null Rahek

Eine Reise ins Nichts


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waren und ihre Vernunft hätte sie der Züchtigkeit unterworfen. Doch nun schwammen ihre Sinne in einem Rausch, der alles vergessen ließ. Die Vernunft unterliegt immer dem Rausch. Ramona war rauschig.

      Wären ihre Sinne nüchtern gewesen, hätte sie sich niemals fallen gelassen und sie hätte niemals ihre Beherrschung verloren. Doch Ramona wurde von ihren Sinnen getrieben. Nichts um sie herum existierte mehr und nichts hatte eine Bedeutung. Wäre ein Dinosaurier durch ihr Zimmer gestiefelt, hätte sie nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen. Abgelenkt wäre sie davon allerdings nicht gewesen.

      Der rasante Rausch war wichtiger. Laut schrie sie ihre Lust heraus. Bebend erlebte sie ihren Höhepunkt. Außer Atem krallte sie sich an Gustavs Leib und ließ danach ihren Rausch mit seltsamer Leichtigkeit verebben. Nur langsam nahm sie wieder ihre Umwelt wahr. Allmählich kam auch die Vernunft zu ihr zurück, als schwebte sie von weit her in sie hinein.

      Nur ein Orgasmus konnte diesen Zustand erzeugen. Ramona hätte es selber nicht beschreiben können, denn dafür fehlten in jeder denkbaren Sprache die passenden Worte. Inzwischen schlug ihr Herz wieder langsamer und ihr Atem wurde gleichmäßiger. Die Wellen wurden sachter und sachter, der Sturm war vorbei.

      Ein wenig flackerten noch Ramonas Augen, suchend nach stabiler Orientierung. Sie hatte einen Orgasmus verspürt, der an Heftigkeit kaum zu überbieten war.

      Gustav war nass geschwitzt, auf seiner Haut rollten glitzernde Perlen kreuz und quer und er rang nach Atem. Gäbe es glückliche Sterne, dann funkelten sie in diesem Moment in seinen Augen. Als sie gerade zärtlich ihre Vereinigung lösen wollten, klopfte es an ihrer Zimmertür.

      „Nein!“, raunte Ramona und wollte Gustav daran hindern aufzustehen. Doch er hatte sich schon von ihr gelöst und einen Bademantel übergestreift.

      Er öffnete.

      Vor ihrem Zimmer stand ein unbekannter Mann mit tadelndem Blick. Es war ein Engländer, nicht nur wegen seines Bauches, sondern wegen seiner britischen Aussprache:

      „Hier gibt es Hotelgäste, die schlafen wollen. Würden Sie bitte ihre Geräusche mildern. Meine Frau und ich gönnen es Ihnen von Herzen, aber nicht in dieser Lautstärke. Wir möchten ja nur schlafen! Trotzdem noch schöne Flitterwochen, oder sonst, was Sie hier treiben. Gute Nacht!“

      Und als er losging, konnte er es sich doch nicht verkneifen und drehte sich nach Ramona um. Sie saß mit offenem Mund im Bett und hatte vor Schreck vergessen sich zu bedecken. Irgendwie konnte der elende Engländer nicht verstehen, wie aus einer so zierlichen Frau so gewaltige Geräuschen kommen konnten.

      Gustav schloss die Tür und schaute Ramona mahnend an.

      „Würdest du bitteschön deinen liebreizenden Körper verhüllen, wenn die netten Nachbarn uns einen Besuch abstatten? Und mache endlich deinen Mund zu, mein kleiner Hasenpups.“

      Er reichte ihr den Wein und setzte sich zu ihr ins aufgewühlte Bett, nahm sie von hinten in seine Arme und streichelte ihren warmen Bauch.

      „Es war nur ein Brite, der neidvoll seiner Neugier nachging. Wahrscheinlich pflanzen sich die Briten anders fort. Ich meine, die vermehren sich bekanntermaßen ohne Sex und ohne jeden Spaß.“, sagte er lächelnd.

      Ramona drehte sich zu ihm um und fragte sehr ungläubig:

      „Habe ich etwa laut gestöhnt? Wie konnten die das nebenan hören? Stehen die am Schlüsselloch vor unserer Tür, oder was?“

      „Nun, ich würde das auch nicht

       stöhnen

      nennen, Schatz, aber du hast eine kräftige und durchdringende Stimme, wenn du schreist. Sehr wohlklingend, eigentlich nicht störend. …Manche Menschen stören sich sogar an den Glöckchen zum Weihnachtsabend und andere Menschen stören sich an dem lieblichen Gesang der Engel. Ich hätte gesagt, dass es nicht mehr als ein leises Säuseln war, eine berauschende Sinfonie aus einer weiten Ferne, ans Ohr getragen von süßer Frühlingsluft…“, verkündete er.

