Andreas Nass

Krisheena - Tor zum Abyss


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uns und seinem Körper zu bringen.

      »Ihr kommt aus Talorn und habt etwas für uns.« In solchen Momenten schätzte ich meine Begleiterin für ihre direkte Art. Viele Worte waren hier nur Verschwendung.

      »Für euch?« Er zog seine Nase hoch und wischte mit seinem Ärmel darüber. Seine abfällige Geste missfiel mir. Ich beugte mich vor, trommelte mit den Fingernägeln auf das Holz und ignorierte die Blicke der anderen Gäste.

      »Ja, wir wollen es haben. Gebt es uns, dann passiert Euch nichts.« Ich wusste, er würde meine Drohung ignorieren, aber ich liebte dieses Spiel.

      »Mir wird nichts passieren, wenn ich meine Lieferung zum richtigen Bestimmungsort bringe.« Er redete zu viel.

      »Aha«, knüpfte ich mit hochgezogener Augenbraue an, »dann habt Ihr tatsächlich etwas dabei. Wem sollt Ihr es geben?«

      »Das möchtest du jetzt wirklich gerne wissen, was?« Er lachte dreckig. Mein zorniger Blick belustigte ihn. »Verschwindet wieder!« Seine Hände unterstützten die Forderung. »Kümmert euch wieder um den Abwasch, macht die Wäsche oder wofür ihr sonst zu gebrauchen seid. Ich will nicht länger gestört werden.« Ein Blick zur Seite bestätigte das Ende der Unterhaltung.

      »Pack ihn, dann können wir ihn durchsuchen«, erklärte ich an Moi’ra gewandt.

      Aus den verschlungenen Falten seines Umhanges blitzten zwei Dolche auf. Kampflos wollte sich der Bote nicht ergeben. Noch während ich einen Schritt zurück ging, griff Moi’ra mit ihren Ketten an.

      Ein Stuhl kippte zur Seite, die Klingen wirbelten herum und leiteten Kettenglieder ab. Metall traf auf Metall, Funken sprühten und schnell wurde mir klar, dass meine Begleiterin trotz ihrer Vertrautheit mit den Ketten nicht lange den surrenden Dolchen standhielt. Schon bohrte sich ein Dolch in die Schulter meiner Gefährtin, Blut spritzte in einem weiten Bogen und benetzte meine Hose. Wütend sah ich auf den Fleck.

      Moi’ra ignorierte die offensichtlich schmerzende Wunde und kontrollierte die Kettenenden, als wären sie nichts anderes als ihre verlängerten Fäuste.

      Tastend wagte sich mein Geist vor, verband sich unsichtbar mit dem Willen des Boten. Wie ein Stromschlag sandte ich eine kleine Energiewelle durch sein Gehirn und verwirrte ihn für eine kurze Zeit. Es war nur eine kleine Hilfe, denn schon stach er wieder zu und ritzte entlang der trainierten Hüfte des weiblichen Mönchs die Haut auf. Sie schwankte kurz, drosch dann weiter mit den Ketten auf den hin und her tänzelnden Boten ein.

      Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie sich ihre Wunde langsam wieder regenerierte. Mein Geist arbeitete weiter, knüpfte an der nächsten Handlung unseres Gegners an und zerstreute sie in die Ewigkeit der Gedankengänge. Wütend musste ich dennoch zusehen, wie die Schneiden sich erneut in Moi’ras Körper bohrten. Sie heilte nicht schnell genug, war zu sehr angeschlagen und taumelte.

      Es war noch nicht an der Zeit, meine wahre Gestalt zu zeigen. Und wir hatten Zuschauer. Mit einer Handdrehung verbarg ich, wie mein Geist eine kleine Flamme formte, sie über meinen Zeigefinger züngelte und durch ein Schnippen auf den Boten schleuderte.

      Hinter mir donnerten die Hufe des Minotauren heran. Bis er zu Hilfe eilte, nahm ich zwei Stiche des Boten in meine Beine hin und schrie schmerzhaft auf. Zu meinem Glück waren die Klingen nicht stark genug verzaubert, um meine außerweltlichen Heilungskräfte zu umgehen. Von dem Treffer blieb nur das Loch in meiner Hose, umrahmt von getrocknetem Blut. Jetzt war ich wirklich wütend.

      Von einem Axthieb getroffen stolperte mein Peiniger einige Schritte zurück. Blut tropfte aus einer langen, klaffenden Wunde an seiner Seite auf den Holzboden. Die geschundene Zeit reichte, damit sich Moi’ra erholte, geschickt in den Stand sprang und einen wahren Sturm von Schlägen mit den Ketten ausführte. Benommen ging der Mann zu Boden. Seine beiden Klingen klapperten auf den steinigen Grund. Ich nahm sie an mich und stach, aus Zorn und um sicherzugehen, damit in seinen Hals, durchtrennte die Schlagader. Freudig beobachtete ich die Blutfontäne und das letzte Zucken der Nerven.

