Liesa-Maria Nagel

ANGEL


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Und eine Strafe.

      „Sprich lauter, wenn du etwas von mir willst“, zischte Robin und konnte das vorfreudige Grinsen kaum verbergen.

      „Herrin“, Rachel bemühte sich deutlich, lauter zu sprechen. Robin spürte ihre zarten, warmen Hände sogar durch das dunkelviolette Schlangenleder ihrer Hose, als die junge Frau behutsam ihre Wade umfasste. Lächelnd sah Robin zu ihr hinunter. In Minirock und schwarzer Seidenbluse kniete sie neben ihr. Das kastanienbraune Haar offen um ihre Schultern wallend. Sie gefiel ihr sehr und dabei war Robin nicht einmal bevorzugt lesbisch. Normalerweise nahm sie sich lieber Männer mit nach Hause, aber Rachel war eine Ausnahme. Ihr Blut schmeckte süß, wie Honig.

      „Komm“, sagte Robin leise und machte eine Kopfbewegung zu ihrem Tisch hin. In einer schnellen, aber sehr eleganten Bewegung kam Rachel auf die Füße und lief zum Tisch hinüber. Mit der bloßen Hand fegte sie Staubflusen und Krümel von der Lederbank und blieb dann mit gesenktem Blick danebenstehen. Zufrieden lächelnd setzte sich Robin und zog Rachel zu sich. Mit gespreizten Beinen setze sich die junge Frau auf ihren Schoß. Robin streichelte mit ihren kühlen Händen die nackten Schenkel und ließ ihren Blick achtlos durch den separierten Bereich schweifen.

      Eigentlich wollte sie nur schauen, ob sie Zuschauer hatten, doch ihr Blick wurde auf halbem Wege zurück von einem schokoladenfarbenen Haarschopf aufgehalten. Neugierig beobachtete Robin die kleine Gruppe von Männern, die gerade die wenigen Stufen zum VIP-Bereich erklommen. Vier waren es und sie waren eindeutig dämonisch. Robin konnte ihre Augen nicht von dem Mann mit den Schokoladenhaaren wenden. Irgendetwas an ihm faszinierte sie, doch erst, als sie näher kamen, erkannte sie sein Gesicht.

       Was zur Hölle?! Was macht der hier?

      Die kleine Gruppe, angeführt von einem schlanken Kerl mit goldenem Haar und einer grausamen Ausstrahlung, drang tiefer in das Separee ein und kam dabei unweigerlich an Robins Tisch vorbei. Natürlich nutzte sie die Gelegenheit, den Mann, den sie als Antonio Rosaro erkannt hatte, näher in Augenschein zu nehmen. Seine Haut hatte die Farbe von Kupfer. Schimmernd und weich. Seine Augen hatten dieselbe Farbe, wie sein Haar. Cremig süße Vollmilchschokolade. Der Körper in dem eleganten Anzug von Armani war kräftig. Breite Schultern, starke Arme und Oberschenkel. Er trainierte offensichtlich sehr regelmäßig. Hier in diesem rauchig, dämmrigen Ambiente sah er noch tausend Mal besser aus, als in der Agentur.

      Rosaro war einer ihrer langjährigen Auftraggeber. Schon seit einigen Jahren versuchte Robin eine vermisste Person für ihn aufzuspüren. Bisher leider vergebens. Rosaro war ein sehr geduldiger Dämon, das hatte Robin bereits nach ein paar Monaten festgestellt. Er schien selbst kaum noch an den Erfolg der Suche zu glauben, dennoch brach er sie nicht ab. Sein Ehrgeiz und seine sture Einstellung hatten ihr schon von Anfang an imponiert. Dass dieser feine, reiche Mann nun denselben Club mit ihr teilte, gefiel ihr umso mehr.

      Robin verlagerte Rachels Gewicht etwas, damit sie sich in den Gang hinaus lehnen konnte, als der Mann an ihr vorüberging. Sie wollte unbedingt wissen, wie er roch. Sie atmete tief ein, erhaschte aber nur die wage Erinnerung an warme Erde, Kardamom und Sommer.

      Das Schicksal meinte es diesen Abend wirklich gut mir ihr, denn die Männer setzten sich an den Tisch nebenan. Robin hätte fast aufgelacht, als der schöne Südländer sich genau ihr gegenüber niederließ, mitten in ihrem Blickfeld. Sofort fing sie seinen Blick auf, er stockte sichtlich in der Bewegung und hielt kurz inne. Er erkannte sie wieder. Sie mochte es Männer aus dem Konzept zu bringen.

      Mit einer Hingabe, die Ihresgleichen suchte, begann sie Rachels Hals zu küssen. Die Sklavin wand sich auf ihrem Schoß, ihre Finger gruben sich fest in Robins Schultern. Sie stöhnte leise und schloss die Augen, als Robin ihre Eckzähne über die zarte Haut kratzen ließ. Wie gebannt hielt sie dabei Antonios Blick gefangen. Keiner von ihnen wandte sich ab oder senkte den Blick. Wie erstarrt, sah er ihr zu, wie sie langsam die Lippen teilte und zärtlich zubiss.

