Ruth Broucq

Ist der Ruf erst ruiniert...


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sonntags auch nicht. Weshalb willst du denn jetzt schon gehen?“

      „Ich habe keine Lust mehr!“ erklärte ich lapidar. Wollte keine weitere Debatte darüber.

      Aber so schnell ließ sich meine Tochter nicht abspeisen, sie rätselte: „Ist es wegen dem Kerl, eh Mann den du kennen gelernt hast? Ich war gestern vielleicht ein bisschen voreilig, erzähl doch mal. Was ist denn mit dem? Woher kommt er denn und wie sieht er aus, wie alt und so weiter. Erzähl mal!“ forderte sie.

      Ich schüttelte den Kopf erwiderte eigensinnig: „Nein, jetzt will ich nicht mehr. Vielleicht ein anderes Mal. Ich will jetzt nach Hause, wegen dem Kerl. Der kommt nämlich heute. Und der will anrufen und mir sagen wann. So!“

      „Aber dann ist es doch immer noch früh genug nach Hause zu fahren. So lange kannst du doch noch bleiben.“ Schlug Rabea vor.

      „Nein, er ruft mich auf Festnetz an. Und da das Homezoone ist, erreicht er mich nicht wenn ich hier bei dir bin. Also, fährst du mich jetzt?“ bestand ich darauf aufzubrechen.

      Knurrig gab sie nach, zog der Kleinen warme Sachen an.

      Unterwegs sagte sie beiläufig: „Ich hoffe, es lohnt sich für dich, wegen dem Mann unser gemütliches Wochenende vorzeitig abzubrechen.“

      Ich lachte selig, sagte träumerisch: „Wenn es wieder so schön wird wie die anderen beiden Nächte, lohnt es sich bestimmt. Du könntest deiner Mutter ruhig mal ein neues Glück gönnen.“

      „Aber Mama, das tue ich doch. Ich wünsche dir nur das Beste, das müsstest du wissen. Aber ich habe einfach was gegen die Leute, die sich in diesem ekelhaften Forum tummeln. Sorry, ich kann mich nicht dagegen wehren.“ Gab sie sich nachgiebig.

      „Ach ja? Du hast also auch was gegen mich? Du sagtest gegen die Leute! Ich gehöre auch zu diesen Leuten. Vergessen?“ stellte ich empört fest.

      „Du weißt genau, dass ich die Männer meine!“ korrigierte sie sofort.

      Ich schwieg, hatte keine Lust auf weitere Erklärungen und Missverständnisse.

      „Kommt ihr noch mit rein?“ fragte ich kurz vor meiner Wohnung.

      Nun war meine Tochter stur und lehnte ab: „Nee, keine Lust. Bis morgen.“

      In mir keimte die Vermutung auf, dass Rabea eifersüchtig war, vielleicht Sorge hatte, ein neuer Mann an meiner Seite könne ihr etwas wegnehmen. Blödsinn. Oder doch nicht? Ja, auf jeden Fall Zeit, die würde eine neue Beziehung ihr tatsächlich wegnehmen. Aber damit musste sie genau so klar kommen wie ich das auch müsste, denn sicher würde auch meine Tochter irgendwann mal wieder einen Partner finden. Das man seinem Liebsten Zeit widmete, ohne Mutter oder Tochter dabei haben zu wollen war ja normal.

      Rabeas momentane, manchmal aggressive oder depressive Art entsprang einfach der Tatsache, dass sie mit ihren Beziehungen Pech gehabt und nun mit den Problemen einer alleinerziehenden Mutter zu kämpfen hatte. Eigentlich war ihr ein liebes, anpassungsfähiges, ausgeglichenes Wesen zu Eigen und obwohl sie eine Schützin war, glich ihr Wesen mehr dem Sternzeichen Waage. Doch derzeit stand die Waage ziemlich schief.

      Oft glaubte ich an Rabeas unglücklicher Situation einen Teil der Schuld zu tragen, weil ich sie vor 10 Jahren, noch in ihrer Oberstufenschulzeit mit nach Ägypten geschleppt hatte. Auch Rabea entdeckte gleich im ersten Urlaub ihre Vorliebe für dieses Land. Als sie sich in Mahmut verliebte und gleich nach dem Abitur, ohne hier eine Ausbildung zu absolvieren, mit Sack und Pack nach Hurghada ausreiste, hatte ihr Pech schon angefangen. Mir fehlte die Härte und Strenge sie aufzuhalten, im Gegenteil bestärkte ich meine Tochter noch, in dem ich es ihr sechs Monate später nachahmte, mich ebenfalls dort niederließ. Nach nur einem Jahr musste Rabea einsehen, dass sie in diesem Land keine beruflichen Chancen hatte und ihr die lächerlichen Jobs und die Zusammenarbeit mit den meist dummen, ungelernten Einheimischen nicht ausreichten.

      Sie setzte Himmel und Hölle in Bewegung um ihren Liebsten mit nach Deutschland zu nehmen, damit sie ein Studium aufnehmen konnte. Mit einer überstürzten Heirat, um die deutschen behördlichen Vorschriften des Eheschließungsverfahrens zu umgehen, in Dänemark, schaffte sie ihr Vorhaben recht schnell. Natürlich unterstützte ich meine Tochter mal wieder, half bei Wohnungssuche und Einrichtung, wie immer auch finanziell.

