murmelte er vor sich hin.
„Das Bad ist jetzt frei. Beeile dich bitte, Gustav, ich bin hungrig und brauche dringend einen Kaffee.“, sagte Ramona, die aber gleich auf Gustav und das Schriftstück starrte.
„Hast du etwas im Gegenlicht erkannt, eine geheime Botschaft, oder so was?“, fragte sie überrascht.
„Nein, aber ich möchte mit dir hier im Zimmer frühstücken.“, antwortete Gustav und nahm das Telefon. Er bestellte das übliche Mahl, kräftigen Kaffee, Orangen, Bananen und ungewöhnlich viele Zitronen. Dann ging er ins Bad und drehte die Dusche auf.
Ramona ging in ihr eigenes Zimmer und zog sich an.
Auch sie hatte einen merkwürdigen Traum, der sie beschäftigte.
Ein grauhaariger Mann erschien ihr und er war betrübt. Wie ein vertrauter Sommerwind drangen seine Worte an ihr Ohr. Spielend und behutsam waren die Worte gewählt. Auch sie konnte sich nicht an die Gestalt des Alten erinnern. Es war mehr eine Ahnung, als eine konkrete Person. Erst dachte sie, dass es die Stimme ihres Vaters war, denn sie hatte einen wirklich angenehmen und beruhigenden Klang.
Es war nur wenige Jahre her, als ihr Vater starb. Töchter haben zu ihren Vätern immer eine innige Bindung und so schmerzte sie dieser Verlust noch immer.
Doch die Stimme in ihrem Traum war trotzdem anders. Der greise Mann wollte sie vor einer ernsten Gefahr beschützen. Es hatte mit Gustav zu tun und diesem geheimnisvollen Schriftstück. Ramona erinnerte sich nur an die Warnung, nicht an die Ursache der Gefahr.
Vielleicht war es auch nur ein Traum nach einem turbulenten Tag. Immerhin hatte sie am Abend einen kleinen Orgasmus und auch noch durch Gustav. Nackt und schutzlos war sie in seinem Bett! Wenn das nicht gefährlich war! Ihre Alarmglocken hätten auch so geläutet, auch ohne greise Traumerscheinung.
Verfluchtes Unterbewusstsein!
Als sie darüber nachdachte, wurde sie verlegen, obwohl sie niemand sah und sie sich auch nicht rechtfertigen musste. Dieser Mistkerl!
Hatte sie sich doch tatsächlich hingegeben. Hatte sich verführen lassen, wie ein dummes Schulmädchen und es war sogar äußerst angenehm. Gustav war gegen ihre Erwartungen scheinbar ein erfahrender Liebhaber, mit einer Zunge, die genau wusste, was sie tat. Ramona wurde warm und eine erregende Hitze stieg in ihr auf. Schnell knöpfte sie sich ihr Kleid zu. Verdammte Zunge!
Als sie wieder ins Zimmer von Gustav kam, sah sie ihn über das Schriftstück sitzend mit Zitronen in den Händen. Vorsichtig strich er den Saft über das Papier.
„Komm, mein Schatz, sieh! Es ist tatsächlich eine versteckte Inschrift vorhanden.“, rief er ihr zu, „Eigentlich haben wir das als Kinder auch gespielt. Mit Milch und Feder einen Text geschrieben, der trocken unsichtbar und dann später mit Zitronensaft wieder lesbar gemacht wurde. Keine so geheime Technik. Und doch bleibt sie unschlagbar, wenn man nur einfache Hilfsmittel und wenig Zeit hat.“.
Ramona sah aufgeregt, wie sich zwischen den Textzeilen die ersten blassen Buchstaben formten:
„
Das Gedächtnis der Menschheit, die Bibliothek des Lebens. Alles Wissen ist zusammengetragen, geschrieben in ewiger Schrift und bewahrt bist in alle Zeiten.
“, las sie laut vor.
„Mach weiter, Gustav, da steht noch mehr!“
Ihr Flüstern hätte man weit hören können und Gustav kribbelte es am Ohr, als ihr warmer, scharfer Hauch sein Gesicht streifte. Beide waren ziemlich aufgeregt und ungeduldig.
