Gerhard Grollitsch

An den Grenzen der Wirklichkeit


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ging.

      So hatten wir keine Geheimnisse voreinander, außer jenen, die allzu persönlich waren und die ich lieber mit meiner Freundin Flora besprach.

      Vater saß mit mir beim Abendessen.

      „Also, der Theobald hat sich gut in die Firma eingegliedert. Ich glaube, da hab ich einen guten Griff getan.“

      Eigentlich wollte ich darüber gar nichts wissen, aber da ich nun einmal BWL studierte, musste ich mich wohl für Entwicklungen in der Firma interessieren.

      Vater fuhr fort:

      „Ich glaube, die Idee, eine Werkzeugmaschinenproduktion aufzubauen, ist eine sehr gute. Allerdings wird diese Unternehmung eine erhebliche Investition bedeuten. Trotzdem ich kapitalmäßig gut ausgestattet bin, werde ich noch eine Menge Fremdmittel benötigen.

      Der Steuerberater drängt schon lange darauf, eine Kapitalgesellschaft zu gründen. Jetzt, da auch Elvira bereit ist, Geld bei mir anzulegen, scheint die Angelegenheit wegen anderer, sich vielleicht neu eröffnender Aspekte akut zu werden.“ Er legte seine Stirn in Falten.„Ich weiß nur nicht, welche Gesellschaftsform die passendste wäre.“

      „Vielleicht kann ich dir behilflich sein“, warf ich ein.„Ich werde mit Doktor Marterbauer von meiner Uni sprechen. Er referiert unter anderem über Steuerrecht und ich kenn ihn ganz gut.“

      „Da würdest du mir sehr helfen. Manchmal vergesse ich, dass du ja einschlägig studierst. Ab jetzt werde ich deine Hilfe stärker in Anspruch nehmen, auch im Hinblick auf meine Zukunftspläne.“

      Fragend blickte ich ihn an, aber er lächelte nur und blieb mir eine Antwort schuldig.

      Zunächst wusste ich nicht, was mich an unserem Gespräch irritierte.

      Schlagartig wurde es mir dann klar. Elvira und ihr Sohn. Der Vater wollte sie wohl nicht nur in die Familie integrieren, es schwebte ihm scheinbar mehr vor, wie seine Andeutung auf Geldeinlage durch Elvira schließen ließ.

      Das gefiel mir gar nicht. Ich würde aufpassen müssen.

      Beim nächsten Abendessen ergab sich die Gelegenheit zu einem weiteren Gespräch.

      „Ich habe mit Doktor Marterbauer diskutiert.“

      Interessiert schaute mich Vater an. „Und?“

      „Grundsätzlich hängt die Betriebsform vom Volumen ab. Je größer dieses ist, umso ungünstiger wird die Form der Einzelfirma und auch der Personengesellschaft, sowohl haftungsmäßig als letztlich auch steuerlich, obwohl man im Steuerrecht versucht, gleichmäßig zu belasten. Die Unterschiede liegen trotzdem in der Lastenverteilung und dem unterschiedlichen bürokratischen Aufwand. Was die Haftung betrifft, ist die Auswirkung auf den einzelnen Kapitalgeber gravierend. Das Risiko, mit welchem in einem Betrieb gerechnet werden muss, ist sehr spartenabhängig, In einem reinen Handelsgeschäft wird ein weit geringeres Risiko auftreten, als zum Beispiel in einem Erzeugungsbetrieb, oder gar einem Bauunternehmen.

      Bei sehr großem Kapitalbedarf ist die Aktiengesellschaft als Körperschaft von Vorteil, weil die Finanzierung über Aktien erfolgt. Eine GmbH ist wegen der Überschaubarkeit der Kapitalgeber flexibler, die AG ist aber finanziell breiter aufgestellt.“

      Mein Vater ließ meinen Vortrag auf sich einwirken. Dann meinte er: „Wegen des künftigen Kapitalbedarfs müssten wir eigentlich eine AG gründen, andererseits stört mich aber, dass die Freiheit der Entscheidung erschwert wird. Ich möchte Herr in meinem Haus bleiben.“

      Dann kommt nur eine GmbH in Frage“, warf ich ein.

