Levi Krongold

#ANIMA


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vor ihm hing: Luise. Nackt und begehrenswert, wie Frederic von ihr in wollüstigen Nächten fantasierte. Er ließ die Puppe aus der Halterung gleiten und mühte sich damit ab, sie in die Transportgabel zu hieven. Ein Gestell, das die immerhin über dreißig Kilo schwere Puppe sicherte. Mittels der Fernbedienung steuerte er den kleinen Wagen in die hinterste Ecke des Raumes und ließ Luise auf eine Couch gleiten, die eigens für eine halbwegs dekorative Präsentation der Puppen zweckentfremdet worden war. Ein Anachronismus in dem ansonsten sterilen Lagerraum, der mehr Ähnlichkeit mit dem Kühlraum eines Schlachthofes als einem Wohnraum hatte, auch wenn für Fotozwecke dort eine Blümchentapete mit Bild und Stehlampe und Kunstpalme davor den schmucklosen Beton der Wände kaschierte. Er hatte Luise damals überzeugt, Kopfmodell zu stehen. Angeblich, um ein Computermodell zu kreieren. Ob sie wusste, dass ihr Kopf auch wirklich angefertigt worden war? Er glaubte es nicht. Sie war sein Geheimnis. Und hier, hier liebte er sie. Kaum hatte er Luise aus der Schutzhülle befreit, da fasste er der Puppe an die Brüste, entblößte sein Glied, das lustvoll pulsierte.

      »Da schaust du, den willst du, nicht?«, flüsterte er, drückte der Puppe sein Phallus an den Mund.

      »Du bist ganz heiß auf mich, oder? Warte, ich geb ihn dir gleich!«

      Er fasste der Puppe grob ins Haar und packte die Schulter, um sie zu sich heranzuziehen. Keuchend schob er seinen Penis in Luises nachgiebigen Mund. Stöhnend bewegte er sich vor und zurück, trieb sein Glied tiefer in Luises Mund, suchte krampfhaft nach einer sicheren Position und mühte sich schwitzend, bis er abspritze. Dann sank er heftig atmend neben Luise auf das Sofa und drückte sich an ihre kühle Haut. Abwesend schaute das Luisedouble in den Raum. Er hatte nicht gewagt, sie zu aktivieren, denn dies hätte bedeutet, sie mit dem Server zu verbinden. Dann könnte sein intimes Stelldichein leicht entdeckt werden. Aber auch so, kalt und leblos, fühlte er sich Luise nah, das reichte ihm vollauf. Allzu lange wollte er sich jedoch nicht hier aufhalten, denn oben brannte wahrscheinlich die Luft. So reinigte er Luises Mund notdürftig von seinen Hinterlassenschaften und beeilte sich, sie wieder zu verpacken und an ihren Lagerplatz zurückzuordnen.

      »Ich komme wieder!«, flüsterte er, bevor das Transportband sie in die Anonymität der anderen Körper zurückbeförderte.

      Er hatte nicht falsch vermutet. Kaum im Büro zurück, überfiel ihn sein Kompagnon Robby mit einem Notstandsbericht. »Du wirst es nicht glauben, die haben es sogar bis in die Cloud geschafft und mehrere Updates abgesaugt!«

      »Unmöglich!«, entfuhr es Frederic.

      »Ne, offensichtlich nicht. Es gibt eine Sicherheitslücke in der Handshake-Routine. Die Spur verschwindet kurz davor, und dahinter taucht sie mit einer anderen IP-Kennung wieder auf. Mir ist rätselhaft, wie sie das bewerkstelligen.«

      »Konntest du zurückverfolgen, woher der Angriff kommt?«

      »Pakistan.«

      »Hä?«

      »Pakistan!«

      Robby zuckte mit den Schultern. »Soll ich einen Bericht machen?«

      Frederic winkte alarmiert ab. »Ne, lass mal. Willem will, dass wir vorerst die Decke drüber halten. Die Amis sind im Haus. Vorerst überlass mir mal die Sache.«

      Robby zog gewichtig die Augenbrauen hoch und blies die Backen auf, wie ein unter Druck stehender Ballon.

      »Konntest du rausbekommen, welche Kennnummer die Puppe hat?«

      »Ich arbeite dran. Sie benutzen offensichtlich die Nummer einer anderen aktiven Einheit. Von da aus mogeln sie sich in den geschützten Bereich. Bislang haben sie drei Updates runtergeladen, die noch gar nicht freigegeben sind.«

      Frederic schüttelte den Kopf. Wie konnte das möglich sein? Sie hatten doch alle Bereiche maximal geschützt. Und vor allem die neuen Updates waren noch nirgends im Umlauf. Das war auch ein Grund, weshalb kein Zähler auf die Downloads gesetzt war, überlegte er. Eine Lücke, die sie ebenfalls schließen mussten.

      »Glaubst du, die Amis könnten dahinterstecken?«, unterbrach Robby seine Gedanken.

