frau Studentin?“
„Eine Bilderbuchzielgruppe seid ihr. Ich muss telefonieren.“ Sie nimmt ihre Tasche und geht nach draußen. „Wenn sie telefoniert“, sagt Schleyer, „dann will sie nicht gestört werden.“
„Und das Geschäft?“, will Fronzek wissen, „was habt ihr gestern besprochen?“
„Chinesische Zigaretten suchen in Hamburg einen Abnehmer. Zwei Container im Monat.“
„Kontakt, Ursprung?“
„Sailor wollte heute mit uns reden.“ Corinna kommt zurück. Sie sieht von einem zum anderen. „Gärtner also“, sagt Fronzek an Schleyer gewandt, und dann dreht er sich unvermittelt zu Corinna hin. „Wo ist Sailor?“
„Frauen?“, versucht es Corinna.
Fronzek winkt ab. „Geschäfte gehen vor.“
„Und was war gestern?“
„Ausnahme“, erklärt Albers, „einmal keinmal.“
„Er ist ein grottenschlechter Liebhaber, das muss einmal gesagt werden.“
„Mann taugt“, erklärt Albers, „wenn Frau taugt.“
„Ein grottenschlechter Liebhaber“, wiederholt Corinna, „ist es das, was das Meer aus einem macht?“ Offensiv, und du musst sie von der Wohnung weghalten, bis Mama ihn rausgeschafft hat.
„Ich kenne dich.“ Corinna zuckt zurück. Fronzek nickt. „Muss eine Weile her sein.“
„Hat einer von euch sehr viel Geld?“, geht Schleyer dazwischen, „ich habe Sailor schon gesagt, dass unsereins diese Frau nur mit sehr viel Geld beeindrucken kann.“ Corinna presst die Hände auf die Oberschenkel,