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Kriegerherz und Königsehre


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Augen wurden zu einem eisigen Silber.

      „Nur wenn man mein Vertrauen missbraucht.“

      Er kam mit seinem Kopf ganz dicht an ihren heran und schaute ihr tief in die Augen. In diesen blauen Augen sah Deria einen Funken glimmen. Sein Mund berührte fast ihr Gesicht, sein warmer Atem streifte ihre Wange.

      „Bin ich dir so zuwider, dass du beschlossen hast, mir immer wieder davonzulaufen?“

      Seine Stimme war verdächtig leise. Deria wollte etwas erwidern, als seine Lippen ihren Mund versiegelten. Im ersten Moment, völlig gelähmt vor Entsetzen, erstarrte ihr Körper zu Stein. Doch mit einem Mal fühlten sich seine Lippen herrlich an. Warm, weich und zart. Oliver glitt mit seiner Zunge an den Innenseiten ihrer Lippen entlang. Er hatte ihre kurzzeitige Starrheit gespürt, aber auch wie sie sich langsam entspannte. Sieh an, dieses kleine Biest reagiert auf mich, stellte Oliver fest. Sie schmeckte so himmlisch süß und unschuldig. Ganz sanft bat seine Zunge um vollständigen Einlass. Deria wollte nicht, doch ihre Lippen öffneten sich wie von selbst. Oliver erkundete ihren Mund, nahm die Süße auf, neckte ihre Zunge und sie begannen zaghaft miteinander zu spielen. Deria wusste nicht wie ihr geschah, aber dieser Kuss war das schönste, was ihr bisher passiert war. Er liebkoste ihren Mund, dann glitten seine Lippen zu ihrem Hals und küssten dort eine unsichtbare Linie entlang. Derias Körper wurde von einer Gänsehaut überzogen. Doch sie konnte kein Wort über ihre Lippen bringen, nur ein tiefer Seufzer entwich ihnen.

      Langsam richtete Oliver sich auf. Was für eine Leidenschaft hatte er gespürt. Er musste aufhören, sonst würde er sie hier und jetzt nehmen. Ihre Augen hatten sich dunkelgrün verfärbt, ihre Wangen leuchteten in einem sanften rosa.

      „Wieso habt Ihr mich geküsst? Ich bin nicht eure Hu…“, doch Oliver hatte schon seine Finger auf ihren Mund gelegt.

      „Du gehörst mir! Ich kann mit dir tun und lassen was ich will und wann ich will“, stieß er mit rauer Stimme hervor.

      Oliver konnte nicht sagen, warum er ihr verheimlichte, dass sie jetzt seine rechtmäßige Verlobte war. Vielleicht weil sie ihn so lange belogen hatte? Sofort erwachte in Deria der Widerstand aufs Neue. Sie wurde so wütend, dass sie es schaffte, ihn von sich herunterzuwerfen. Oliver war zu überrascht, doch mit einem Satz war er auf den Füßen und griff nach ihr, bevor sie fliehen konnte.

      „Hör endlich auf immer davonzurennen!“

      Wie ein stählerner Ring hielt er ihre Taille umfangen. Mit dem anderen Arm presste er ihren Oberkörper an sich, so dass Deria sich nicht mehr bewegen konnte. Hilflos baumelte sie in der Luft. Deria spürte die Hitze seines Körpers, roch seinen Duft nach Schweiß, Stahl und Leder, der erregend auf sie wirkte. Langsam ließ ihre Gegenwehr nach und sie erschlaffte in Olivers Armen. Ihr Kopf sank müde an seine Brust.

      „Ihr seid der größte Schuft, den ich je gesehen habe! Das Wort Ehre in Eurem Mund kommt einem Verrat gleich. Noch nicht einmal verheiratet und schon betrügt Ihr Eure zukünftige Frau und jetzt fallt Ihr über ein unschuldiges Mädchen her. Ich verabscheue Euch und Ihr habt meinen Vater entehrt!“

      Oliver war von ihren Worten tief in seinem Stolz getroffen.

      „Was bildest du dir ein, über mich zu richten?“ Er drehte sie herum und schüttelte sie wild durch. „Steht nicht in der Bibel, wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein? Bist du ohne Sünde? Du, die alle Menschen, die dich liebten und lieben, belogen und betrogen hast. Und noch schlimmer: Du hast deinem Vater Schande gemacht und deinen Bruder entehrt, indem er namenlos begraben wurde.“

      Seine Stimme überschlug sich vor Wut. Seine Augen funkelten wild und gefährlich, dass Deria sein Blick durch Mark und Bein ging. Sein fester Griff schmerzte an ihren Oberarmen und presste ihr die Tränen in die Augen. Olivers Worte bohrten sich wie glühende Klingen in Derias Herz und die Erkenntnis, dass er die Wahrheit sagte, schmerzte noch mehr und raubte ihr fast die Sinne. Unerwartet ließ er sie los, so dass Deria beinahe gestürzt wäre. Sie starrte mit leerem Blick zu Boden. Ihre Schultern zuckten unter dem Weinkrampf, der sie mit einem Mal erfasste.

