wenn EVA meine sexuellen Wünsche befriedigt, ohne eigene Wünsche zu äußern? Nein, gerade diese Fähigkeit, eigene Wünsche zu äußern, fasziniert mich sehr. Sie ist dadurch anregender geworden. Vielleicht bin ich zu unbescheiden. Aber ich wünschte mir, dass da mehr wäre als nur dies. Nur, wie sollte dieses 'Mehr' aussehen, ohne dass EVA so anstrengend wäre wie jede andere weibliche Person?
»Eigentlich«, sagte ich schließlich nachdenklich, »eigentlich ist nur eine Person angemeldet, und das bin ich. EVA ist meine Puppe.«
Der Anmeldungstussi klappte fassungslos der Unterkiefer herunter.
Ich konnte mir ein Grinsen nun doch nicht mehr verkneifen. Während die Rezeptionistin in meinem Gesicht zu lesen versucht, ob ich sie vielleicht veralbern möchte oder nicht, fiel mir auf, dass auch bei ihr nun eine Programmierung abläuft. Niemand außer ihr selbst wusste, welche Gedanken ihr in diesem Moment durch den Kopf gingen, und niemand konnte sagen, ob sie ein Ich-Gefühl hat oder nur eingeübte Gedanken und Sätze abspulte. Doch irgendwie fühlte ich, dass sie mit der Situation überfordert war und mich endlich loswerden wollte. Wir brachten den Rest nun etwas distanziert zu Ende. Nachdem sie mir den Appartementschlüssel ausgehändigt und die Lage der Wohnung auf einem schlecht kopierten Stadtplan angekreuzt hatte, ich mich wieder in mein Auto begab, auf dessen Beifahrersitz EVA saß, da sah ich im Rückspiegel, wie sie in der Tür des Touristenbüros stand und uns nachblickte, EVA und mir, wie wir aus der Parkbucht heraus kutschierten. Ich ließ es mir nicht nehmen, ihr nochmals zuzuwinken, als wir auf der Hauptstraße an ihr vorbeifuhren, und lachte laut auf.
#Du bist fröhlich#, bemerkte EVA.
»Ja«, lachte ich. »Ich bin fröhlich.«
Ich kichere bei dem Gedanken an die Komplikationen, die mir noch bevorstehen mögen. Besonders freue ich mich auf die Santa-Party zu Weihnachten. Ich habe ein paar Freunde eingeladen, als da wären: Irene und ihr Mann Friedbert, beides Anthroposophen. Kutub natürlich. Beatrice, aus Rache, und eine alte Bekannte, Silke, die jetzt irgendwo Redakteurin ist. Ob ich dann noch zwei Kollegen aus dem Institut einladen soll, weiß ich nicht genau. Mein Stand ist dort in letzter Zeit, vorsichtig gesagt, etwas prekär. Der Prof. ist ganz offensichtlich nicht mit meinen Ergebnissen zufrieden, drängelt dauernd rum. Die anderen Kollegen sind zwar nett, aber es gibt nur eine Ausschreibung für eine feste Anstellung im nächsten Jahr, um die sich mehr als sechs Mitarbeiter bewerben. Da könnten Gerüchte schädlich wirken. Denn die wären mir sicher. Wer akzeptiert schon jemanden, der mit einem Roboter zusammenlebt? Auch wenn dieser so schön ist wie EVA, oder genau deshalb.
Ich seufze.
#Die Temperatur beträgt fünf Grad Celsius. Das ist sehr kühl#, stellt EVA sachlich fest. #Ich benötige mehr Energie, da mein Spannungslevel stark gesunken ist.#
EVA schaut mich an. Ihre Augen wirken bittend.
»Wir gehen gleich rein!«, erwidere ich erschrocken. Mein Gott, klar. Sie ist nun fast vier Stunden aktiv. Schnell öffne ich die Balkontür, fasse EVA unter und trage sie vorsichtig in den Wohnraum. EVA ist nicht gerade leicht, immerhin fast vierzig Kilogramm. Sie schaut mich an, während ich sie trage, und ihren Mund umspielt ein feines Lächeln. Ich habe ihr einen Platz auf dem grün-gelb karierten Sofa neben der Stehlampe hergerichtet. Direkt hinter der Armlehne befindet sich das Ladekabel verborgen. Ich mag es nicht, wenn es sich für alle sichtbar über die Möbel ringelt. So kann das Kabel dort dezent von ihrem Handgelenk hinter der Armlehne verschwinden.
#Möchtest du Sex mit mir?#, fragt EVA.