      Beide Dolche lagen gut in der Hand und glitten in die Haut wie Butter. Es waren eindeutig Meisterarbeiten, leicht verzaubert, um ihre Wirkung zu erhöhen und gegen Witterungseinflüsse zu schützen. Grund genug für mich, sie zu behalten.

      Gemeinsam durchsuchten wir seine Ausrüstung. Er hatte eine Ledermappe bei sich, dort fanden sich aber keine nützlichen Dinge und es gab keinen Hinweis, wem er seine Aufwartung machen wollte, noch etwas Wertvolles. Einige Silbermünzen und vier Goldmünzen fanden ihren Weg in unsere Beutel.

      Wütend angesichts der geringen Ausbeute schlitze ich dem drahtigen Mann den Bauch mitsamt Kehle auf. Eine große Blutlache bedeckte jetzt den Boden.

      »Hey, jetzt ist mal gut, wer soll das alles wieder saubermachen?«, schrie der kleinwüchsige Wirt erbost. Mit meiner erhobenen Hand gebot ich ihm zu schweigen.

      Im Magen erkannte ich etwas kleines, metallisches, das wie ein kleines Ei geformt war. Verwundert beförderte ich es mit den Dolchspitzen heraus und wischte die Schneiden am Umhang der Leiche ab. Eine feine Naht trennte den Gegenstand in zwei Teile. Vorsichtig zog ich die Hälften auseinander und fand ein zusammengefaltetes Stück Papier. Darauf befand sich eine Skizze. Ich reichte meinen Fund den beiden anderen. Torvac rümpfte seine Nase und stampfte aus dem Gasthaus, um die Zeichnung bei Tageslicht zu begutachten. Wir folgten ihm neugierig.

      »Könnte eine Wegbeschreibung in den Süden sein, wenn das hier«, er deutete auf eine Stelle der Skizze, »die Labyrinthstadt ist und hier«, er zeigte zum Ende der Skizze, »die Gebirgsausläufer der Schattenzinnen angedeutet sind, dann führt dieser Weg in die Narbenlande.«

      »Narbenlande?«, erwähnte ich. »Davon habe ich gehört. Es ist eine Wüste, nicht wahr?«

      »Ja«, grummelte er, »schon seit vielen Jahrhunderten. Ein großer Krieg fand dort statt. Eine unwirtliche Gegend.« Verkniffen sah der Minotaurus zum angebundenen Pferd.

      »Wartet«, brummte er, wirbelte seine Axt und verkürzte mit wenigen Schritten seinen Abstand zu dem Tier. Drei mächtige Hiebe reichten und Torvac wühlte in dem Kadaver.

      »Da ist eine Prägung auf den Hufeisen«, sagte Moi’ra und beugte sich über ein Vorderbein. »Die geflügelte Sonne von Ustan, wenn ich mich recht entsinne. Die Hauptstadt von Talor. Mein Vater erwähnte, der Bote würde aus Talor anreisen.«

      »Aber was hat er mit sich geführt? Torvac?«

      Die blutverschmierten Hände des Minotauren hatten den Leib ausgeweidet, ohne fündig zu werden. Torvac stand nun hinter der Apfelschimmelstute. Widerwillig rümpfte er seine Schnauze, hob den Schweif an und griff in den After hinein. Seine Ahnung wurde bald belohnt und brachte einen pyramidenförmigen Kristall zu Tage. Erste Lichtstrahlen brachen sich in dem noch verdreckten Prisma. Am Umhang des Getöteten wischte er seinen Fund sauber und hielt ihn hoch.

      Fasziniert sahen wir dem Farbenspiel zu und rätselten, um was es sich bei dem Gegenstand handeln könnte. Wir äußerten zahlreiche Vermutungen, doch da sie keiner bestätigen oder ihnen widersprechen konnte, zuckte ich nur die Achseln. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«

      »So etwas wurde auch lange nicht mehr gesehen!«, erweiterte eine weiche, helle Stimme mein Unwissen. Unsere Köpfe ruckten in die Richtung der Sprecherin.

      Von einem dunklen Umhang weitgehend verborgen lugte helles, im Licht der Sonne goldgelb strahlendes Haar unter einer Kapuze hervor. Einen Kopf kürzer als ich deuteten schon ihre wenigen Schritte auf uns zu anmutige, geschmeidige Bewegungen an. Von junger, blühender Weiblichkeit geprägt lächelte ihre Schönheit uns entgegen. Strahlend helle, von sattem Blau getränkte Augen blitzten raubtierhaft unter fein geschwungenen Augenbrauen hervor und bedachten uns mit amüsierter Freude.

      »Verzeiht, dass ich eurem Gespräch gelauscht habe, aber es war ja auch nicht zu überhören. Ich bin Laana, eine Kundige dieser Stadt, und habe Informationen, die euch weiterhelfen können. Darf ich …?« Ihre nach oben geöffnete Hand war in Richtung des Kristalls gerichtet. Ihre helle, weiche Haut und die langen, schlanken Finger fesselten meinen Blick und verbanden sich mit Gedanken, welch Zärtlichkeit sie wohl schenken konnten.

      Torvac