Ursula Mahr

Alt, aber herrlich mutig


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denn Reste von Stroh in den Boxen war mittlerweile dunkel vor Schimmel.

      Ziemlich ernüchtert schauten sich die Frauen an.

      "Und Land gehört auch dazu?" fragte Anne ziemlich lahm. Eigentlich interessierte sie dieser Hof kaum mehr. Zuviel an Geld und Kraft müsste hier investiert werden, um ein einigermaßen gemütliches Zuhause zu schaffen.

      "Moment", der Makler schaute in seine Unterlagen. "Ja, hier steht´s. Circa sechs Hektar." Er sah allerdings an den Gesichtern der Frauen, dass das Interesse bei allen in Richtung Null ging.

      "Und was soll das alles kosten?" fragte Lisa und machte eine ausholende Bewegung mit den Armen.

      "280.000 Euro, aber der Besitzer ist durchaus zu Verhandlungen bereit".

      "Ganz schön viel Geld für diese Bruchbude", brachte es Ursa auf den Punkt. "Wissen Sie, wir wollen unseren Lebensabend genießen und nicht noch Geld, Kraft und vor allem Zeit hier reinstecken müssen."

      Die anderen nickten nur.

      Der Makler ahnte, dass ihm hier die Felle weg zu schwimmen drohten. Also versuchte er erst gar nicht, dieses Objekt schön zu reden, sondern blätterte erneut in seinen Unterlagen und meinte: "Wenn Sie möchten, können wir dann zum nächsten Resthof fahren." Und damit ihm die Damen nicht noch kurzfristig absprangen in ihrer Enttäuschung, fügte er hinzu: "Sie werden begeistert sein. Das nächste Objekt ist überhaupt nicht mit diesem vergleichbar. Es wird Ihnen gefallen." Aufmunternd schaute er in die Runde.

      "Und wo müssen wir jetzt hin?"

      "Nun, Sie sagten, dass Sie Zeit haben. Dieses Mal geht es nach Schleswig-Holstein. Hier ist eine Karte." Er reichte Anita und Lisa je eine. "Dort ist alles genau eingezeichnet. Aber am besten ist, Sie fahren hinter mir her."

      Dieser Hof sah wirklich ganz anders aus: moderner und sauberer. Und die Lage war himmlisch. Ein großes, breites Feld lag hinter den Gebäuden, doch dahinter konnte man bereits die Nordsee sehen. Als die Frauen aus den beiden Autos ausstiegen, schob sich eine dicke, weiße Wolke vor die Sonne. Doch dann brachen einige Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und ließen das tiefblaue Wasser der Nordsee silbern aufblitzen. Die Frauen schauten sich an und lächelten zufrieden. Ja, das war Idylle pur, ein wahres Paradies. So hatten sie es sich vorgestellt.

      Das Haupthaus mit seiner geweißten Fassade leuchtete plötzlich in der hinter den Wolken wieder aufgetauchten Sonne. Es sah so hübsch aus mit seinen strahlend blauen Fensterläden und Türen. Selbst die Blumen in den Beeten mussten gegossen worden sein, denn sie leuchteten frisch in allen möglichen Farben.

      Fast andächtig betraten die fünf Frauen das Gebäude. Durch eine lange, breite Diele gelangten sie links in die Küche. Hier musste vor kurzem eine neue Landhausküche eingebaut worden sein, denn selbst die modernen Elektrogeräte blitzten vor Sauberkeit. Und in der Mitte stand eine großzügige Kücheninsel. In Gedanken sahen sie sich bereits dort zusammen stehen und Kartoffeln schälen, Gemüse putzen und sich dabei unterhalten. Im Erdgeschoss gab es außer der großen Küche ein geräumiges Wohn-/Esszimmer mit Gaskamin, einen Wirtschaftsraum, zwei Zimmer, von denen das kleinste mindestens achtzehn Quadratmeter maß, und ein in hellen Farben frisch gefliestes Wannenbad.

      Die Freundinnen konnten es vor Glück kaum fassen. Hier müsste nichts renoviert werden, alles sah tadellos aus. Ursa und Anita konnten nicht anders, sie nahmen sich gegenseitig in die Arme und hüpften eng umschlungen, kichernd wie kleine Schulmädchen, auf und ab. Lisa, die vor Aufregung ganz rote Wangen bekommen hatte, fragte den Makler: "Und wie sieht es oben aus?" Doch sie wusste es bereits, als sie den positiven Ausdruck in seinem Gesicht sah. Oben waren weitere fünf große helle Räume, alle weiß getüncht, und ein weiteres Bad mit einer XXL-Dusche. Besser ging es einfach nicht. Nachdem sie auch dort jeden Raum betreten und beifällig gemurmelt hatten, stiegen sie eilig wieder die Treppe hinunter. Lisa, die vergeblich versuchte, ernst zu bleiben, fragte den Makler, der unten geblieben war: "Können wir auch die Stallungen sehen?" Der Makler nickte nur und wies lächelnd in die entsprechende Richtung.

