Reena Hera

Vollweib


Скачать книгу

erfüllte sich sogar ein Traum von mir. Ich war Chris Tanzpartnerin, bis ein Uhr jedenfalls, und solange seine Mutter alles im Blickfeld hatte. Die Vorkehrungen der Mutter waren umsonst. Schon bald war meine große Liebe mit der Schicki Micki Braut verschwunden. Als sie wieder auftauchten, sah, spürte und roch man direkt, was inzwischen gelaufen war. Mich überkam ein Gefühl von Ohnmacht und Verzweiflung.

      Ich hatte eine riesengroße Wut auf meine und Chris Mutter. Den Einfluss der Venus auf mein erotisches Verhalten in dieser Gesellschaft musste ich von meiner Geburt bis ins hohe Alter aufgrund meiner überdominanten Mutter verdrängen, verstecken und stark vernachlässigen. Meine pubertären erotischen Lernprozesse mit meinen Brüdern und deren Freunden einmal ausgenommen.

      °

      Als ich später neben Kunst auch Psychologie studierte, lernte ich, dass in jedem Menschen, selbst im Mann, eine schwelende, intensive, laszive und verführerische sexuelle Kraft sein sollte. Diese wunderschöne Energie musste selbst ich als Hexe, aufgrund gesellschaftlicher Normen und meiner religiösen Erziehung viel zu lange unterdrücken. Ich kann mich im Nachhinein erinnern, dass sie schon immer stark ausgeprägt war, und nur zu gerne hätte ich mit den verführerischen Künsten einer gelebten Venus Chris erobert. Venus ist das Feuer tief in mir drinnen. Das einfühlsame, romantische Wesen in mir hatte jedoch eben aufgrund dieser Eigenschaften trotz der Hexe, die diese Venus in Rebecca verkörperte, keine Chance, bei Chris zu landen.

      Diese leidenschaftliche, laszive, geheimnisvolle Venus verkörpert all das, was in mir aufgrund meiner Erziehung verdrängt wurde. Ich war zwar als Jugendliche ausgesprochen gutaussehend, wurde vielfach sogar als schöne Prinzessin bezeichnet, von meiner Mutter auch eher als diese erzogen und gekleidet, als passend zu der Draufgängerin, die tief in mir verborgen war. Da durfte nichts Feuriges, Animalisches an mir und in mir wohnen, das die Leidenschaft von Chris in diesen Tagen hätte wecken können.

      Oft artete das in eine Konkurrenz zwischen Vater und Tochter aus, die meine Mutter noch sehr stark geschürt hatte, indem sie Benzin in das lodernde Feuer goss. Der Vater als Elite Sportler und Macho, konnte trotz der tief in ihm schlummernden künstlerischen Feinfühligkeit, deren Gene ich offensichtlich geerbt habe, nicht gegen die Mutter ankommen, die meine Selbständigkeit immer wieder stark untergrub, indem sie nicht aufgab, mich zu Ihrer Vorzeigetochter zu machen. Es war dies ihre unbewusste Botschaft an das männliche Geschlecht und gegen dieses Machogehabe der Männer. So wurde ich auch oft für meine Einfühlsamkeit und Sensibilität und Zurückhaltung gelobt, und nie für meine männlichen Eigenschaften, die ich mit meinen Brüdern, Ellbogen einsetzend, raufend, schreiend, und mit männlichem Imponiergehabe, umso mehr auslebte.

      Ich hatte beinahe aufgegeben, eine Frau sein zu wollen, hatte mich mich dezidiert für ein Leben abseits meiner Artgenossinnen entschieden und war so zur Hexe geworden. Erst mit den Jahren entwickelte ich eine Leidenschaft zu Büchern und eine Sehnsucht nach gedanklicher Tiefe.

      Wie ich schon erwähnte, die Zeit war geprägt von leidenschaftslosem sozialem Verhalten und freudlosem Lernen in der Schule. Ich denke, der Einfluss der Venus fehlte so sehr, dass ich mich nicht einmal danach sehnen konnte. Wie auch, die Abwesenheit meiner Fraulichkeit war mir ja nicht einmal bewusst!

      Venus ist nämlich nicht nur das Weibliche in der Frau. Sie verkörpert auch die sexuelle Entsprechung des Männlichen. Sie ist der muskelprotzende Mann aus der Sportartikel Werbung. Sie ist der honigfarbene Cognac oder Whisky und auch das unbekümmerte Lachen der Männer über einen Blondinenwitz.

      Sie ist ein Porsche, Ferrari oder Jaguar, aber auch der Sprung mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug, der Adrenalin-Schub beim Bungeejumping oder die Abfahrt durch eine Steilrinne im Tiefschnee. Sie ist beim Aufziehen des Segels einer schnittigen Yacht dabei und beim lebenslustigen, verrucht orgastischen Sun-Downer. Dabei, nach einem Segeltörn in der romantischen Bucht, wenn alle nackt ins Wasser springen und danach das Salz auf der Haut als knisternde Erregung empfinden.

      Venus im Mann verkörpert muskulöse Harmonie im Sport und gerechten Ausgleich der männlichen Ästhetik zur weiblichen Sinnlichkeit. Wir hören Venus im Plätschern der Wellen am Rumpf, im Singen des Windes in den Segeln, in der eleganten Form eines Sportwagens, im Brunftschrei des Löwen bevor er das Weibchen aus seinem Rudel zur Begattung wählt.