      In diesem Moment war es nicht Rachels Hals, von dem sie trank. Robin stellte sich vor, dass es der kräftige, sehnige Hals ihres Auftraggebers war. Wie sein Blut wohl schmeckte? Wahrscheinlich, wie würziger Sommerwein. Süß und schwer. Sie würde so müde sein, satt und zufrieden, wenn sie sich von ihm genährt hätte. Vielleicht sollte sie versuchen, ihn zu bekommen … Er wäre eine wirklich wundervolle Abwechslung zu all den Menschen. Und abgeneigt schien er nicht zu sein, so wie er sie anstarrte.

      Ein scharfes Prickeln in ihrem Magen erinnerte sie daran, dass es genug war. Etwas zu schnell zog sie den Kopf zurück. Rachel zischte vor Schmerz und Robin beeilte sich, die Wunde mit ihrer Zunge zu versiegeln.

      Sie hatte ihr nicht wehtun wollen, aber es war so schwer. Jedes Mal, wenn sie sich nährte, wandelte sie auf dem schmalen Grat zum Wahnsinn. Ein Schluck zu viel oder zu wenig und sie würde stürzen. Der Blutdurst war ihr schlimmster Feind. Nicht zu greifen. Nicht zu bekämpfen. Sie konnte nur immer und immer wieder vor ihm davon laufen, bis er sie irgendwann eingeholt hatte. Sollte sie je das Maß verlieren, würde man versuchen die tollwütige Bestie, die dann aus ihr würde, zu töten.

      Robin wünschte den Vampiren, die diesen Auftrag bekämen alles Gute. Sollten sie ihr Glück versuchen. Sie war unsterblich. Nichts und niemand konnte sie töten. Die einzige, wahrhaft unsterbliche Vampirin der Welt.

      Ihre finsteren Gedanken waren wie weggewischt, als sie sah, wie der schöne Herr Rosaro mit angehaltenem Atem schluckte und sich räusperte. Es fiel ihm sichtlich schwer seinen Blick von ihr und Rachel abzuwenden, und immer wieder erwischte Robin ihn dabei, wie er zu ihnen hinübersah.

      Eine Weile spielte Robin dieses Spielchen mit. Sie amüsierte sich mit Rachel, knabberte an ihr und gab der jungen Frau das, was sie sich wünschte. Sie war gern die Herrin ihrer Sklaven. Robin mochte es, die Dominante zu sein. Menschen waren ihr besonders lieb. Ihre Geister waren leicht zu beeinflussen, leicht zu brechen.

      Rachel war anders. Robin hatte sie vor einigen Jahren in diesem Club gefunden. Damals hatte sie den Raum kaum betreten gehabt, da war sie ihr ins Auge gefallen. Eine Weile hatten sie sich unterhalten, ehe Robin in ihren Geist eingedrungen war. Die hübsche, junge Anwältin war fast völlig freiwillig bei ihr. Robin hatte sie nicht einmal brechen müssen, bloß ein wenig verbiegen. Es war ihr eigener, freier Wille, sich der Vampirin zu unterwerfen und das machte sie für Robin zu etwas Besonderem.

      Erst weit nach Mitternacht hatte Robin genug. Sie schickte Rachel ihren Wagen holen, der in einer Tiefgarage ein paar Straßen weiter parkte, und beschloss draußen vor dem Club zu warten.

      Auf dem Weg hinaus, warf sie einen neugierigen Blick zurück und, wer hätte das gedacht, Antonio sah ihr nach. Mehrere Sekunden sogar hielt der Blickkontakt, ehe Robin um die Ecke biegen musste. Zufrieden war sie, dass der Mann so angetan von ihr war. Vielleicht würde er ihr sogar hinausfolgen und sie könnte ihn mit nach Hause nehmen.

      Am oberen Ende der steilen Kellertreppe, die zum Eingang des Clubs führte, wartete sie. Geduldig lehnte sie an der Mauer und ließ ihre Gedanken schweifen.

      Die Julinacht war lau, fast ein bisschen kühl, aber Robin fror nicht. Ihr Kälteempfinden war durch die ohnehin niedrige Körpertemperatur anders als bei Menschen.

      Oh, wie oft hatte sie sich schon darüber aufgeregt, wenn sie jemand fragte, ob Vampire eigentlich untot waren! Eine fürchterliche Vermutung. Vampire waren aus einer Kreuzung zwischen Dämon und Mensch entstanden. Ihre Jugend verbrachten alle Vampire gleich. Mit menschlichen Fehlern und Eigenschaften. Sonne schadete ihn noch nicht und sie konnten ziemlich leicht sterben, aßen und tranken, wie normale Menschen. Erst im Alter von ungefähr dreiundzwanzig fand die Metamorphose statt. Eine Art schleichende Verwandlung. Ein langwieriger, schmerzhafter Prozess, in dem aus dem jungen Menschenkind ein Vampir wurde. Die Muskelstruktur veränderte sich, die Knochen. Die Haut. Die Sinne. Bis schließlich ein Übermensch mit einer kühlen, lichtempfindlichen Haut und dem Durst nach Blut daraus hervorging.

      Ihre spezielle Nahrung, die nährstoffarm aber ausreichend war, senkte ihren Stoffwechsel, weshalb man sie oft für tot hielt. In der Regel lag ihre Temperatur nur knapp über Raumtemperatur.

      Das Übermaß an Kraft und Schnelligkeit, die geistigen