      Der Stall hatte eine L-Form und war nicht allzu groß. Eine Box, die größte, enthielt noch eine ganze Menge Heu, die anderen fünf Boxen waren kleiner, jede ungefähr zwanzig Quadratmeter groß, aber sauber gefegt. Darüber gab es noch ein paar kleinere Räume, die man ausbauen konnte. Stumm standen die Frauen im Stallgang. Sollte es tatsächlich wahr werden? Hatten sie so viel Glück? Sie konnten es kaum fassen. Langsam kam der Makler zu ihnen in den luftigen Stall, und ohne gefragt zu werden, sagte er: "Drei Hektar Land, meist Koppeln und Weiden, gehören auch dazu."

      "Und das gibt es wirklich alles in unserem finanziellen Rahmen?" sprach Lisa das Allerwichtigste an und musste sich vor Aufregung räuspern.

      Das Gesicht des Maklers wurde ernst: "Nein, nicht ganz. Dieser Hof, frisch renoviert, acht Zimmer, neue Einbauküche, neue Bäder, Stallungen, eine Scheune und drei Hektar Land beläuft sich auf 850.000 Euro." Und nach kurzer Pause fügte er leise hinzu: "Und diese Summe ist leider nicht verhandelbar."

      Ernüchtert schauten sich die Frauen an. "Aber wir haben doch nur 655.000 Euro. Und in unserem Alter gibt uns keine Bank einen Kredit."

      Enttäuscht verließen alle den Stall.

      "Warum nur haben Sie uns diesen Hof gezeigt, Herr Stöver", fragte Lisa und ihre Stimme verriet leichten Unmut und Enttäuschung.

      "Nun, ich dachte......"

      "Nein", fuhr sie ihm, jetzt richtig wütend und aufgebracht, dazwischen: "Sie haben offensichtlich überhaupt nicht nachgedacht. Meinen Sie etwa, wir können uns annähernd 200.000 Euro aus den Rippen schneiden?" Sie war laut geworden und Amelie fasste sie beruhigend am Arm. "Lass mich!" fauchte sie, machte sich unwirsch los und stapfte wütend und unsagbar enttäuscht in Richtung der Autos.

      "Sie hat recht", sagte Anne ruhig, "diese Besichtigung war wirklich reichlich überflüssig."

      "Ich muss raus hier." Ursa wurde das alles zuviel und sie floh an die frische Luft, stemmte dort beide Arme in die Hüften und sog tief die frische Nordseebrise ein.

      "Und der andere Hof?" versuchte es der Makler noch mal. Aber als er die entrüsteten Gesichter der Frauen sah, sagte er lieber nichts mehr.

      "Haben Sie noch einen Hof für uns?" fragte Ursa, doch der Makler schüttelte bedauernd den Kopf. "Im Augenblick leider nicht."

      Diese Enttäuschung mussten die fünf Frauen erst einmal verdauen und sie fuhren davon. Doch gleich im nächsten Dorf machte Anita mit der Lichthupe Zeichen und setzte den Blinker.

      "Was will sie", murrte Lisa in ihrem Auto. "Ist jetzt auch noch ihr Wagen defekt?" Aber sie blinkte ebenfalls und fuhr auf den Parkplatz eines Gasthofes. Dort stieg sie aus und blickte fragend zu Anita und Anne hinüber, die beide bereits ausgestiegen waren.

      "Was ist?" rief sie.

      Anita wies mit dem Kopf auf die Gaststätte. Lisa zuckte nur die Achseln, beugte sich hinunter und meinte zu Ursa und Amelie: "Steigt aus. Ich glaube, Anita will erst einmal einkehren."

      Stöhnend stieg Amelie aus. Sie merkte plötzlich, wie alt sie schon war und wie sehr der Rücken sie plagte. Auch Ursa stöhnte, und das Aussteigen der beiden dauerte ungewöhnlich lange. Vielleicht war das alles ja sowieso eine Schnapsidee, ging es Lisa durch den Kopf.

      Der Gasthof schien uralt. Das Mobiliar war dunkel und die Wände gelb vom jahrzehntelangen Zigarettenrauch.

      Dieses Haus steht bestimmt schon einige Jahrhunderte, dachte Ursa und stellte sich vor, wie hier alte friesische Fischer mit wettergegerbten Gesichtern nach der anstrengenden Arbeit auf See ihren Tee mit Rum tranken, bevor sie wieder hinausfahren mussten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

      Unter der ziemlich niedrigen Decke hingen Fischernetze, in denen sich Seesterne und Muscheln verfangen hatten. An den Wänden hingen gerahmte Bilder mit Motiven der wild schäumenden Nordsee. Außer ihnen saßen nur zwei ältere Männer in einer Ecke und starrten stumm auf ihre Getränke. Neugierig schaute der Wirt den Frauen entgegen und nickte ihnen zu. Nachdem die fünf sich an einen runden Tisch gesetzt hatten, kam er langsam zu ihnen. "Was darf´s sein?" fragte er knapp.

      "Gibt´s