      „Zunächst ja, solange die Kapitalisierung sichergestellt ist.“

      „Und, ist sie das?“

      „Im Moment völlig ausreichend, aber für meine Zukunftsvisionen brauchen wir sicher viel mehr Finanzmittel, und das bereitzustellen könnte über die Banken schwierig werden, wenn das Privatvermögen herausgehalten werden soll.“

      „Reden wir Klartext.“ Ich schaute ihn eindringlich an. „Informiere mich über deine Pläne und Visionen, dann kann ich auch dazu Stellung beziehen. Bisher hat sich alles nur in deinem Kopf abgespielt und ich habe überhaupt keine Vorstellung vom Status der Firma. Wenn du meine Meinung hören willst, musst du mir reinen Wein einschenken.“

      Er lächelte.

      „Das Küken wird erwachsen. Gut, du sollst meine Pläne erfahren. Ich möchte die Firma für internationale Geschäfte fitt machen. Da ich nicht mehr der Jüngste bin und in meiner Tochter die Zukunft sehe, solltest du nach deinem Studium die kaufmännische Geschäftsführung übernehmen. Im technischen Bereich baue ich mit Theobald einen geeigneten Mann auf. Über seine Qualifikation brauchen wir nicht zu diskutieren. Sein persönliches Engagement wird groß sein, da er bald zur Familie gehören und vielleicht, wie ich hoffe, noch enger an sie gebunden werden könnte.“

      „Wie meinst du das?“

      „Theobald wäre kein schlechter Partner für dich.“

      „Schlag dir das aus dem Kopf. Diese Chancen stehen sehr schlecht, denn ich habe mich verliebt.“

      Missbilligend, wie mir schien, blickte er mich an. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss.

      „Ernsthaft?“, fragte er.

      „Mehr als das. Er ist meine große Liebe.“

      „Und wer ist der Glückliche?“

      „Du kennst ihn. Hermann ist der Servicetechniker der Firma Ortner.“

      Er brauchte einige Zeit, bis er meine Worte verdaut hatte.

      Dann sagte er nachdenklich: „Ein tüchtiger Bursche, wie er bewiesen hat, aber …ich muss das erst überdenken.“

      Meinem fragenden Blick wich er aus, dennoch hörte ich ihn murmeln: „Lieber wäre mir die GmbH, aber unter diesen Umständen wird es wohl eine AG sein müssen.“

      Laut sagte er: „Ich will deinen Hermann kennen lernen. Ich lade euch am Samstag in den Felsenkeller ein.“

      Ich sprang auf, fiel ihm um den Hals und gab ihm einen Kuss.

      Mein Glückszustand war so groß, dass mir ein Ereignis nicht so wichtig erschien, weil es meiner Meinung nach mehr Papa betraf. Das hätte es aber tun sollen, denn die Auswirkung, dass Elvira bei uns einzog, war erheblich.

      Doch ich war glücklich, warum sollte es Papa nicht auch sein?

      Trotzdem blieb im Unterbewusstsein, noch undefinierbar, ein Rest von Unbehagen.

      „Willst du Elvira heiraten?“, fragte ich ihn nach ihrem Einzug direkt.

      „Diese Absicht besteht nicht.“

      Das beruhigte mich. Ich nahm Elvira als Hausgenossin zur Kenntnis.

      Wilfried lag mit Elvira im Bett.

      „Theobald macht das in der Firma gut“, sagte er.

      Elvira nickte erfreut.

      „Er fühlt sich wirklich wohl“, bestätigte sie. „Wie schön wäre doch auch, wenn sich zwischen ihm und Erika etwas anbahnen würde.“ Elvira legte ihre Hand auf seine Brust.

      „Daraus wird wohl leider nichts werden. Erika hat mir gestanden, dass sie sich in einen jungen Mann verliebt hat. Sie hat ihn bei uns im Betrieb kennen gelernt. Er ist Servicetechniker bei Ortner. Er scheint ganz tüchtig zu sein. Ich will ihn kennen lernen.“

      „Kannst du ihr das nicht ausreden? Junge Mädchen verrennen sich leicht.“

      „Wenn sie ihn wirklich liebt, wird das nicht gehen. Deshalb will ich ihn genauer unter die Lupe nehmen.“

       Hermann

      Den ganzen Tag trug ich mich mit dem Gedanken, Erika anzurufen.

      Es war höchste Zeit, uns wiederzusehen. Außerdem, wollte ich endlich mein Gewissen erleichtern. Sie musste über mich