Toby Weston

Zielobjekt: Untreue Ehefrauen


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Sie mich als uninteressant?“

      „Eher als frech.“

      „Bleiben wir beim Körperlichen, bei der allgemeinen Optik. Wie sehen sie mich?“

      „Ich finde Sie weder hübsch noch hässlich“, erwiderte sie diplomatisch.

      „Sie müssen sich zu meinem Körper äußern.“

      „Ich kenne ihn nicht.“

      „Dann ziehen Sie mich aus. Haben Sie das noch nie getan? Sie enttäuschen mich.“

      „Ich bin eine verheiratete Frau“, stellte sie fest. „Das formt mein Verhalten.“

      „Es gibt zwei Verhaltensweisen. Die offen gezeigte, und jene, von der ich spreche ...“

      „Sie werden mich nicht dazu bringen, Dinge zu sagen, die ich für dumm, gewöhnlich und unverantwortlich halte“, erklärte Anna gereizt.

      „Sie haben mich also schon ausgezogen – in Gedanken, meine ich“, sagte er.

      „Wir sollten das Thema wechseln.“

      „Wie Sie wollen, aber ich spüre, dass es Ihnen trotzdem Spaß macht, auf dem Vulkan zu tanzen. Es sprengt endlich einmal die Ketten Ihrer braven Bürgerlichkeit, es versorgt Sie mit Gedanken, Vorstellungen und Wünschen, die wohl jeder Mensch hat, die er aber selten genug ausspricht und verwirklicht. Ich bin da anders. Ich habe gelernt und begriffen, dass nur die Wonnen der Sinnlichkeit Gewicht haben, und handle danach.“

      „Wollen Sie mich verführen?“, erkundigte sie sich spöttisch.

      Er spürte, wie ihre Stimme bebte und sah, dass die Kühle aus ihrem Blick gewichen war. Ihm dämmerte, dass er eine Bresche in die Mauer ihres Widerstandes geschlagen hatte. Er befand sich auf dem richtigen Weg. Anna Bergfeldt war reif für ein Abenteuer. Vielleicht wusste sie das nicht einmal, oder sie wehrte sich dagegen, es wahrzuhaben, aber seine Erfahrung sagte ihm, dass sie jetzt keine Chance mehr hatte, diese Auseinandersetzung zu gewinnen.

      „Ja, das möchte ich.“

      „Ebenso gut könnten Sie versuchen, die Zugspitze in Badeschlappen zu ersteigen.“

      Er stand abrupt auf. „Tanzen Sie mit mir?“

      „Nein, warum sollte ich?“

      Er sah sie durchdringend an.

      „Sie haben also Angst“, stellte er fest.

      „Angst vor Ihnen? Das ist unsinnig.“

      „Darf ich den CD-Player anstellen?“, fragte er und trat an die teure Stereoanlage, ohne ihre Antwort abzuwarten. Alexander hatte, wie vereinbart, eine CD mit dezenter, langsamer Tanzmusik eingelegt.

      Er wandte sich der jungen Frau zu.

      „Also, wie steht´s?“, fragte er. „Wenn Sie sich Ihrer Sache so sicher sind, wie Sie meinen, kann Ihnen der Tanz nicht gefährlich werden.“

      „Sie haben den Verstand verloren“, stammelte sie. „Erwarten Sie wirklich, dass ich mich mit so primitiven Methoden aufs Glatteis locken lasse?“

      Er grinste. „Immerhin geben Sie zu, dass dieses Glatteis existiert.“

      „Ich verstehe darunter etwas Anderes als Sie“, entgegnete Anna.

      Er setzte sich wieder. „Schade“, sagte er.

      „Sie sollten jetzt gehen“, meinte sie.

      Er schaute sie an.

      „Was werden Sie Alexander sagen?“, wollte er wissen.

      „Die Wahrheit. Was sonst?“

      „Sie werden ihm dieses Gespräch wiedergeben – in vollem Wortlaut?“

      „Kaum“, sagte sie ironisch. „Ich habe Ihre Worte nicht mitnotiert und werde sie schnell wieder vergessen haben.“

      „Sie wissen, wie ich das meine. Werden Sie den Mut haben, ihm zu gestehen, welche Themen Sie mit mir erörterten?“

      „Es geht Sie wirklich nichts an, was ich ihm zu sagen beabsichtige“, meinte sie und erhob sich plötzlich. „Gehen Sie jetzt, bitte.“

      Er stand auf. Seine Gastgeberin brachte ihn in die Diele. Dort blieb er stehen und wandte sich Anna zu. Sie war fast so groß wie er, eine schon wieder kühle, sehr distanziert wirkende junge Frau, die er plötzlich stärker begehrte als irgendeine andere zuvor.

