June A. Miller

SAOMAI


Скачать книгу

härter werden und ihren eigenen Orgasmus herannahen wie einen Tornado. Ihr Atem ging stoßweise, und während Neill sie mit einer Serie hämmernder Stöße nahm, zog er ihr den Seidenschal vom Gesicht.

      Saomai schrie um ihr Leben. Sie lag auf dem gläsernen Boden eines Balkons, siebzig Stockwerke über dem nachtgrellen Bangkok. Und während sie glaubte, im freien Fall auf die Stadt herabzustürzen, erlag sie dem Orgasmus ihres Lebens.

      „Kann ich davon ausgehen, dass du zustimmst?“, fragte Neill später mit unverschämter Zuversicht.

      Er hatte Saomai auf die Couch im Salon gebettet und ihr eine Kaschmirdecke übergelegt, in die sie sich schmiegte. Da sie noch immer zitterte und aus übergroßen Augen auf die Skyline starrte, tätschelte er sanft ihre Schulter. Saomai räusperte sich.

      „Kann ich das morgen entscheiden?“, fragte sie leise.

      Sie wirkte völlig mitgenommen und Neill fühlte sich für einen kurzen Augenblick schlecht, weil er dafür verantwortlich war.

      Andererseits, dachte er, war das eine unglaubliche Nummer gewesen!

      „Natürlich“, gab er zurück. „Heute Nacht lasse ich dich aber nicht mehr gehen. Dazu bist du viel zu durcheinander.“

      Er mixte zwei Martini. Saomai nahm ihren dankbar entgegen, nippte daran und genoss die Wärme, die sie kurz darauf durchflutete. Minuten später endlich entspannte sich ihr Körper. Der Kopf hörte auf, immer und immer wieder Bilder vom Sturz in die Tiefe abzuspulen, ihr Herz verlangsamte sein Tempo, bis es einem gemächlichen Trab gleichkam und allmählich verebbte auch das Zittern ihrer Glieder.

      „Ich habe ein Gästezimmer“, hörte sie Neill sagen, „sehr gemütlich, mit eigenem Bad und allem, was man braucht. Es steht dir zur Verfügung.“

      „Hmm“, murmelte Saomai und kuschelte sich tiefer in die Couch. „Klingt gut.“

      Dann gab sie der Schwere nach, die sich wie ein weiches Tuch über ihr ausbreitete. Neill, der ihr gegenüber Platz genommen hatte, sah vergnügt zu, wie sie einschlief.

      ****

      Sie erwachte aus einem erholsamen Schlaf und zum ersten Mal seit vielen Monaten galt ihr erster Gedanke nicht Lamom Benjawan. Stattdessen dachte sie an Neill Ferguson und errötete bei der Erinnerung daran, was er mit ihr getrieben hatte. Es war unglaublich gewesen! Trotz des Schocks, den sie am Ende erlitten hatte. Oder gerade deswegen? Saomai wollte sich den Abend noch einmal in Erinnerung rufen, da fiel ihr Blick auf eine silberne Standuhr neben dem Bett. Oh je, schon so spät?

      Sie würde es nicht rechtzeitig ins Krankenhaus schaffen! Andererseits, dachte sie und ließ sich zurück in die Kissen sinken, mache ich Überstunden wie verrückt! Da durfte sie sich auch einmal eine Verspätung gönnen.

      Saomai konnte sich nicht erinnern, jemals in einem so prächtigen Bett aufgewacht zu sein. Es war in jedem Sinne ausladend und schien alles dafür zu geben, dass sie noch liegen blieb. Doch als die Uhr Viertel vor Sieben anzeigte, gab es kein Entkommen mehr. Seufzend schwang sie die Beine aus dem Bett und machte sich auf den Weg ins Bad. Dabei sah sie sich neugierig um. Wie hatte Neill gesagt? Ich habe ein sehr gemütliches Gästezimmer. Er hatte nicht übertrieben. Ein hochfloriger Teppich ließ sie durch das Zimmer schweben, das in warmen Beigetönen gehalten war. Es gab ein Schminktischchen mit lederbezogenem Hocker und einen Schreibtisch aus massivem Tropenholz. Eine Chaiselongue am Fenster fing den spektakulären Blick über die Stadt ein! Den scheint hier jedes Zimmer zu haben, dachte Saomai und erinnerte sich, dass die Penthouse-Suite das gesamte Stockwerk einnahm. Staunend betrat sie das Bad. Es war dreimal so groß wie ihr eigenes und mit dunklem Marmor ausgelegt. Von der Zahnbürste bis zum Shampoo in Miniaturausgabe stand alles bereit. …mit allem, was man braucht. Saomai lächelte, als sie verstand, was Neills gemeint hatte. Am Spiegel steckte ein Zettel.