      Anfangs schien sich auch Mahmut in Deutschland recht wohl zu fühlen, arbeitete aushilfsweise in dem Malerbetrieb meines Sohnes Rene und Rabea ging zur Universität, studierte Chinesisch und Arabisch mit dem Berufsziel Diplomübersetzerin. Obwohl auch ich zu dem jungen Haushalt beisteuerte, war das Geld zu knapp um die jugendlichen Vergnügungsbedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Als Rene aus Arbeitsmangel seinen Schwager Mahmut dann nicht mehr beschäftigen konnte, war die Unzufriedenheit normaler Alltag, die junge Ehe wurde auf eine harte Probe gestellt. Weil Mahmut mangels ausreichenden Deutschkenntnissen und auch aus mangelndem Interesse keinen Job fand, war Rabea gezwungen ihr Studium aufzugeben und sich einen Job zu suchen.

      Sie wurde Flugbegleiterin, war dauernd unterwegs, Mahmut saß zu Hause.

      Ausgerechnet in dieser Krise, kam ich zu einem längeren Besuch, weil ich an beiden Schultern operiert werden musste und gleichzeitig gewaltige Probleme mit dem Finanzamt zu klären hatte, vermutlich Steuerschulden nachzahlen musste.

      Nach nur 2 Monaten entschloss ich mich ebenfalls in Deutschland zu bleiben, suchte mir eine Arbeit, weil ich sonst meine Schulden beim Fiskus nicht hätte regeln können. Ich hatte Glück und fand einen Job als Büffetkraft in einer neuen Nachtbar in der nahegelegenen Landeshauptstadt. Schlechte Grundlöhnung aber mit prozentuellem Zuschuss.

      Weil Rabea und ich ständig in der Sbahn zur Arbeit viel Zeit verbringen mussten, suchten wir eine Wohnung in Düsseldorf, wobei die Beiden darauf bestanden, dass ich mit ihnen darin wohnen sollte. Auch die Hoffnung, Mahmut könne in der großen Stadt mit den vielen gut besuchten gastronomischen Betrieben eher eine Tätigkeit finden, hatte zu unserem sinnvollen Entschluss beigetragen. Wir fanden schnell eine günstige Dreizimmerwohnung und zogen um.

      Aber mein Schwiegersohn wurde immer missgestimmter und unlustiger. Er vernachlässigte den Deutschunterricht und war häufig nächtelang bei den neugewonnenen Freunden. Es kriselte gewaltig. Als Mahmut seine Eltern in der Heimat besuchen wollte, zeigte auch Rabea Verständnis und ich gab ihm noch das Reisegeld.

      Er kam nicht zurück, teilte Rabea per SMS mit, dass er in Deutschland nicht leben könne, in Ägypten bliebe, deshalb die Trennung wolle. Rabea brach fast zusammen und ich hatte lange Zeit wirkliche Mühe, meine Tochter davor zu bewahren, wieder einen Fehler zu begehen und ihrem Mann in dessen Heimat zu folgen. Aber ihr Herz hing noch zu sehr an Mahmut, das sie zumindest an der Ehe festhielt und eine Fernbeziehung führte. Ab dem Zeitpunkt reisten wir beide wieder hin und her, hatten beide eine Beziehung, die eigentlich keine war. Bis Rabea nach 2 Jahren eine neue Liebe fand.

      Ich war von dem Neuen absolut nicht begeistert, ahnte das Fiasko voraus. Mit ihrer Vorliebe für Exoten hatte meine Tochter sich in einen Brasilianer verliebt, ausgerechnet einen Musiker, der zu allem Überfluss nur ein Touristen-Visum besaß. Wieder führte Rabea einen Kampf um ihren Liebsten, gegen die deutschen Behörden. Darin hatte sie bereits Übung. Ich konnte und wollte nicht mit dem „Trommler“ wie ich ihren neuen Lebensgefährten abfällig nannte in einer Wohngemeinschaft leben, daher suchten wir uns getrennte Wohnungen, allerdings im gleichen Haus. Dann wurde meine Tochter schwanger. Ich war besorgt, enttäuscht und fassungslos. Meine Tochter, schwanger von einem solchen Luftikus, der schon in seiner Heimat 3 Kinder mit drei verschiedenen Frauen hatte.

      Ausgerechnet in dieser Zeit des Umbruchs bekam ich beängstigende, massive finanzielle Schwierigkeiten. Die Pächterin meiner Gastro-Immobilie zahlte keine Miete mehr. Ich stand vor dem Ruin. Fast ein Jahr lebte ich in heller Panik, schlug mich mit diversen Jobs, als Türfrau oder Hausdame in verschiedenen Privat-Bordellen durch, hielt mich eben über Wasser, bis ich endlich, kurz vor der drohenden Zwangsversteigerung Käufer für mein Haus fand. Zwar waren meine finanziellen Sorgen vorbei und ich konnte meiner Tochter helfen die Erstausstattung für die Neugeborene sowie den Umzug in eine größere Wohnung zu bezahlen, aber Rabeas Glück war nicht von langer Dauer. Rubinas Geburt und deren erste Lebenswochen stellten Rabea auf eine harte