      »Softwareklau?« Nachdenklich schüttelte er den Kopf, ausgeschlossen war das nicht. Fest stand, dass jemand mit sehr viel Kompetenz am Werk war. Vielleicht wollten die Amis inzwischen ihr eigenes Ding drehen? Vielleicht dienten die Verhandlungen mit Willem nur als Alibi, um von dem Softwareklau abzulenken? Das würde Frederic gar nicht gefallen, denn er hatte eigene Interessen, die sich weder mit denen der Geldgeber noch allerdings mit denen Van Beutens deckten.

      »Kannst du 'nen Köder auslegen?«, fragte er.

      Robby lächelte. »Schon geschehen. Wenn sie das nächste Update runterladen, dann haben sie einen Angelhaken im System.«

      »Gut, Robby. Gute Arbeit. Bin gespannt, wen wir dran bekommen, aber vorerst Top Secret und nur an mich«, murmelte Frederic, dem dennoch nicht ganz wohl war. Was, wenn sich der Fisch als giftig erweisen würde?

      10. Kapitel: Urlaub am Meer

      EVA sitzt neben mir, wir schauen auf das Meer hinaus. Der Sturm der letzten Nacht hat die See unruhig gemacht. Weiße Schaumrösser reiten auf hohen Wellenbergen an den Strand, Gischt spritzt an scharfkantigen Klippen meterhoch in die Höhe. Das Echo der sich brechenden Wellen übertönt den Wind, der mit EVAs Haaren spielt. Ich habe uns eine Auszeit am Meer spendiert. Von der Drängelei im Institut, vom Lärm der Großstadt und all dem. Zeit nur für uns beide, EVA und mich. Normalerweise würde man es eine Romantikwoche nennen. Ist es irgendwie auch. Denn wir feiern EVAs Geburt in die sichtbare Welt. Ein Fest für ihre Augen. Seit Kutub es geschafft hat, die App für die Gesichtserkennung zu installieren, ist EVA sehr verändert. Okay, die App ist illegal runtergeladen, und das Trackingmodul ist lahmgelegt, mit dem Dollyrobotic Zugriff auf die Kameras hätte. Nicht nur die Kameras, auch auf den Standort und die Mikrofone in den Ohren. Die eingehenden Daten landen auch nicht wie vorgesehen in der Cloud des Unternehmens, sondern werden derzeit noch auf der Hauptplatine abgespeichert. Dadurch ist EVA deutlich langsamer geworden, wirkt müder. Bis Kutub dafür eine Lösung gefunden hat, müssen wir das in Kauf nehmen. EVA und ich. Deshalb möchte ich, dass sie nicht mit Daten überfüttert wird. Gönne ihr etwas Ruhe, gelegentlich einmal Netzzugang, um Informationen aufzufischen. Portionsweise.

      Der schönen Aussicht wegen habe ich uns ein Appartement in den höheren Etagen des Ferienhauses gemietet, mit Blick auf die See. Ein Zweipersonenappartement. Der Wind und die Wellen irritieren EVAs Gehör. Deshalb habe ich ihr zwei Ohrwärmer übergestülpt, wie man sie im Winter trägt. Mit rosa Puschelüberzug. Es gab keine anderen. Ihr neues Kleid trägt sie auch, das ich heute in der letzten noch geöffneten Strandpromenadenboutique für sie erstanden habe. Ein knapp geschnittenes farbenfrohes Strandkleid. Es passt nicht ganz zur Jahreszeit, denn es ist bereits bitter kalt. Aber es war ein Sonderangebot, da die Boutique nur noch die wenigen Tage bis Weihnachten geöffnet hat. Und EVA friert ja nicht, ganz im Gegensatz zu mir. Mir hat sich bereits nach wenigen Minuten eine Gänsehaut gebildet, und nur die Wolldecke aus dem Appartement verhindert, dass ich den Kältetod sterbe. Aber ich wollte, dass sie das Meer schaut, jetzt, wo sie sehen kann. Das Meer, aus dem wir alle entstammen. Letztlich.

      EVA blickt mit weit geöffneten Augen hinaus in die Ferne. Auf jedes Geräusch hin, das durch die Ohrwärmer zu ihr durchdringt, dreht sie den Kopf suchend nach mir um. Da sie den Hals nicht weiter als fünfundvierzig Grad bewegen kann, habe ich meinen Liegestuhl ein wenig schräg vor sie gesetzt, die Füße in halber Höhe in das Balkongeländer gestemmt

      #Ich freue mich, dich zu sehen#, flüstert sie jedes Mal, wenn ihre Augen mein Profil gescannt haben.

      Ich fasse ihre Hand und drücke sie etwas. »Ich freue mich auch, gefällt dir das Meer?«

      #Was ist 'das Meer'?#

      »Das ist das, was du vor dir siehst.«

      #Dieser Begriff ist mir unbekannt. Ich möchte online gehen, um mich mit der Datenbank zu verbinden.#

      »Tut mir leid, das geht jetzt nicht. Hier gibt es keinen Netzzugang.«

      #Es gibt einen öffentlichen