      Nein, das war sicherlich falsch, das war ein Gefühl, das ihn bei jeder geplanten Neueroberung übermannte, aber sicherlich geschah es nicht sehr oft, dass er in dieser Heftigkeit von der Gier nach Sex gepackt wurde.

      Er zog sie an sich!

      Sein Handeln kam unerwartet und für Anna so überraschend, dass sie im Moment nicht zu reagieren wusste. Sie starrte nur dem Mann in die Augen, verdutzt, empört und zugleich erregt. Sie spürte, wie er eine Erektion bekam, und war gelähmt von der Erkenntnis, dass sie sich nicht wehrte, ihn nicht abschüttelte und nicht die Dinge tat, die man unter den gegebenen Umständen von ihr erwarten durfte.

      Er küsste sie!

      Der Kontakt seines weichen und warmen Mundes war wie ein Signal, er gab ihr die Handlungsfähigkeit zurück. Sie stieß ihn von sich.

      „Sie sind ja total übergeschnappt!“, fuhr sie ihn an.

      „Kann schon sein“, gab er schweratmend zu. „Ich bin verrückt nach dir, nach deinem Mund, deinem Körper, deinem Schoß, deinen Brüsten ...“

      „Schweigen Sie!“, schrie die junge Frau.

      Wir sind im Dachgeschoss, schoss es ihm durch den Sinn. Niemand kann uns hier oben hören.

      Er hatte nicht vor, Anna zu etwas zu zwingen. Das wäre ein Bruch mit seinen Prinzipien, seinem Glauben und seiner geliebten Verführungswissenschaft gewesen, aber er war doch überrascht von der Erkenntnis, wie wenig seine bisherigen Erfahrungen im Moment zum Tragen kamen.

      Er hatte gelernt, seinen Verstand über Gefühle zu stellen, aber jetzt begriff er, dass taktische Fragen plötzlich von untergeordneter Bedeutung waren, und dass die Situation ihn zu einem Spielball seiner Begierden machte, die er um jeden Preis durchzusetzen wünschte.

      „Ich muss dich haben“, murmelte er heiser.

      „Wenn Sie mich anfassen, schreie ich um Hilfe!“, warnte sie ihn.

      Sie war bis an die Wand zurückgetaumelt und lehnte mit dem Rücken dagegen, die Hände mit den gespreizten Fingern flach gegen die Seidentapete gepresst.

      Toby ging auf sie zu. Er blieb dicht vor Anna stehen und versuchte in ihrem flammenden Blick zu lesen. Er sah nicht nur Zorn und Ablehnung darin, sondern auch einen Abglanz von Leidenschaft, den er mit seiner Aktion bewusst heraufbeschworen hatte.

      Anna hatte gemerkt, was in seiner Hose los war, das stand fest – und jetzt kämpfte sie mit sich und den Verlockungen, die seine Nähe ihr bot.

      „Verschwinden Sie!“, keuchte sie. „Hauen Sie ab!“

      Er schüttelte den Kopf.

      „Ist das die Sprache einer wohlerzogenen jungen Frau?“, fragte er.

      „Ich hasste Sie! Ich werde Alexander sagen ...“

      Ihre Stimme brach ab. Sie hatte nicht die Kraft, weiterzusprechen.

      Toby lächelte dünn. „Du wirst nichts sagen, weil du genau weißt, dass es nicht geht. Du hast mitbeholfen, diese Situation heraufzubeschwören. Mag sein, dass du dich im Moment vor ihr und ihren Folgen fürchtest, aber gleichzeitig erschauerst du vor Vergnügen bei dem Gedanken, dass sich daraus etwas Großes, Neues und Erregendes entwickeln könnte, ein Stück aus dem wahren Leben, dem du bislang ausgewichen bist.“

      „Wenn das wahre Leben, wie Sie es nennen, in der Gosse liegt und aus der Gosse kommt, will ich nichts damit zu tun haben“, murmelte sie.