hatte zukommen lassen wollen. Ich war zufrieden und so kosteten wir diesen intimen Moment mehrere Augenblicke lang aus.
Dann gab es aber keinen Aufschub mehr. Torvac musste seine Sachen zusammensuchen. Noch bevor der Mord bekannt wurde, verließen wir die Stadt bei den ersten Strahlen des neuen Tages.
3. Kapitel
Wir marschierten nach Süden, dem Lauf der Sonne entgegen, die sich schon bald hinter den gigantischen Gebirgszügen verbarg, den Schattenzinnen, die einen großen Teil des Kontinents auch am Tage in dämmriges Licht tauchte, obwohl ihre höchsten Gipfel weit im Westen lagen. Da ich mich überhaupt nicht mit der Wildnis auskannte und schmerzhaft mit Daunen gefüllte Kissen vermisste, verließ ich mich auf meine Begleiter. Für die tägliche Rast hatten wir mehrere Zelte dabei. Auch hier erwies sich Torvac als eine Bereicherung. Am Tag schleppte er einen Großteil der Ausrüstung und in der Nacht teilten wir eine Schlafstätte. Er hatte einen Besitzanspruch auf mich entwickelt, den ich zwar nicht teilte, aber seine schützende Nähe auch nicht missen wollte. Er lenkte zudem meine Gedanken von Laanas verheißungsvollen, unter der dunklen Kapuze aufblitzenden Lippen ab – zumindest vorerst.
Nach vielen Tagen der Wanderschaft wurde das Land karger und die Luft hatte einen muffigen Geruch angenommen, der schwer auf unseren Gemütern lag. Wie Wunden von gigantischen Krallen gleich zogen sich lange Schluchten durch eine Steppenlandschaft. Wir standen am Rand der Narbenlande. In meinem Bauch rumorte es, eine Aufregung, die ich noch nicht näher benennen konnte. Auch der Halbork schien unruhig, von einer inneren Stimme getrieben. Laana blickte mit ihren hellen, durchtrieben funkelnden Augen zum Himmel empor. Das Sonnenlicht war hinter einer dunstigen Trübung verschwunden. Ein kalter Wind überzog meine Haut mit feinen Eiskristallen. Ich fröstelte und war dankbar für die große Pranke des Minotauren, der meinen Rücken rieb.
»Wir müssen dort entlang«, erklärte Laana, die sich am besten auskannte, und deutete auf eine breite Schlucht, deren Ränder bald in eine ungewisse Dunkelheit führten.
Mit verkniffenen Augen rutschte ich eine leichte Böschung hinunter, wirbelte Staub und kleine Steine auf, bevor ich festen Stand erreichte und meine Lederrüstung enger schnallte.
Ich fühlte mich unbehaglich in dieser Kleidung, auch wenn mir das Leder gut stand. Leider hatte sich genug Staub darauf gesammelt, dass ich auf mehrere Schritt nur noch als einfache Menschenfrau durchging, wenngleich mit schmaler Taille und bis zum Gesäß reichenden, dicken Zopf. Wogar schenkte mir sogar ein Lächeln, als er hinter mir her rutschte. Moi’ra schien auf die bisherigen Entbehrungen mit einem Gleichmut zu reagieren, der Ignoranz sehr nahe kam.
Die blonde Schönheit in ihrer dunklen Kleidung stoppte kurz vor mir, ihre Lippen berührten fast die meinen und ich war geblendet von dem strahlenden Blau ihrer Augen.
»Pass auf, wo du hintrittst. Bei dem ganzen Lärm, den du erzeugst, überhören wir sonst, wenn dich eins der zahlreichen Monster in dieser Gegend verschluckt«, flüsterte sie und erzeugte einen kalten Schauer entlang meines Rückgrats. Noch bevor ich antworten, oder zumindest die mir eingejagte Furcht runterschlucken konnte, hatte sie ihre Zunge zwischen meine ängstlich geweiteten Lippen geschoben und befeuchtete meinen Gaumen so sanft, dass ich sinnlich die Augen schloss.
Ohne Vorwarnung drehte sie mich herum und schubste mich weiter. Benommen von ihrem Geschmack taumelte ich einige Schritte, bis ich wieder Fuß gefasst hatte und zu den anderen aufholen konnte. Aufgewühlt versuchte ich, das köstliche Prickeln auf meinen Lippen zu bewahren, wagte jedoch nicht, mich nach ihr umzudrehen. Sie blieb in meinem Rücken und ich konnte ihr schelmisches Grinsen spüren.
Zwischen den zehn Mann hohen Schluchtenwänden war es kühler und ein beständiger Lufthauch wehte in mein Gesicht. Am abgestandenen Geruch änderte das aber nichts. Je weiter wir gingen, je mehr roch es nach Tod.
Wir hatten mehrere Stunden Wegstrecke zurückgelegt, als Laana uns auf Geräusche aufmerksam machte, die sich aus der Richtung näherten, von der wir kamen. Anscheinend hatte man uns aufgelauert, passieren lassen und griff uns nun von hinten an.