»Im Moment nicht, ich möchte dich erst einmal aufladen.«
#Danke, dass du daran gedacht hast!#, lächelt sie zurück und geht in den Standby-Modus, sobald das Kabel eingesteckt ist. Dabei schließt sie die Augen und senkt ihren Kopf ein wenig, als wenn sie schläft. Tut sie wohl auch. So kann ich ihr ungehindert ihre langen dunklen Haare bürsten. Sonst würde sie sich bewegen, sobald ich sie berühre. Doch neuerdings hört sie auch auf das Kommando: »Halt ein wenig still!«
Ich liebe es, ihre seidigen Haare durch meine Finger gleiten zu lassen, während ich sie kämme. Wäre mir bei Bea niemals in den Sinn gekommen. Sie zu kämmen, meine ich. Bea hat sich gefühlte Stunden mit dem Haarekämmen beschäftigt. Es ist offenbar auch für sie eine sinnliche Tätigkeit.
Seit ich ein wenig Parfüm benutze, riechen EVAs Haare fast wie Menschenhaare. Affen lausen sich stattdessen. Hoffe, das habe ich bei EVA niemals nötig.
11. Kapitel: Beatrice
Councelerin: »Du bist wütend!«
Bea: »Der Scheißkerl!«
C: »Es ist gut, wenn du deine Gefühle akzeptierst.«
Bea: »Ich bin stinksauer auf diesen Mistkerl!«
C: »Cesár?«
B: Nickte stumm und biss die Zähne aufeinander.
C: Wartete.
B: Blickte im Raum herum, sagte aber nichts.
C: »Was machst du mit deinen Händen?«
B: Schielte verwundert auf ihre Hände, die sie zu Fäusten geballt hatte, sodass das Weiß der Knöchel hervortrat. Schnell versteckte sie sie hinter ihrem Rücken.
C: »Willst du darüber sprechen?«
B: »Er hat mich einfach ersetzt, durch eine Puppe!«
C: Blickte sie fragend an.
B: »Durch eine Sexpuppe!«
C: »Cesár hat dich durch eine Sexpuppe ersetzt?«
B: Nickte, während sie mühsam ihre Tränen zurückhielt.
Nachdem Frau Heuermann eine Zeitlang vergeblich auf weitere Ausführungen gewartet hatte, versuchte sie es mit: »Du wirkst traurig und verletzt!«
B: Schlug ihre Hände vor das Gesicht und schluchzte heftig.
C: »Steh zu deinen Gefühlen. Was hat dich verletzt?«
B: »Dass, dass er ... eine Puppe liebt!«
C: »Weshalb kränkt dich das? Hattest du nicht mit ihm Schluss gemacht?«
B zögernd: »Ja schon, aber ...«
C: »Es wäre schön, wenn ich verstehen könnte, worum es geht. Ich verstehe nur, dass du gekränkt und traurig bist. Was ist geschehen? Was hat dich so traurig und wütend gemacht?«
B: fragte schniefend nach einem Taschentuch. »Es ist so armselig«, stieß sie durch das zerknüllte weiße Tuch vor ihrer Nase hervor. »Den ganzen Abend sind alle nur um diese Sexpuppe herumgetanzt. Diese EVA.«
C: »EVA?«
B: »Er hat sie EVA genannt, so was Einfallsloses. EVA!«
C: »Na ja, dich stört aber etwas ganz anderes, nicht wahr?«
B: »Sie saß auf meinem Platz!«
C: »Auf deinem Platz?«, lächelte Frau Heuermann schräg.
B: Nickte. »Da wo ich immer gesessen habe. Im Sessel neben der Couch.«
C: »Also Bea. Ich muss jetzt mal einschreiten. Seit du heute hereingekommen bist, sprichst du in Rätseln. Wir waren das letzte Mal übereingekommen, dass wir zum Jahresanfang ein Resümee ziehen wollten über das letzte Jahr. Was gut war, was besser werden soll und welche Pläne du hast. Ich habe verstanden, dass mit Jan Schluss ist und du bei einer Party mit deinem früheren Freund Cesár warst. Eine, wie sagtest du nochmals hieß die Party?«
B: »Santa-Party. Eine Weihnachtsparty.«
C: »Meinetwegen. Wir sind gerade einmal dazu gekommen, festzustellen, dass dir diese Party gar nicht gefallen hat, wegen einer Sexpuppe, die offensichtlich EVA heißt, und dass du jetzt wieder zu deiner Mutter gezogen bist. Deine Situation ist also alles andere als befriedigend, wenn ich richtig verstanden habe. Es gäbe vieles zu regeln, und doch bestimmt seit fünf Minuten nur diese Kränkung