Ursula Mahr

Alt, aber herrlich mutig


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Resthof an der Nordsee noch zu haben? Sie wissen doch, vor ungefähr einem Monat......"

      "Ja, ich kann mich erinnern."

      "Und?"

      "Ja, der ist noch nicht verkauft. Warum fragen Sie?" Anne machte das Daumen-hoch-Zeichen in Richtung Sofa, wo ihre Freundinnen mucksmäuschenstill saßen. "Nun, vielleicht können wir ihn doch kaufen." Ihre Freundinnen hüpften aufgeregt kichernd auf dem Sofa hin und her.

      "Das ist doch schön." Die Stimme des Maklers wurde etwas munterer und interessierter.

      "Herr Stöver, ungefähr Mitte der Woche oder vielleicht schon Montag können wir Ihnen sagen, ob wir das Geld zusammen bekommen. Könnten Sie dafür sorgen, dass uns nicht doch noch jemand zuvor kommt und uns den Hof wegschnappt?"

      "Aber natürlich, Frau Heide. Sie haben wohl im Lotto gewonnen, was?" amüsierte er sich, worauf Anne lieber nicht antwortete. Er lachte und war nun ganz bei der Sache. Schließlich würde er eine Menge verdienen, wenn dieses Geschäft zustande kam. "Wollen Sie den Hof noch mal sehen?" fragte er, jetzt ganz Geschäftsmann.

      "Das ist im Moment nicht nötig. Ich rufe Sie also dann an." Anne legte auf und strahlte ihre Freundinnen an.

      "Sag mal, Inge", fragte Lisa, die es kaum abwarten konnte, das Ergebnis zu erfahren, "wann wissen wir denn nun, wie viel wir gewonnen haben?"

      "Hm, morgen schon oder übermorgen müssten wir im Teletext schon nachlesen können, wie viel es wird."

      "Oh Gott, ist das aufregend!" Amelie schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte.

      Bereits am nächsten Mittag trafen sie sich wieder und aßen zusammen bestellte Pizzas, denn um sich etwas zu kochen, waren sie viel zu aufgeregt.

      Und dann war es soweit. Konnte man wirklich soviel Glück haben? Fassungslos und sprachlos schauten die Frauen auf die eingespielte Summe: 489.000 Euro! Das reichte! Das war mehr als genug um den Hof zu kaufen!

      Trotzdem meinte Lisa: "Das hätte ruhig etwas mehr sein können."

      Ursa knuffte sie empört in die Seite. "Du bist aber auch nie zufrieden. Immer hast du was zu meckern."

      "Ich meckere doch gar nicht!" blaffte Lisa zurück.

      "Doch", mischte sich Amelie ein. "Du bist ganz so wie in dem Märchen Der Fischer und sin Fru: nie zufrieden mit dem, was man hat. Ich glaube fast, das viele Geld tut dir nicht gut."

      Jetzt mischte sich Anne ein und rief: "Über eine Million! Sagt mal, Mädels, seid ihr verrückt geworden? Jetzt haben wir genug Geld für unseren Resthof und da fangt ihr an zu streiten? Was ist bloß los mit euch?"

      Betretenes Schweigen herrschte. Anne hatte ja recht.

      Der Umzug

      Veränderungen. Amelie mochte eigentlich keine Veränderungen. Sie hatte Angst davor. Einige wenige Male war sie mal mit der einen, mal mit der anderen Freundin verreist. Wenige Male, weil ihre Rente nicht besonders hoch war. Aber auch, weil verreisen Stress für sie bedeutete - eben Veränderungen vom täglichen Einerlei, was ihr von jeher eine gewisse Sicherheit gegeben hatte. Andererseits gefiel es ihr auch, wenn sie mal etwas anderes erlebte. Dann war allerdings ihr einziger Wunsch bei der nächsten Reise, dass es zum selben Ort ging, den sie schon kannte. Und niemals allein.

      Und nun sollte sie viele Kilometer von Hamburg entfernt leben. Der Resthof war schön, gewiss, lag in einer unglaublich reizvollen Umgebung, doch wären ihre Freundinnen nicht gewesen, wäre sie am liebsten geflüchtet und hätte niemals diese Entscheidung getroffen. Sie sah die Schönheit einfach nicht, weil sie wusste, es würde endgültig sein, hier zu leben.

      Draußen standen mehrere Umzugswagen und die Möbelpacker waren bereits seit einigen Stunden damit beschäftigt, die Schränke, Tische, Stühle und Betten ins neue Haus zu tragen. Amelie sollte wegen ihrer Gehbehinderung eines der unteren Zimmer beziehen. Und Inge hatte darum gebeten, auch unten wohnen zu dürfen.

      "Dann bin ich ja schon wieder ständig auf der Treppe", murrte Lisa, die ihre Maisonette-Wohnung inzwischen verkauft hatte. Doch so richtig ernst meinte sie es nicht. Sie gönnte den beiden die unteren Zimmer. Anne, Anita, Ursa und Lisa zogen nach oben. Das kleinste der oberen Zimmer blieb zunächst frei. Hier könnten eventuelle Gäste übernachten.

