null Rahek

Eine Reise ins Nichts


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jemand soviel Mühe verwenden? So ein Text ist öffentliches Gut und kein Geheimdokument aus

       Dan Browns

      Romanen. Es gibt zahllose Abhandlungen über dieses Ereignis. Ich denke, dass es ein echtes Original ist und es wurde 1699 geschrieben. Leider ohne Namen und Unterschrift.“, erklärte er.

      Gustav klappte das Buch mit Genugtuung zu, nahm Ramonas Hand und grinste zufrieden. Er würde das mysteriöse Schriftstück später noch richtig untersuchen und vielleicht gab es noch weitere Geheimnisse.

      Nach dem Abendessen trafen sich beide im Zimmer von Gustav. Er hatte irgendwoher eine Kerze besorgt und angezündet, Italienischen Wein entkorkt und sein Bett als Sitzmöbel umfunktioniert. Die Beleuchtung hatte er gedämmt und den lokalen Musiksender eingestellt.

      Ramona war entspannt. Gustav war es nicht und etwas nervös. War es sein Abend? Diesmal wollte er nicht zu unsicher wirken. Er strahlte doch stets Sicherheit aus.

      Nach dem ersten Gläschen nahm er einfach ihre kleine Hand und streichelte sie wie einen alten Talisman. Aber schon nach kurzer Zeit fand er es albern und kindlich. Er ließ ihre Hand wieder los.

      Unbeholfen schenkte er die Gläser erneut voll. Der Rotwein schimmerte durch das Glas auf Ramonas Wangen, sobald sie daran nippte.

      Gustav hätte es gern fotografiert, aber dieser Moment war ein stiller Raum in angenehmer Untätigkeit. Jede Bewegung hätte gestört. Gustav mochte solche Momente, die ein Stück zeitlose Ewigkeit waren.

      Aber was mochte Ramona? Wäre sie einverstanden, wenn er sie jetzt küsste, ihre kleinen Brüste liebkoste und ihr das Kleid öffnen würde? Gustav hatte keine Ahnung. Umso länger er sie kannte, desto unsicherer wurde er ihr gegenüber.

      Von seinen Ängsten wusste Ramona nichts, der Rotwein schmeckte lecker und Florenz war einfach eine tolle Stadt. Ramona fühlte sich wohl.

      Da Gustav nur schweigsam neben ihr saß, dachte sie über ihr Verhältnis nach. Eigentlich war er ein toller Freund. Gustav war witzig, klug und gegenüber der restlichen Welt sehr selbstsicher. Nie würde er ihr einen Wunsch verweigern, wäre ihr gegenüber niemals grob oder rücksichtslos und zärtlich wäre er ohnehin. Irgendetwas stand aber immer zwischen ihr und Gustav. Sie konnte es eigentlich nicht erklären, denn sie war gern in seiner Nähe.

      Und nun saßen sie gemeinsam auf einem Bett, mit Rotwein und im Kerzenschein, an einem milden Abend unter Italiens Himmel.

      Was würde sie machen, wenn Gustav sie plötzlich küssen würde, ihre Brüste streicheln und ihr Kleid öffnen würde? Hätte sie es gemocht und auch genießen können? Ramona dachte nach. Es war schon eine Weile her, als sie den letzten Sex hatte und auch die Enttäuschungen danach. Doch Gustav würde sie nicht enttäuschen.

      Er gehörte zu den Menschen, die lieber überraschten, als enttäuschten. Sie konnte es sich fast vorstellen, wie er sie küssen würde, wie er ihre Brüste entblößte, ihr das Kleid öffnete und sie mit seinem Mund berührte. Sie stellte es sich vor und spürte die heimliche und warme Feuchtigkeit ihrer stillen Gedanken.

      Jetzt hatte Ramona Lust.

      Gustav saß schweigend neben ihr und schien über irgendein Problem zu brüten. Dann schaute er sie an, bemerkte ihre geröteten Wangen und seufzte ganz unmerklich, legte seinen Arm um ihre Hüfte und rückte ganz dich heran.

      Sie waren sich nah und Gustav wollte schon seinen ganzen Mut zusammennehmen und sie leidenschaftlich bestürmen, sie küssen und lieben. Jetzt wollte er es wagen!

      Beide schreckten hoch, denn es klopfte unvermittelt an seiner Zimmertür.

      Verdammte Zimmertür!

      Es war ein Junge, der einen Briefumschlag überreichte und gleich wieder verschwand. Gustav öffnete den Brief und las vor:

      „

       Mein Herr, Sie haben heute ein Buch bei mir erworben. Leider stellte ich fest, dass ich nicht befugt war, es Ihnen zu verkaufen. Der eigentliche Besitzer bekam das Buch von seinem Vater als persönliches Familienerbstück mit hohem, ideellem Wert und er besteht auf die Rückgabe des Buches.