      Oliver indes hatte sich abgewandt und war hinter den Steinen der Ruine verschwunden. Verzweifelt raufte er sich das Haar. Fast hätte er die Beherrschung verloren und zum ersten Mal in seinem Leben eine Frau, nein, ein Mädchen geschlagen. Sein Zorn war erst gegen sich selbst gerichtet und dann wieder auf Deria. Es war nicht zum Aushalten mit ihr. Sie brachte ihn ständig zur Weißglut. Hatte er die richtige Entscheidung getroffen, als er seine Verlobung mit Alicia gelöst hatte? Würde er jemals mit Deria auch nur einen Weg des Miteinanders finden, ohne dass sie sich ständig gegenseitig verletzten? So viele Gefühle, wie ihn die letzten Tage durchströmt hatten, waren für ihn schwer zu akzeptieren. Er war immer nur der kühle beherrschte Oliver, der höchstens im Bett Leidenschaft kannte, die jedoch von ihm bestimmt wurde. Alle anderen Gefühle waren ihm fremd gewesen, bis Deria in sein Leben getreten war. Nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, ging er wieder zu Deria.

      „Wir reiten zurück. Ab sofort wirst du die Rolle annehmen, die dir von Geburt her bestimmt ist. Ich will dich nie mehr in Männerkleidung rumlaufen sehen. Heute Abend wirst du an meiner Seite sitzen, und zwar als Lady Deria Eddings. Hast du mich verstanden?“, herrschte er sie an. So sehr er gewillt war, anders zu klingen, bei ihrem Anblick geriet er wieder in Rage.

      Deria hörte den warnenden Ton in seiner kühlen Ausdrucksweise und nickte. Ihr Blick jedoch triefte vor Verachtung, die ihn wie ein Schwertstoß ins Herz traf. Warum macht mir das nur soviel aus, fragte er sich. Ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr sie ihn erneut verletzt hatte, drehte er sich herum, packte die Sachen zusammen und stieg auf sein Pferd. Er wartete nicht auf sie, sondern trieb das Tier zu schnellem Galopp an und überließ Deria sich selbst.

      Sie sank zu Boden und dachte nach. Es war alles anders gekommen, als sie es sich vorgestellt hatte. Nun saß sie hier und dachte über Olivers Worte und seine Reaktion nach. Er hatte sie hier zurückgelassen. Entweder war er sich so sicher, dass sie nicht floh oder so dumm, dass er diese Möglichkeit nicht bedacht hatte, oder er war einfach nur überheblich. Überheblichkeit passte in ihren Augen am besten zu ihm. Doch sofort machten sich auch Zweifel in ihr breit und es begannen zwei Seiten in ihr miteinander zu ringen. Sie führte laute Selbstgespräche; das half ihr, einen klaren Kopf zu bekommen.

      „Warum hat er mich geküsst, wenn er doch so wütend auf mich ist? Ob es ihm so gefallen hat, wie mir selbst?“

      Mit zitternden Fingern fuhr sie über ihre Lippen und schloss die Augen. Sie stellte sich wieder den Moment vor, als sein Mund den ihren berührte. Erst war sie geschockt, doch dann hatte sie ein Kribbeln erfasst, dass durch ihren ganzen Körper lief. Die Worte ihres Bruders aus ihrem Traum kamen ihr wieder in den Sinn: Er ist deine Bestimmung!

      „Was genau bedeutet das, Eric? Dass Oliver mich heiraten würde? Nun, das allein sicher nicht, denn es war schon vor langer Zeit beschlossen worden.

      Oder, vielleicht, dass er der Mann sein würde, in den ich mich verliebe, oder der vielleicht mich liebt?“ Ein Schauer überkam sie. Wenn es so wäre, warum waren sie dann wie Katz und Maus? Je mehr sie darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam es ihr vor. Aber er hatte sie hier allein zurückgelassen. An seiner Stelle hätte sie ihm nicht bis zur Nasenspitze getraut. Was hatte ihn dazu veranlasst, sofort zu gehen?

      „Er lässt dir eine Wahl“, hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf. Ihm zu folgen bedeutet, ihn zu akzeptieren.

      Wenn ich jetzt davonreiten würde, wäre ich frei… Deria war sich nun ziemlich sicher, dass Oliver sie auf die Probe stellte. Sie sollte selbst entscheiden welchen Weg sie gehen wollte - nur verstand sie es nicht. Denn immerhin war er mit Lady Alicia verlobt. So viele Fragen, auf die sie keine eindeutige Antwort fand. Sie konnte immer nur Vermutungen anstellen. Doch eines hatte sie in den vergangenen Jahren gelernt: Mit Flucht wurden die Dinge nicht besser. Auch das Lügennetz war immer löchriger geworden. Zudem hatte Oliver Recht, sie hatte Schande über ihre gesamte Familie gebracht. Sie musste es wieder gut machen. Aber erst musste sie herausfinden, was Oliver von ihr wollte. Sie atmete tief durch und stieg auf Aragon.

      Während sie zurück zur Burg ritt, spielte der Wind in ihrem Haar und die Sonne trocknete ihre Tränen. Mit