Kristian Winter

Liebeswahn


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mich, weshalb mich sein Bild auf Schritt und Tritt verfolgt. Steht er mir dann aber gegenüber, könnte ich ihn erschlagen, schon allein dafür, dass er mich so unverschämt angafft. Es ist mir peinlich, aber auch irgendwie schmeichelnd. Warum müssen Männer immer so gaffen?“

      „Was sehen Sie in ihm?“, wich der Professor aus. „Oder was konkret fasziniert Sie an ihm?“

      „Das kann ich nicht genau sagen. Es ist einfach seine Art zu reden und sich zu geben, sein Blick und sein Lächeln, eben sein Vermögen, ganz Mann zu sein. Vielleicht ist es meine Ursehnsucht nach … “

      „Reden Sie weiter! Was meinen Sie?“

      „Es klingt vielleicht albern, wenn ich es so sage, aber ich liebe seine Hände. Sie sind so schlank und zart und jedes Mal, wenn ich sie berühre, beim Morgengruß zum Beispiel, durchschauert mich eine heiße Welle. Manchmal fürchte ich, er könnte es merken, vor allem, wenn mir die Knie weich werden. Doch ich nehme mich immer zusammen.“

      „Das ist schon bedenklich“, folgerte der Professor. „Nehmen Sie auch bitte die verschriebenen Medikamente. Ich stelle Ihnen noch ein weiteres Rezept aus und vermeiden Sie unbedingt jeden körperlichen Kontakt und sei es nur die flüchtigste Berührung.“

      „Aber wie soll ich das, da ich ihm doch jeden Tag begegne! Er ist mein Vorgesetzter und mir weisungsbefugt.“

      „Dann sollten Sie eine Versetzung in Erwägung ziehen. So geht das jedenfalls nicht weiter. Sie ruinieren sich ja.“

      „Oh nein!“, intervenierte sie sofort. „Das ist völlig unmöglich! Ich kann dort nicht weg! Es muss eine andere Lösung geben. Verstehen Sie doch, meine Tätigkeit ist mein Leben! Ich kann nicht ein Übel gegen ein anderes tauschen. Ich muss das Problem dort besiegen, wo seine Ursache liegt. Nur so kann ich gesunden. Anderenfalls werde ich daran sterben.“

      Der Professor wich erschrocken zurück. „Aber aber, was sind denn das für Reden, Frau Ritter? Sie machen es mir nicht leicht! Sie müssen sich strikt an die Medikation halten und erscheinen bitte weiterhin einmal wöchentlich bei mir zur Kontrolle! Ich weiß ja, dass der Prozess Ihrer Heilung langwierig ist. Sie dürfen nur nicht aufgeben und müssen aufpassen, nicht mit Streichhölzern zu spielen und dabei ein ganzes Haus zu entzünden, wenn Sie verstehen.“

      Natürlich verstand sie das. Doch was sollte dieser anmaßende Ton? Erneut fühlte sie sich versucht, ihm den Brieföffner gegen den Kopf zu knallen. Ohne etwas zu erwidern, erhob sie sich und versprach ihm, was er forderte. Der Professor verlor noch einige tröstende Worte und begleitete sie zur Tür, wo er sie dann mit einem unguten Gefühl entließ. Kaum war sie verschwunden, ging er zum Schreibtisch zurück und machte mit sorgenvoller Miene ein paar Notizen in ihre Akte.

      ****

      2. Kapitel

      Es war nicht zu fassen. Aber am nächsten Tag wirkte diese konsternierte Frau wie verwandelt. Als diplomierte wissenschaftliche Assistentin des Amtsrates Dr. Hendrik Willberg im hiesigen Katasteramt zog sie wieder einmal alle Register. Nichts mehr erinnerte an ihre gestrige Entgleisung und sie strotzte nur so vor Energie. Hinzu kam ihre modische Eleganz.

      So war ihr seitlich gescheiteltes rötliches Haar sorgfältig gestylt und vermittelte den Eindruck von Exaltiertheit und Selbstwert. Zudem sorgte ein besonderer Conditioner für den nötigen Glanz. Und während ein heller Concealer die beginnenden Schatten unter den Augen wirksam milderte, ergänzte die rahmenlose Designerbrille ihren intellektuellen Touch nahezu perfekt. Lediglich die auffallend spitzen Nägel an den von goldenen Ringen überfrachteten Fingern ließen auf eine krankhafte Manie schließen. Am raffiniertesten jedoch war ihr Kostüm aus grauem Taft, das, hauteng geschnitten, ihre Figur ganz wunderbar betonte. Darin verstand sie vorzüglich zu posieren. Jede Bewegung wirkte wie einstudiert, vor allem, wenn ihr seitlicher Rockschlitz unerlaubt viel Schenkel zeigte, welche zu allem noch in verführerischen Nahtstrümpfen steckten. Abgerundet wurde das Ganze durch einen betörenden Duft nach Amber von Prada, ihrem Lieblingsparfüm, wofür sie regelmäßig ein kleines Vermögen ausgab.