       Als Wiedergutmachung für die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen bereitet habe, erhalten Sie von mir 400 Euro. Bitte kommen Sie allein und bringen sie das Buch am Morgen um 10 Uhr in mein Geschäft, wo ich Ihnen das Geld aushändige.

       Hochachtungsvoll, Rigonaldos

      “

      Gustav runzelte die Stirn.

      „Was soll das?“, fragte er.

      Ramona zuckte die Achseln.

      „Satte 400 Euro ist kein schlechtes Geschäft. Vermutlich wusste der alte Buchkrämer nicht, welches Buch schon verkauft und welches Buch nur eine Leihgabe war.“, sagte sie und sah zu, wie Gustav das Buch hervor holte.

      „Mag sein, dass der Alte die Übersicht verloren hat.“, antwortete er, „Aber wie sollte ein Erbstück, was dem Eigentümer so ideell wichtig war, in ein verstaubtes Bücherregal eines Antiquariats landen?

      Viel wahrscheinlicher ist, dass er irgendwie von den Handschriften erfahren hat und diese weit wertvoller sind als lumpige 400 Euro.“, entgegnete er grübelnd. Ramona setzte sich aufrecht, zog ihr Kleid gerade und sagte etwas empört:

      „Gustav, willst du das Buch behalten, obwohl du weißt, dass es nicht dir gehört?“

      Ihre Wangen wurden noch roter, obwohl ihre Lust längst verflogen war.

      Gustav zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Tasche und zündete sich eine an, trotz des Rauchverbotes. Damit zeigte er deutlich, dass er Regeln verabscheute und meist ignorierte, ohne Skrupel zu haben. Gustav war nie ein Mann, der unterwürfig handelte.

      „Ich habe es ganz offiziell für 40 Euro gekauft und könnte es einfach behalten.“, antwortete er trotzig, „ Aber gut, wir gehen morgen hin und tauschen das Buch für 400 Euro zurück. Die Handschrift von 1699 behalte ich aber und werde behaupten, dass ich keine Handschrift gefunden habe. Und eigentlich schreibt der Mann auch nur von dem Buch und nicht von irgendwelchen Zetteln, die zufällig drinnen lagen. Ich werde mir das Buch genauer ansehen und die anderen Zettel auch. Irgendwas liegt hier verborgen und scheint wertvoller zu sein, als wir bisher glaubten.“, entgegnete er bockig und beleidigt.

      Ramona erhob sich.

      „Nun gut. Ich bin müde und gehe ins Bett.“, sagte sie ebenfalls beleidigt.

      Dann küsste sie Gustav flüchtig und ging.

      Wieder ein Abend ohne Liebe, Sex und ohne Körperlichkeit. Gustav verzog mürrisch das Gesicht, widmete sich aber gleich seinem Buch. Jede einzelne Seite überflog er, suchte nach Notizen und Unstimmigkeiten. Anschließend begutachtete er sämtliche Schriftstücke, die er lose im Buch gefunden hatte. Nichts!

      Wie er bereits vermutete, waren es belanglose Steuerlisten aus ehemaligen Klöstern. Zwei Listen mit Zählungen von Einwohnern kleiner Dörfer und eine Rechnungsliste für Bier. Einzig und allein die Schriftakte aus dem Jahr 1699 blieb bemerkenswert, weil sie alt und geschichtlich war. Vielleicht war sie sogar 400 Euro wert, aber viel wertvoller war sie nun auch wieder nicht. Gustav grübelte und Stunde um Stunde verging. Er fand nichts Geheimnisvolles.

      Müde und enttäuscht ging er zu Bett.

      Er träumte. Ganz sicher, denn er fühlte sich körperlos und war nicht wach. Manchmal erkennt man die Traumwelt, egal wie realistisch sie erscheint. Und dieser Traum war einfach da, ohne Anfang, ohne Vorspiel, ohne Steuerung.

      Eine wunderschöne Frau, voller Liebreiz und Anmut, saß an seiner Seite. Tatsächlich erkannte Gustav keine konkreten Formen, keine abspeicherbaren Gesichtszüge und keinerlei Farben. Sie war seine persönliche Empfindung, eine Euphorie seines Traumes.

      Trotz der Formlosigkeit war sie eine handfeste Erscheinung. Sie war jung, viel jünger als Ramona, hatte etwas ungemein Vertrautes an sich und wirkte sehr anziehend