– quasi mein Vorgänger – über die Jahre Gelder im unteren fünfstelligen Bereich unterschlagen hatte. Und das war nur die Summe der Unstimmigkeiten, die aus den Büchern zu ermitteln war. Man kann nur vermuten, wie viel Geld unterschlagen wurde, ohne das es Hinweise in den Büchern gibt, wie beispielsweise gefälschte oder überhöhte Handwerkerrechnungen, für die Kick-Backs geflossen sind.
In der Besprechung zu diesem Thema, als ich ihm die Ergebnisse meiner Arbeit, einschließlich der neu vorbereiteten Excel-Tabellen vorlegte, schlug ich vor, einen Anwalt damit zu beauftragen, das Geld wenigstens zum Teil wieder zurück zu holen. Lukas lachte. Das solle ich ihm überlassen. Erstens sei er selbst Anwalt und zweitens gäbe es keine Möglichkeit, das Geld zurück zu holen, selbst wenn er wollte. Das sei ausgeschlossen.
Er war Anwalt? Ja, irgendwann war mal davon die Rede, aber er hatte keine Mandanten, zumindest nicht in Deutschland. Im Laufe der Zeit erfuhr ich Hintergründe und Einzelheiten zu diesen seltsamen Geschäfts- und Beziehungsgeflechten. Antonio Lukas hatte tatsächlich eine Lizenz als Anwalt in Italien, während seine Frau, eine gebürtige Italienerin, als Anwältin in Deutschland tätig war. Ihre Fachgebiete waren Familienrecht – vor allem Scheidungen –, Insolvenzrecht und Baurecht. Sie war eine sehr intelligente Frau, mehrsprachig, Juristin mit Doktortitel, den sie jedoch nie besonders hervorhob. Sie stammte aus einer wohlhabenden und einflußreichen norditalienischen Familie. Ihr Vater hatte großen Einfluß auf sie und wachte darüber, daß sie trotz ihres Lebenswandels die Ehre der Familie nie vergaß. Ihr Mädchenname war di Bardolo, woraus ich schloß, daß sie sogar adeliger Herkunft war. Sie hatte zwei Schwestern und zwei Brüder, was auch für italienische Familien heute eher ungewöhnlich ist. Sie war die zweitjüngste. Ihre Brüder hatten das elterliche Firmenkonglomerat weiterführen sollen, daher wollte sie; mußte sie; erwartete man von ihr; möglichst gewinnbringend zu heiraten. Warum sie Anton geheiratet hatte, der angeblich aus einfachen Verhältnissen stammte und sich alles erarbeitet hatte, konnte ich nie erfahren, nur daß sie sich schon auf der Uni kennengelernt hatten. Oder besser auf zwei Unis, denn sie haben sich zuerst in München und dann in Rom getroffen, wo Anton dann erfolgreich sein Juraexamen bestanden hatte. Das hat ihr wohl imponiert, aber Genaues habe ich nie erfahren.
Das einzige, was ich an Persönlichem zu ihrer frühen Beziehung einmal aus dem Munde Gabriellas erfuhr, war ihre lebhafte Schilderung, wie ihr Vater zunächst kategorisch abgelehnt hatte, daß sie ausgerechnet einen Deutschen heiratet, der dazu auch nicht einmal standesgemäß wäre. Aber schon nach zwei Wochen sei er plötzlich ganz enthusiastisch gewesen, und hätte später eine gigantische Hochzeitsfeier organisiert, und ihren Mann wie einen Sohn angenommen. Von Antonio erfuhr ich einmal ganz beiläufig, daß er schon kurz bevor er Gabriella geheiratet habe, die ersten, lukrativen Geschäfte mit ihrem Vater abgewickelt hatte.
Ich schweife ab, also zurück zu den gefakten Zahlen in den Jahresberichten. Ich hatte mich in diese Materie derart verbissen, daß ich es nicht darauf beruhen lassen wollte. Am nächsten Tag ging ich erneut zu meinem Chef, erklärte, ich wolle das Thema von gestern nochmals ansprechen und breitete ihm meine Überlegungen dazu aus: Ganz unverblümt sagte ich im ins Gesicht, für mich sei das eine Menge Geld, und ich könne mir nur zwei Szenarien ausdenken, in denen es unklug wäre, zu versuchen, das Geld zurückholen zu wollen. Erstens, er selbst, also Antonio Lukas, habe seinen Teil an den verschwundenen Geldern einkassiert und zweitens, sein Kompagnon ist tot oder ins Ausland geflüchtet. Lukas lachte schallend auf und klatschte in die Hände, so als würde er Beifall klatschen. Dann sagte er „beides“. Ich fragte nach: „tot und ins Ausland abgesetzt?“
Er lachte wieder, „nein tot und in die eigene Tasche! Was meinen Sie, wie man so einen gehobenen Lebensstandard denn sonst finanzieren kann? Man muß alle Tricks auf Lager haben, wissen, welche Beamte mit Geld und welche mit einem schönen Mädchen zu gewinnen sind und welchen man immer aus dem Weg gehen muß. Letztere gibt es auch noch, zum Glück sehr selten, und fast immer haben sie irgendwo auf der Hierarchie nach oben einen anderen über sich, der einen besser versteht. Aber ich freu mich, daß sie so ein kluges Köpfchen sind, Fräulein Greubel, und nicht nur einen wunderhübschen Arsch haben.“
Er hatte das erste Mal ein ordinäres Wort gebraucht, er zeigte sich sonst immer sehr distinguiert. Er beließ es nicht beim Wort. Er hatte sich erhoben und faßte mir unter meinen Rock, und obwohl ich ja von Anfang an immer damit gerechnet hatte, daß es zu sexuellen Übergriffen kommen würde, – wobei ich zuerst auch gedacht habe, wenn es unangenehm wird, nehme ich Reißaus und habe dann eben ein oder zwei gute Monatsgehälter auf meinem Konto, plus eine verrückte Geschichte im Gedächtnis und das war es dann – so war ich jetzt so perplex, daß ich nichts unternahm, sondern ihn gewähren ließ.