      „Also habe ich gebrüllt! Warum sagst du es mir nicht? Sinfonie aus weiter Ferne, du Spinner! Als Mann ist es deine Aufgabe mir zu sagen, wenn ich ausnahmsweise mal schreie. Und sage es mir, bevor die Nachbarn aufwachen!“, schimpfte Ramona.

      „Jawohl, mein Weihnachtsglöckchen!“

      Zeitig standen sie auf und versuchten mit der heißen Dusche die Müdigkeit zu vertreiben. Sie hatten zu wenig geschlafen. Ramona trieb Gustav zur Eile an, denn sie befürchtete ein Zusammentreffen mit ihren Zimmernachbarn.

      Um 8 Uhr saßen sie bereits im Auto und fuhren los. Ihre Vertrautheit war in der letzten Nacht gewachsen. Waren sie doch füreinander bestimmt? Egal, denn jetzt waren sie gemeinsam auf der Suche nach einem Geheimnis. Abenteuerlust!

      Sie fuhren ohne Pause durch die Alpen. Die grandiose Landschaft zog an ihnen vorbei, ohne eine Beachtung zu finden.

      Ramona überkam Müdigkeit. Die Berge, Täler und Straßen verschwanden und machten Platz für Bilder vom vergangenen Abend. Sie sah Gustav, wie er ihren Körper fast kultisch eroberte. Zelebrierte Erotik. Es war ein schöner Traum. Sie sah, wie er plötzlich hoch schreckte und zur Tür rannte, sie öffnete und ein alter Mann ins Zimmer trat.

      Gustav verschwand. Sie lag nackt im Bett, unfähig sich zu bekleiden oder wenigstens zu bedecken. Schweigend trat der Alte an ihr Bett und sah sie aufmerksam an. Ängstlich versuchte sie nach Gustav zu rufen, doch kein Laut drang aus ihrer Kehle. Panik und Ohnmacht.

      Gustav fuhr sicher das Auto über die Pässe des Gebirges. Neben ihm war Ramona eingenickt. Er lächelte. Was für eine wundervolle Frau sie war. Er hätte sie streicheln wollen, sie in die Arme nehmen und ihren Schlaf bewachen. Doch er lenkte das Fahrzeug und wollte zeitig in Dresden ankommen. Seine Gedanken blieben am letzten Abend hängen. Konnte sein Glück noch größer sein?

      Dann entdeckte er im Rückspiegel ein Gesicht. Zuerst nur schwach und schimmernd, doch dann ganz deutlich. Nur eine Täuschung?

      Es war das Gesicht eines alten Mannes. Gustav hatte diese traurigen Augen schon gesehen, ... in Florenz. Er hatte den Alten barfüßig durch viele Straßen verfolgt und dann doch verloren.

      Ganz sicher saß er in diesem Moment nicht auf dem Rücksitz seines Autos! Er schaute erneut in den Rückspiegel. Gustav konnte plötzlich seinen Blick nicht mehr von diesen traurigen Augen abwenden. Etwas erfasste sein Gemüt. Ein sonderbares Gefühl. Er hatte Mitleid mit der Person, dem diese Augen gehörten.

      „Wach auf! Jetzt!“, rief eine Mädchenstimme in seinem Kopf.

      Panisch riss er das Lenkrad herum und trat mit aller Kraft auf die Bremsen. Das Auto schleuderte gegen die Leitplanke, ließ Funken sprühen und Reifen quietschen. Ramona erwachte und schrie.

      Ihr Fahrzeug war längst von der Fahrbahn geflogen und rutschte vor einem Abgrund an einem knorrigen Baum.

      Benommen stiegen beide aus dem zerbeulten Auto, torkelten kurz und ließen sich zu Boden sacken.

      „Gustav, bist du eingeschlafen?“, röchelte Ramona.

      Vor ihnen lag ein Abhang, steil und schwindelerregend und führte senkrecht hinab ins Tal. Es wäre ein wundervoller Ausblick gewesen.

      „Verdammt! Das war knapp!“, sagte Gustav.

      „Knapp?“, schimpfe Ramona, „Einen Meter weiter und wir wären noch immer im Flug. Gustav, verdammt, das war nicht knapp, sondern großer Mist!“

      Gustav nickte. Sie hatte absolut Recht. Wie konnte er so leichtsinnig sein?

      Nachdem sie verschnauft hatten, begutachtete Gustav das zerbeulte Auto. Scheinbar war es noch fahrbereit. Behutsam fuhr er den Wagen rückwärts die Böschung hoch, bis endlich die sichere Straße erreicht war.

      Ramona wischte sich die blutige Nase ab. Sie öffnete ihre Bluse und suchte ihren Körper nach Verletzungen ab. Ein roter Bluterguss verriet, wo der Gurt gesessen hatte.

      „Scheiße! Tut mir leid!“, hörte sie Gustav wimmern, der dicht