Schon war über ein ganzes Dutzend kleinerer Gestalten heran. Sie reichten mir etwa bis zum Bauchnabel. Im Gegensatz zu meinem Nabel war der ihre hinter dreckigem Leder verborgen und ihr ungepflegter Geruch störte meine Nase. Ihr Fell hätte auch als dunkle, schmierige Haut durchgehen können. Sie schwangen primitive Waffen, deren Gefährlichkeit meine erworbenen kämpferischen Instinkte einzuordnen wussten. Mit beiden Händen umfasste ich den Griff meiner Streitaxt und machte in leicht gebückter Haltung einige Schritte rückwärts.
Ein ärgerlicher Aufschrei von der Seite zeigte eine neue Bedrohung auf. Wogar hatte ein Pfeil erwischt, dessen gefiederter Schaft aus seiner Schulter ragte. Ein schneller Blick hinauf enthüllte, dass sich zu beiden Seiten der Schlucht auf deren Plateau ebenfalls ein Dutzend dieser Gestalten befand und mit Bögen auf uns schoss.
Torvac brüllte und sprang zusammen mit Laana in die heran laufende Menge. Ich folgte Wogar und Moi’ra, um an den zerklüfteten Wänden hinauf zu klettern. Ein Pfeil bohrte sich schmerzhaft in meine Schulter, die Fleischwunde heilte sofort wieder, nur der Pfeilschaft behinderte mich beim Klettern. Moi’ra hatte ihre Ketten dazu genutzt, schnell an Höhe zu gewinnen, und hievte sich schwungvoll auf das erste Plateau. Wogar fluchte auf der anderen Seite. Aus ihm ragten schon drei Pfeile, was seinen Zorn nur weiter anfachte. Ich war mir sicher, dass mindestens ein Pfeil in seiner dicken Rüstung hängen geblieben war.
Für mich blieben nur noch zwei Gegner, an denen ich mein aufgestautes Adrenalin entladen konnte. Berauscht vom fließenden Blut lugte ich hinüber zur Kampftechnik des weiblichen Mönchs. Voller Anmut bewegte sie sich durch die verbliebenen Reihen, erahnte förmlich die Hiebe und Schläge um dann mit tödlicher Präzision ihre eigenen Treffer zu landen.
Am Boden der Schlucht sammelten wir uns wieder. Uns war nur eine kurze Verschnaufpause gegönnt, dann wackelte der Boden unter unseren Füßen. Etwas bewegte sich darin. Unsere Köpfe wandten sich zu einer Stelle, an der etwas Staub und Dreck absank, nur um dann in die Höhe zu schnellen und inmitten all des aufgewirbelten Gesteins sich der bräunliche Chitinpanzer eines Chakkragh mit seinen großen Mandibeln, den beiden Fühlern und sechs Klauenbeinen herausschälte. Schwarze Knopfaugen fixierten uns. Der langgezogene Körper verlief zu den Seiten und zum Ende hin flach und maß etwa zehn Fuß. Das Wesen war offensichtlich zum Graben geschaffen, nun wollte es seine Beute holen.
Wogar reagierte sofort, holte tief Luft und blies seinen feurigen Odem dem Wesen entgegen.
Leider stand ich ein Stück vor ihm und spürte seinen heißen Atem. Meine Haut bildete Blasen, ein Teil meiner Kleidung verschmorte und ich schrie schmerzhaft auf. Wütend trat ich gegen das Schienbein des Halbdrachen und wünschte, mehr Kraft zu haben, um ihm Schmerzen zuzufügen, die ihn in Zukunft zu mehr Vorsicht verleiteten.
So zuckte er nur mit den Schultern.
»Heilt doch wieder. Der ist platt«, grunzte er. Eine Feststellung, der ich nicht einmal widersprechen konnte.
»Pass demnächst gefälligst auf!«, schnauzte ich.
Meinen zornigen Blick hielt ich noch einige Minuten aufrecht, bis wir nach einer Biegung erneut vor einem Erdaufwurf standen. Wir schafften es gerade noch, uns so zu verteilen, dass der aus dem Boden hervor brechende Chakkragh von allen angegriffen werden konnte.
Ehe Moi’ra ihre Ketten einsetzen konnte, hatte sie die säurehaltige Spucke des Wesens am Körper. Kleine Rauchfäden verätzter Haut stiegen auf. In den Geruch mischte sich das Blut des sterbenden Chakkragh.
»Wir müssen weiter«, knurrte Wogar und setzte kraftvoll seinen Weg fort. Ein Blick von mir zu Moi’ra zeigte nur ihr Schulterzucken. Welch innerer Drang trieb den Orkkrieger zur Eile? Ich sollte es bald erfahren.
Noch bevor das Sonnenlicht sich senkte, knickte die Schlucht an einer Stelle ab, die einen Teil eines Torbogens freigab. Dunkel gähnte eine Öffnung in der Wand. Der Bogen stammte eindeutig von einem Gebäude. So viel ich wusste, entstanden die Narbenlande durch einen Krieg, der viele Umwälzungen mit sich brachte. Es war nicht auszuschließen, dass an der Stelle, wo wir standen, sich vor vielen Jahrhunderten