An diesem Tag hatte ich wieder einen String mit Taillenmieder und Nylonstrümpfen zum Anziehen bekommen, was nun immer häufiger der Fall war, also wirklich hoch erotische Wäsche, ich glaube der Marke Lise Charmel. Nachdem er meinen Po ertastet hatte und auch ein wenig geknetet hat, was durchaus angenehm war, trat er jedoch zurück und forderte mich auf, den Rock hochzuheben.
Dabei führte er aus: „Sehen Sie, Fräulein Greubel, ich liebe Luxuswäsche, aber es ist auch ein teures Hobby. Was Sie heute an Unterwäsche anhaben, hat round about 300 Euro gekostet, da ist es doch absolut klug, wenn ich es als Dienstkleidung über ein Firmenkonto laufen lasse und auch noch von der Steuer absetzen kann. Man muß das Nützliche mit dem Schönen verbinden. Die Idee mit der Dienstkleidung finde ich genial. Schade nur, daß sie nicht von mir stammt. Ich habe den Tip von Madame Elle. Sie werden sie noch kennen lernen, sie kleidet ihre Mädchen immer auf diese Weise ein.“
Ich guckte ihn ungläubig an, aber bevor ich meinen Einwand machen konnte, beantwortete er ihn schon selbst: „Und den Finanzbeamten klar zu machen, daß Dessous Dienstkleidung sind, fällt nicht nur den Edelprostituierten leicht. Oder glauben Sie, eine Marktfrau würde ihre Thermo-Unterwäsche nicht geltend machen?“ Nun war ich weder Marktfrau noch Edel-Prostituierte, oder vielleicht doch? Er hatte bisher keine Anstalten gemacht, mit mir zu schlafen, oder mich einem anderen Mann zuzuführen. Manchmal glaubte ich, es würde nie geschehen, manchmal wünschte ich sogar, es würde endlich geschehen. Immerhin hatte ich seit Monaten keinen Sex, einmal abgesehen davon, daß mich Michaela nun regelmäßig stimulierte – und ich selbst natürlich auch, vor allem am Wochenende, wenn es mir langweilig wurde, so allein in meiner Wohnung. Aber das war etwas anderes.
Ich gehe hier ja ziemlich in die Einzelheiten, was mein Intimleben angeht, ich denke jedoch, dies ist notwendig, um zu verstehen, wie sich alles, was noch folgte, entwickelt hat. Mein Bericht wäre unvollständig und auch nicht zu verstehen, glaube ich, wenn ich diese sehr persönlichen Dinge unerwähnt ließe, wobei ich natürlich auch nicht alle kleinen Begebenheiten schildern kann.
Ich fand es nicht ungewöhnlich, mein sexuelles Verlangen mit jedem Tag anwachsen zu sehen, weshalb ich mir wenigstens selbst am Wochenende ein wenig Erleichterung verschaffte. Ich ging dazu eines Tages auch in ein Erotikgeschäft. Dazu bin ich sogar extra nach Frankfurt gefahren, weil ich fürchtete, in meiner Stadt vielleicht jemanden zu treffen, den ich kenne. Ich bin natürlich nach Frankfurt gefahren, um Schuhe zu kaufen, obwohl ich ja ständig neue bekam. Online habe ich zwar auch schon mal nach Erotik-Artikeln geschaut, aber ich wollte hier weder meine Kreditkarteninformationen noch meinen Namen hinterlassen. Ich habe dann fast 200 Euro im Sexshop gelassen, hauptsächlich für Spielzeug. Ich glaube, seit meinem 13. Lebensjahr habe ich es mir regelmäßig selbst besorgt, wobei das Manipulieren weniger im Mittelpunkt stand, als meine erotischen Tagträume. Damals war ich heftig in unseren Mathelehrer verknallt, ein großer Blonder, der immer etwas verlegen wirkte, wenn ihn ein schönes Mädchen etwas fragte. Ich hatte bei ihm gute Noten und es hat richtig Spaß gemacht, bei ihm zu lernen, was sonst bei Mathe ja eher nicht der Fall ist.
Nun war ich aber seit acht Wochen Angestellte von Antonio Lukas, offensichtlich mit der Intention ihm als private Privatsekretärin auch zu unanständigen Diensten dienstbar zu sein, ohne das er sich mir auf eindeutige Weise genähert hätte – von dem einen Mal Po-Tätscheln einmal abgesehen. Ich habe es ja auch nicht verlangt, ich fand ihn zwar durchaus sympathisch, aber ich war nicht darauf aus, ihn anders denn als mein Chef wahrzunehmen, oder eine Affäre mit ihm anzufangen. Im Grunde wartete ich darauf, daß er etwas unternimmt, ich lauerte wie ein Tier, das eine