      Das Auspacken der Umzugskartons und das Einräumen der Sachen dauerte viele Tage. Im großen Wohn-/Essbereich stand jetzt ein großes Bücherregal, das von einer Wand zur anderen reichte. Zwei große Couches und zwei Ohrensessel mit Fußbänken sorgten für Gemütlichkeit. Ein fast vier Meter langer rustikaler Holztisch, an dem bequem zwölf Leute Platz hatten, dominierte das Esszimmer. Da die Küche bereits vollständig vorhanden war, eine weiße Landhausküche, musste keine der Frauen ihre eigene mitbringen. Da sie unzählige Haushaltsgegenstände nicht nur doppelt, sondern sechsfach besaßen, hatten sie bereits in Hamburg Wohnungsflohmärkte abgehalten. Viele Sachen hatten sie jedoch immer noch doppelt und dreifach.

      "Was haltet ihr davon, wenn wir hier auf dem Hof auch einen Flohmarkt veranstalten? Wir können dabei auch gleich einige der Nachbarn und Dörfler kennen lernen", schlug Lisa vor.

      "Eine ausgezeichnete Idee", bekam sie gleich mehrfaches positives Feedback. Und so wurde es gemacht, wobei sich herausstellte, dass Anita sich schlecht von irgendetwas trennen konnte. Bei jedem Kerzenständer, bei jedem Kochlöffel, bei jedem Wein- oder Wasserglas fing sie an zu debattieren, weshalb sie unbedingt dies oder das behalten wollte.

      "So kommen wir nicht weiter", sagte Lisa ungeduldig. "Wo willst du denn das alles aufbewahren? Doch wohl nicht in deinem Zimmer? Und in der Küche haben wir schon alles. Im Esszimmer steht der Schrank voller Geschirr und Gläser. Also wohin?"

      Anitas Blick ging unsicher in Richtung Scheune, so dass sich selbst Anne einmischte: "Daran denkst du doch wohl nicht im Ernst, oder?" Resigniert zuckte Anita mit den Schultern. Sie wusste ja, dass die beiden Recht hatten. Aber sie konnte sich eben so schwer trennen. Deshalb versuchte sie es erneut: "Aber die Sachen sind doch noch gut."

      "Richtig", meinte Anne bestimmt, fasste sie an der Schulter, drehte sie um und verließ mit ihr den Raum." Aber du musst doch einsehen, dass das so nicht funktioniert. Was hältst du davon, wenn wir die überzähligen Sachen spenden?"

      Ein weiteres Problem zeigte sich, als Ursa aus der Stadt zurück kam. Eigentlich wollte sie nur zum Zahnarzt und hatte sich dafür Anitas Auto ausgeliehen. Doch nun, bei ihrer Rückkehr, was sie nicht allein. Ein riesiger Hund sprang neben ihr aus dem Wagen, ein Mischling, doch man konnte erkennen, dass zumindest ein Schnauzer bei dieser Mischung mitgewirkt hatte. Ein Riesenvieh, dachte Amelie erschrocken, und Micki, ihr kleiner Terrier, fing sofort wütend an zu bellen und das schwarze Ungetüm zu umkreisen. "Halt diesen Hund fest!" schrie sie und ihre Aufregung übertrug sich noch mehr auf Micki, der sich wie verrückt gebärdete. Langsam griff Ursa nach dem Halsband des Hundes, dem sie bereits den Namen Trigger gegeben hatte. Bücken brauchte sie sich dabei nicht, so groß war er. Aber auch so ruhig. Gelassen schaute er auf den kleinen Hund, der wie ein Punchingball in großem Bogen um ihn herumwirbelte.

      Lisa kam aus dem Haus. "Huch, was ist das denn?" Irritiert schaute sie in die Runde und legte die Stirn in Falten, als sie Mickis Aufregung bemerkte. "Das geht nicht gut", murmelte sie, allerdings so leise, dass niemand sie verstand. "Was soll das?" fragte sie ärgerlich in Ursas Richtung.

      "Ja, das möchte ich auch wissen", rief Amelie laut. Sie hatte Micki inzwischen erwischt und auf den Arm genommen.

      Ursa lachte. "Was ihr alle habt. Das ist doch nur ein Hund. Und ein ganz lieber dazu."

      "Und warum ist der hier? Wir haben doch schon einen."

      Trotzig richtete Ursa sich kerzengerade auf. "Ich wollte schon immer einen Hund haben. Also bin ich vorhin noch schnell ins Tierheim gefahren. Und was ist besser geeignet für einen Hund als alles das hier." Damit machte sie eine weiträumige Geste mit ihrem Arm, die den gesamten Hof und die Weiden dahinter umschloss.

      Amelie wurde jetzt richtig wütend. "Aber doch nicht ohne uns zu fragen! Und außerdem",