      Dabei war sie mit ihrer hochgewachsenen, schlanken Gestalt durchaus nicht unansehnlich. So besaß sie ein längliches Gesicht mit einer leicht vorspringenden Nase, zwei wundervolle blaue Augen, die besonders in emotionalen Momenten äußerst rührselig dreinschauen konnten und einen bezaubernd sinnlichen Mund. Lediglich die zu flache Brust und das etwas zu kräftige Kinn milderten ihren Sexappeal.

      Eigentlich hätte sie mit sich ganz zufrieden sein können und mit etwas mehr Charme wäre ihre jahrelange Einsamkeit sicher längst beendet gewesen. Und doch galt die beabsichtigte Wirkung weniger einem Mann als vielmehr einer Frau, welche – und das schien paradox – ihr weder würdig noch gewachsen schien. Unter normalen Umständen hätte sie diese zweifellos ausgestochen. Aber aufgrund der momentanen beruflichen Konstellation war das kaum möglich.

      Handelte es sich doch um niemand anderen als die Vorzimmerdame ihres gemeinsamen Chefs – eine aufgedonnerte Blondine mit dem albernen Kürzel ‚Mako‘ - für Maren Kosinski. Als Abteilungsliebling nahm sie sich so manches heraus, was puren Frechheiten gleichkam. Diese beschränkten sich nicht nur auf einen schnodderigen Ton oder aufdringliche Koketterien. Es waren vor allem die ständigen Diffamierungen und verbalen Attacken, womit sie ihre Autorität als Assistentin des Doktors untergrub. Schon deshalb herrschte zwischen ihnen schon seit langem so etwas wie ein Zickenkrieg, sehr zum Amüsement der männlichen Kollegen. Aber mit Eigenschaften wie vorlaut, flippig, mannstoll und maßlos von sich eingenommen, repräsentierte diese Kosinski so ungefähr alles, was eine Frau ihrer Meinung nach nicht sein sollte. Nur sah das niemand.

      Vielmehr verstand sie mit ihren Modelmaßen und dem kirschrotem Schmollmund nicht nur ihr Spatzenhirn zu verdecken, sondern auch gewisse Mannesregungen zu entfachen - vor allem die des gemeinsamen Chefs. Dabei hatte der sich anfangs noch gesträubt. Doch spätestens nach dem ersten Augenzwinkern, verbunden mit einer zweideutigen Bemerkung, begann er zu schwächeln.

      Aber ehrlich gesagt, befand er sich schon seit langem in der Rolle eines willenlosen Trottels, der ihr aus der Hand fraß. Dabei war diese Mako genau genommen nichts weiter als eine gewöhnliche Tippse, welche Post machte, ihm Kaffee kochte und sich die Nägel feilte. Nicht genug, dass es ihr an fachlicher Qualifikation mangelte - sie war mit ihren gerade mal Mitte zwanzig auch bereits Mutter eines Kleinkindes, natürlich ledig, bis über die Ohren verschuldet und total abgebrüht. Der Kindesvater soll ein Trunkenbold gewesen sein, der sie verprügelte und sogar schon mal auf den Strich geschickt habe. Selbst ein Frauenhaus war ihr nicht unbekannt, wie einigen ihrer Bemerkungen zu entnehmen war. Alimente zahlte er offenbar keine, so dass die junge Mutter auf staatliche Hilfe angewiesen war. Das erzählte sie auch noch überall herum, um bedauert zu werden.

      Doch erstaunlicherweise störte das niemandem, am wenigsten den Doktor, obgleich er normalerweise ein von Sachlichkeit und strengen Prinzipien geprägter Mann war. Und doch vergaß er das sehr schnell, sobald es seine Mako wieder mal darauf anlegte. Als man beispielsweise neulich im Rahmen eines wichtigen Gesprächs zusammensaß und nach einer Problemlösung suchte, starrte er ihr während des Kaffeeservierens derart in den Ausschnitt, dass es sogar der sonst so trägen Kollegin Kern aus der Nachbarabteilung auffiel. Darüber entsetzt, warf sie ihm einen empörten Blick zu, was er aber in seiner Gedankenverlorenheit nicht mal mitbekam. In der Tat fehlte nicht viel und er hätte ihr vor versammelter Runde auch noch auf den Hintern geklapst, so vernarrt schien er in sie zu sein.

      Was fand er nur an dieser Schlampe? Etwa dieses billige Flitterspray im Haar oder das Piercing an der Lippe? Lächerlich! Ebenso zeigte das ihren ganzen linken Arm bedeckende Tattoo ihre Abgeschmacktheit, vornehmlich, wenn sie ihr verboten knappes Top mit den Spaghettiträgern trug. Am schlimmsten aber war ihre Frisur. Wie konnte man sich nur so entstellen! Während die ganze linke Seite weit ausrasiert war, baumelte das übrige Haupthaar in stumpfen abgebrochenen, mit irgendwelchem Gel versteiften Strähnen ständig wild durcheinander und erinnerte an einen explodierenden Wellensittich. Das war weder hipp noch trendy, sondern einfach nur peinlich.

      Daraus blieb nur zu folgern, dass dieser hochgestochene Analytiker