Je mehr er Zitrone über das Blatt rieb, desto mehr war zu lesen:
„
Zum Himmel hin markiert und im Inneren verborgen, gehütet und beschützt. Ein königliches Tier verschlang die Wege, unter seiner mächtigen Krone, nachdem es gestorben war
.“
Es war in deutscher Sprache geschrieben, alt, aber gut lesbar. Ramona glühte vor Aufregung und krallte ihre Finger fest in Gustavs Schultern.
Auch er konnte seine Erregung kaum unterdrücken.
„Gut, mehr steht hier nicht. Wir sollten jetzt wirklich frühstücken.“, sagte er und erhob sich. Ramona ließ seine Schulter los und lächelte.
Sie hatten tatsächlich ein Geheimnis entdeckt.
„Bist ein bisschen in Aufregung geraten, mein Hasenpups. Hast dir fast ins Höschen gepinkelt, was?“, bemerkte er.
Gustav warf ihr einen strengen, väterlichen Blick zu, der sie erröten ließ.
„Bist du jetzt mein Bondgirl und begleitest mich auf meiner Mission?“, scherzte er weiter. „Nenne mich bitte ab jetzt James und bringe mir einen Whisky, leicht gerührt und nicht geschüttelt.“, fügte er hinzu.
„Du kannst dir gefälligst selber einen schütteln, du Spinner!“, gab sie selbstsicher zurück. Dabei machte sie eine wirklich unzüchtige Handbewegung.
„Sprich nicht in diesem Ton mit deinem James Bond! Habe ich nicht gerade ein Rätsel entschlüsselt. Gott, bin ich schlau! Ich bin ein Genie!“, jubilierte er.
Stolz hob Gustav sein Kinn und zog seine Augenbrauen hoch.
„Aber du heulst nachts und Sexlosigkeit lässt dich irre werden! Was sollte ein scharfes Bondgirl mit dir anfangen? Reiche mir die Butter, Sklave!“, befahl sie.
Gustav musste nun doch lachen und reichte ihr die Butter.
Dann räusperte er sich verlegen und sagte:
„Gestern Abend übrigens, war es sehr schön mit dir und die Zeit hätte niemals vergehen sollen. Sehr ärgerlich, dass wir so plötzlich getrennt wurden und eigentlich war es sinnlos, denn der geheimnisvolle Briefschreiber ist mir entwischt. Hatte der Junge dir noch etwas erzählen können?“
Ramona sah ihn an und wieder verfärbten sich ihre Wangen.
„Nein, der kleine Hosenscheißer wollte, dass ich die Bettdecke wegziehe. Kaum warst du raus, wurde er auch schon ein wenig anzüglich, weil er sah, dass ich nackt war. Italiener scheinen schon im Kindesalter echte Machos zu sein.“, erzählte sie.
Ungläubig runzelte Gustav die Stirn und Ramona schlürfte schweigend ihren Kaffee.
„Übrigens.“, bemerkte sie, „Im Briefumschlag lag nur ein leeres Blatt.“
Gustav schaute sie verwundert an. Eine Weile lang schwiegen beide und dachten über den gestrigen Abend nach.
„Lass uns durch die Stadt bummeln und in aller Ruhe über diesen Text nachdenken.“, schlug er ihr vor. Sie nickte enttäuscht. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er sie gleich wieder verführen würde. Gustav hatte aber längst das Schriftstück zur Hand statt ihre kleinen Brüste. Doch der rätselhafte Text war ja auch ziemlich aufregend und so zogen sie gemeinsam durch Florenz.
Ins kleine Altstadtviertel der Buchhandlung wollten sie diesmal nicht. Mit einer Schrotflinte oder der Polizei wollten sie nichts zu tun haben. Sie wollten Ruhe.
In einem schattigen Park setzten sie sich auf eine Bank.
Gustav kaufte am nahen Kiosk zwei Becher Fruchtsaft.
„Hilft auch gegen die Aufregung!“
Er legte seinen Arm um ihre Schulter und sagte:
„Ich weiß, was der Text bedeutet. Das königliche Tier mit einer Krone ist der Hirsch. Kein Zufall, wenn genau in diesem historischen Dokument eine Geheimschrift versteckt wurde. Als 1696 der Kurfürst den Hirsch erlegte, wanderte das Geweih mit samt dem Schädel in sein Jagdschloss nach Königswusterhausen, südlich von Berlin.“
Ramona sah ihn erstaunt und etwas bewundernd an.
„Du bist wirklich ein schlauer Typ.“, sagte sie, „Woher du solche Dinge weißt, ohne ins Internet