      Wann immer ich mit meinen Fingern über den muskulösen Körper eines Mannes streichle, wird er mich vergöttern. Venus ist in seiner Selbstverherrlichung und Erotik. Venus drückt sich in Chris Hemmungslosigkeit und in seinem Machogehabe aus, aber auch in seiner Feinfühligkeit und seinem guten Geschmack.

      Venus machte ihn auch zu einem einfühlsamen, zärtlichen und gleichermaßen romantischen Liebhaber, wie ich ihn mir immer gewünscht hatte.

      Als Göttin der Liebe und Fülle verkörpert Venus das Angenehme und Lustvolle auf unserem Planeten. Also warum um alles in der Welt musste gerade ich diesen so positiven Aspekt unterdrücken?

      Die Venus unserer Gesellschaft ist zu recht frustriert. Was immer erfolgreiche Männer in Form von Geld, Status und Macht besitzen, scheint ihnen an wahrer Liebe und persönlichem Glück zu fehlen. Immer wieder musste ich feststellen, dass bei Männern selbst im größten Erfolg die Angst bleibt, als Liebhaber gleichermaßen wie als Wirtschaftsikone zu versagen. Übrig bleibt die Verherrlichung der Statussymbole als Ersatzbefriedigung. Chris mochte sich nach Frauen sehnen, aus denen er seine „Göttin“ machen durfte, die all die Leere auffüllen konnte, die auch mein Leben prägte. Und genau deshalb sollte Chris mein „Gott“ sein.

      Und wenn Männer wie Chris mit bleiernen Füßen die Gaspedale ihrer PS-Ungetiere durchdrücken, jagen sie in Wirklichkeit immer wieder einer Fantasie nach. Einer Frau, die die Venus in ihnen versteht, begreift und sie heil macht.

      Unsere Gesellschaft hat die Venus auf den Sportplatz, auf die Straße oder ins Abenteuer geschickt. Geld und Statussymbole verkörpern unsere Vorstellung vom Glück, aus Angst, sich in der Liebe zu verlieren, anstatt dem lüsternen Einfluss der Venus und ihren Interessen Gehör zu verschaffen.

      Die Astrologen sagen mir, dass ich mit meinen Sternen unersättlich nach Erotik und Sex sein sollte, und sie hatten wohl Recht. Aber wer ist die Venus in mir wirklich und was ist ihr wichtig?

      Hätte mich Venus nicht schon im Jugendalter aus meinem Dornröschenschlaft reißen können, um mir zu sagen und zu lehren, wie ich Chris verstehen und wie ich ihn glücklich machen hätte können. Noch besser, wie ich sein Interesse hätte wecken können. Einige weitere Möglichkeiten mit Chris sexuelle Erfahrungen zu sammeln, vereitelte meine Mutter. Wie so viele zahlreiche andere Möglichkeiten, mit der Ausnahme der schon erwähnten, von einer Tante organisierten, Nachhilfestunde. Und da war noch Mark, meine Ersatzliebe und mein Langzeitfreund. Er war die einzige Person, mit der ich meine Venus ausleben konnte, aber dazu musste er mich ja das erste Mal beinahe auf der Skipiste vergewaltigen. Ich selbst glaubte damals an die Einzigartigkeit der Liebe und wollte Sex jahrelang nur mit meinem Traummann ausleben – nicht einfach so zum Spaß und zum Üben. Mark belehrte mich zum Glück während meiner Schilehrerinnen Tätigkeit eines anderen. Chris wiederum wollte damals von Liebe nichts wissen, er wollte unbeschwert leben. Ich hatte inzwischen Jahre auf mein erstes sexuelles Erlebnis mit ihm gewartet und viele Jahre vergebens gehofft. Erst nachdem er seine Teilzeitfreundin und studierende Schicki Micki Braut mit drei anderen Männern im Bett ertappte, schien meine Stunde gekommen. Ich machte in all den Jahren, in denen ich meinen über alles geliebten Männern immer wieder mein Durchhaltevermögen, meine Zuverlässigkeit und Treue beweisen wollte und das Gefühl der Einzigartigkeit vermittelte, die Erfahrung, dass Männer darauf keinen Wert legten. Immer wieder wurde den Prinzessinnen, den Zicken oder Barbie Bräuten, in vollstem Bewusstsein dieser Tatsachen, der Vorzug gegeben. Ich verstand die Männerwelt sehr lange nicht.

      °

      Der Sturm war inzwischen weitergezogen, ich hatte jedes Gefühl für Zeit verloren, aber die See war immer noch sehr rau und bewegt. Ich lag im Dingi am Boden und betrachtete meinen geschundenen Körper. Von meinen Lippen hing die Haut in Fetzen. Ich war darüber fasziniert und gleichzeitig zu Tode entsetzt. Unglaublich, was das Salzwasser mit mir angerichtet hatte. Es gelang der See, mich immer mehr an allen Stellen des Körpers anzugreifen. Meine Arme und Beine waren übersät mit blutigen, offenen Stellen. Meine Brüste sahen aus, wie