      Ich würde mich freuen, dich heute Abend zu sehen.

      20 Uhr, wenn es für dich passt?

      Neill

      Er wollte sie also wiedersehen! Sehr gut.

      Saomai betrachtete sich in dem wandgroßen Spiegel. Heute Abend würde sie sich beweisen müssen, soviel war klar. Doch die Vorstellung, sich mit dem Partner des Mörders ihres Vaters einzulassen, trieb ihr kalte Schauer über den Körper. Was wusste sie schon von Ferguson? Vielleicht steckte er mit Lamom Benjawan unter einer Decke, war genauso skrupellos wie er?

      Nun, sie würde es herausfinden.

      Rasch duschte sie, schlüpfte in ihre Kleider vom Vorabend, die sie zusammengefaltet auf der Chaiselongue fand, und beeilte sich, das Apartment zu verlassen, bevor sie Neill begegnete. Sollte er ruhig im Ungewissen darüber bleiben, ob sie kommen würde! Unten auf der Straße winkte Saomai ein Taxi heran. Sie ließ sich in ihre Wohnung bringen, sprang in ihre Ärztekleidung und nahm die wenigen Straßen zum Krankenhaus zu Fuß.

      Der Tag zog wie in Trance an ihr vorüber. Sie war unkonzentriert und antwortete auf Fragen von Patienten und Kollegen nur mit Verzögerung. Zum Glück stand heute keine Operation an! Und auch Direktor Wong ließ sich nicht blicken. Nur Nadee bedachte sie mit Befremden im Blick, wann immer sich ihre Wege kreuzten. Ein paar Mal setzte er zu einer Frage an, doch Saomai eilte ihm stets davon. Was sollte sie ihm erzählen?

      Um Punkt sechs Uhr verließ Saomai zur Überraschung der diensthabenden Schwester Tuk die Station und hastete nach Hause. Sie packte ein paar Kleidungsstücke, wählte mit Bedacht Schuhe, die sexy wirkten, ohne ihrem Fuß zu sehr zuzusetzen und sprang in das nächste Taxi. Um halb Acht betrat sie das Gebäude, in dem Neills Apartment lag, ließ den Fahrstuhl kommen und drückte auf den Knopf für das fünfzigste Stockwerk. Als die Fahrstuhltüren auseinander glitten, fand sich Saomai im wohlduftenden Empfangsbereich des „Delight Clubs“ wieder. Chandra persönlich stand hinter dem teakhölzernen Tresen.

      „Saomai, Liebes!“, rief sie überrascht und eilte ihr entgegen, so schnell es ihre glitzernden Plateauschuhe zuließen. Die beiden Freundinnen fielen sich in die Arme. Doch schon im nächsten Augenblick schob Chandra Saomai von sich und hielt sie am ausgestreckten Arm auf Abstand.

      „Du hast dich den ganzen Tag nicht gemeldet!“, schimpfte sie vorwurfsvoll. „Dabei platze ich vor Neugier! Wie ist es gelaufen?“

      „Gut“, Saomai grinste. „Ich denke, ich bin jetzt seine persönliche Masseuse.“

      Die letzten Worte setzte sie in Anführungszeichen, indem sie Zeige- und Ringfinger beider Hände krümmte.

      „Was heißt das denn?“

      „Dass ich dein bestes Massageöl brauche!“, lachte Saomai.

      „Na, du machst mir Spaß“, gab Chandra lakonisch zurück. „Ich brauche mehr Details! Was ist da gestern passiert?“

      „Das erzähle ich dir ein andermal, in Ruhe“, wehrte Saomai ab.

      Sie wollte pünktlich bei Neill auftauchen. Wenn er schon nicht sicher sein konnte, ob sie überhaupt kam.

      Chandra versorgte sie mürrisch mit allem, was sie brauchte.

      „So einfach kommst du mir nicht davon“, nörgelte sie, als Saomai ihr zum Dank einen Kuss auf die Wange drückte. „Ich will alles ganz genau wissen. A-L-L-E-S, hörst du?“, rief sie Saomai hinterher, die längst im Fahrstuhl verschwunden war.

      ****

       „Chandra hat nicht übertrieben“, stöhnte Neill.

      Saomai kniete auf seinem Rücken und traktierte die Muskulatur seiner unteren Lendenwirbel.

      „Womit?“ Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach.

      „Sie sagt, du bist eine Meisterin der Thaimassage!“

      „Das hat sie gesagt, ja?“, freute sich Saomai.

      „Ja. Man hätte fast meinen können, sie wollte dich mir aufdrängen.“

      Er lachte.

      Saomai schickte ihrer Freundin ein stummes Dankgebet